Ein klassisches Pay-for-Performance-System besteht üblicherweise aus den folgenden drei Elementen
- Zielvereinbarungsgespräch – in diesem werden individuelle Ziele zwischen Führungskraft und Mitarbeiter für das kommende Geschäftsjahr vereinbart und dokumentiert
- Zielerreichungsgespräch – in diesem werden die zu Jahresbeginn definierten Ziele evaluiert und dokumentiert
- und der Verknüpfung zur variablen Vergütung.
Die Ausgestaltung des Zieleprozesses ist in den Unternehmen ganz unterschiedlich im Detail definiert und in manchen Fällen mit anderen Instrumenten, wie zum Beispiel dem Mitarbeitergespräch, verbunden. Die Koppelung der individuellen Zielerreichung an die variable Vergütung ist ebenfalls unterschiedlich. Entweder ergibt sich der individuelle Teil der variablen Vergütung direkt über den Grad der Zielerreichung oder ein definiertes Budget wird anhand der individuellen Zielerreichung verteilt.
Probleme in der Praxis: Leistungsbestimmung im Gießkannenprinzip, künstliche Leistungsgruppen
In der Praxis gibt es bei diesen Systemen häufig Probleme: Aus Angst, den Mitarbeiter zu demotivieren, wenn er trotz guter wirtschaftlicher Lage des Unternehmens nur 80 Prozent der Ziele erreicht hat, greifen viele Führungskräfte bei der Leistungsbeurteilung zum Gießkannenprinzip und differenzieren die Zielerreichung nur in einer Bandbreite von 95 bis 120 Prozent. Leistungsträger motiviert das sicherlich nicht, und so sind es oft die Mitarbeiter selbst, die die öberflächliche Leistungseinschätzung bemängeln. Im Ergebnis wird die resultierende Vergütung nicht als leistungsgerecht empfunden. Fatal, wenn hieraus geschlussfolgert wird, dass sich Leistung nicht mehr lohnt.
Einige Unternehmen versuchen zusätzlich über eine unternehmensweite Kalibrierung gegebenenfalls mit Vorgabe einer Glockenkurvenverteilung (Forced oder Guided Distribution) der individuellen Leistungseinschätzung einheitlichere Bewertungen zu erreichen, was aber eine gewisse Anzahl von Mitarbeitern artifiziell in Hoch- oder Schlechtleister-Kategorien zwingt. In der Konsequenz muss jede Führungskraft ihre Leistungseinschätzungen einem Verteilungsmechanismus unterwerfen und vertritt das Ergebnis im Mitarbeitergespräch oft nicht mehr als das eigene.
Formalisierter Prozess verhindert sinnvolle Führung
In den letzten Jahren wurden variable Vergütungssysteme zu immer komplexeren Gebilden, um mit einem Mehr an Komplexität näher an den Pay-for-Performance-Gedanken heranzukommen (z. B. mit strikteren Zielvorgaben, Anleitungen zur Vereinbarung von "smarten" Zielen, komplexen Verknüpfungen von Unternehmens- und individueller Performance, Budgetrestriktionen etc.). Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit dieser Systeme bleiben dabei leider oft auf der Strecke. Der rigide, formalisierte und zeitaufwändige Performance-Management-Prozess stellt bei immer größer werdenden Führungsspannen eine zunehmende Herausforderung dar. Diese Prozesse sind mit die unbeliebtesten im Unternehmen und werden sowohl von Führungskräften als auch Mitarbeitern mehr als Last denn als sinnvolles Führungsinstrument angesehen.
Sind Zielvereinbarungssysteme mit Entgeltwirkung für alle sinnvoll?
Jedes Jahr gilt es, sinnvolle individuelle Ziele (nicht Aufgaben), die mit der variablen Vergütung zu verknüpfen sind, zu identifizieren und niederzuschreiben. Doch die Herausforderung liegt in der operativen Umsetzung. Zielvereinbarungssysteme mit Entgeltwirkung scheinen grundsätzlich nur für Funktionen wirkungsvoll, für die finanzielle und strategische Ziele auch geeignete Individualziele darstellen und die mit einem echten Handlungsspielraum ausgestattet sind. Dies ist in der Regel bei Vertriebs- und Spezialistenfunktionen gegeben.
Bei Führungskräften ist es eine philosophische Frage, ob diese, da näher am Unternehmenserfolg, eher nur an der Unternehmensperformance gemessen werden oder ob es hier eine Kombination von beidem ist und strategische individuelle Ziele sehr wohl eine sinnvolle Komponente sein können.
Abschaffung der Verknüpfung von individuellen Zielen und variabler Vergütung als allgemeine Lösung?
Ob die Höhe der variablen Vergütung an die Zielerreichung geknüpft wird und sich damit nach Leistungseinschätzung automatisch ergibt oder von Führungskräften innerhalb von Bandbreiten festgelegt wird, das Performance Management spielt auf jeden Fall eine entscheidende Rolle. Führungskräfte und Mitarbeiter in Unternehmen mit klassischen und stark regulierten Systemen äußern zunehmend Zweifel an deren Wirksamkeit.
Einige Unternehmen richten aus den oben genannten Gründen die variable Vergütung einzig an der Performance des Unternehmens aus und positionieren sich damit in der Öffentlichkeit, wie zum Beispiel Bosch. Die Koppelung der Boni an individuelle Zielerreichung und damit Leistung wird abgeschafft. Unbestritten ist, dass diese Schritte zu einer Reduzierung der Komplexität der variablen Vergütungssysteme führt und oft einen Prozess ablöst, der nicht wirklich leistungsabhängig ist. Damit verbunden ist auch der Wunsch, eine offene Feedbackkultur zu stärken und ein unterjähriges Performance Management ohne aufwendige Dokumentation zu ermöglichen.
Ziel erreicht. Boni ausgezahlt. Unternehmen nicht stärker als zuvor? Was sind die Alternativen?
Allerdings ist die Frage, wie die individuelle Performance der Mitarbeiter in der Vergütung reflektiert werden kann, noch zu beantworten. Denn unbestritten ist, dass insbesondere Sonderaufgaben und Projekte gerade bei Top-Performern in irgendeiner Form individuell entlohnt werden müssen.
Ohne Jahresbeurteilung steigt die Gefahr, dass die Verteilung von Gehaltserhöhungen und variabler Vergütung ein Schattensystem entstehen lässt, welches ohne angemessene Strukturen und Governance-Prozesse zu noch mehr Intransparenz und letztendlich Demotivation führt.
Die Motivation in Bezug auf variable Vergütung ist sehr vielschichtig und finanzielle Anreize können durchaus eine leistungs- und zufriedenheitssteigernde Wirkung haben. Ausschlaggebend sind hier komplexe Nebenbedingungen, wie beispielsweise die Erwartungshaltung der Mitarbeiter, sowie Vergleiche zwischen Mitarbeitern oder Führungs- und Unternehmenskultur.
Lösungsansätze können Spot Awards, Bonusbudgets für die Honorierung individueller Leistung und andere Mischformen sein. Allerdings besteht das Risiko einer Etablierung von Einmalzahlungen, die wenig transparent sind und zusätzlich steigenden Druck auf das Grundgehaltsmanagement ausüben, um individuelle Leistung zu honorieren. Um Wildwuchs zu vermeiden, sind hier konsequentes Monitoring und ein klarer Governance-Prozess erforderlich. Ansonsten besteht die Gefahr, dass in einigen Jahren wieder nach einer transparenten Basis für die Leistungsbeurteilung gerufen wird – das könnten doch individuelle Ziele sein.
Pay-for-Performance will neu gelernt und individuell umgesetzt werden
Ob eine variable Vergütung nur für bestimmte Mitarbeitergruppen an individuelle Ziele gekoppelt wird oder allen Mitarbeitern allein in Abhängigkeit vom Unternehmenserfolg gewährt wird, ist individuell zu entscheiden. Die folgenden Grundlegeln sollten dabei aber immer beachtet werden.
- Egal welches System etabliert wird, es muss zur Unternehmenskultur passen und Führungskräfte müssen mit den zur Verfügung stehenden Systemen umgehen können. Die Gestaltung von Anreizsystemen und deren Umsetzung durch die Führungskräfte müssen daher mit viel Umsicht erfolgen.
- Sogenannte „Best-Practice-Ansätze“ können nur ein Beitrag bei der Ausgestaltung des Performance Managements sein, das zur Vorgeschichte, den gemachten Erfahrungen und der Führungskultur passt, aus der Unternehmensstrategie abgeleitet und mittelfristig für die Organisation beherrschbar ist.
- HR muss Performance Management neu durchdenken und im Kontext der Unternehmens- und Führungskultur ein stimmiges, zum Unternehmen und dessen Strategie passendes System entwickeln. Führungskräfte sind in der Anwendung umfangreich zu schulen und es ist sicherzustellen, das Workarounds vermieden und konsequent mit dem System umgegangen wird.
- Leistungsnahes, unterjähriges Feedback eignet sich besser, um Mitarbeiter zu hervorragenden Leistungen und zum Erreichen übergeordneter Unternehmensziele zu motivieren, als eine Top-down-Bewertung am Jahresende.
- Boni allein wirken nicht dauerhaft leistungssteigernd, und klassisches „Performance Management“ ist out. Pay-for-Performance will neu gelernt werden und individuell für das Unternehmen umgesetzt sein.