Was uns Trump in Sachen Führung lehrt


Kolumne Leadership: Was uns Trump in Sachen Führung lehrt

Führen und Folgen sind die Grundlage gelingender Zusammenarbeit. Doch ihre Voraussetzungen unterliegen dem Wandel. Unser Kolumnist Randolf Jessl beleuchtet diesmal die Frage: Ist Donald Trump ein Leader?

Wer sich übers Führen und Folgen Gedanken macht, kommt an der schillernden Figur des amtierenden US-Präsidenten Donald Trump nicht vorbei. Zu extrem ist die Art, wie er führt und welches Echo er damit auslöst. Das amerikanische Volk urteilte in diesen Tagen darüber, ob es ihn in der Führungsrolle weiter sehen will. Für mich ein Anlass, zu fragen, was uns das Beispiel Trump nach vier Jahren des Staunens in Sachen Führung lehrt.

Deshalb zum Einstieg: Ist Trump ein Leader? Ja, natürlich! Er hat 2016 in Wahlen genügend Menschen gewonnen, die ihm ihre Stimme gaben, er hat sich so gegen seine Mitbewerberin durchgesetzt, er hatte daraufhin ein Amt inne, das ihm Autorität verlieh, und er hat vier Jahre lang seine Amtsgeschäfte mit harter Hand und klaren Zielen geführt.

Follower machen Trump zum Leader

Aber was macht Trump eigentlich zum Leader? Ganz generell und prinzipiell: Seine Follower. Wer aber folgt Trump, dem CEO der US Corporation?

  • Zuallererst sein Apparat: Wo Trump durchregieren kann, tut er dies mit harter Hand und ganz offensichtlich mit dem Maßstab "Wer nicht für mich ist, ist gegen mich" (die vielen Abgänge aus "seinem Team" zeigen es deutlich).
  • Dann seine Twitter-Gemeinde: Virtuos nutzt Trump neue Medien, in denen er ungefiltert, schnell und direkt zu seinen Followern spricht. Er ist ein Meister darin, Aufmerksamkeit zu erregen und Stimmung zu machen.
  • Schließlich seine Fans: Wie die Bilder aus dem Wahlkampf zeigen, hat Trump eine treue Anhängerschaft, die ihm fast bedingungslos huldigt.

Trump braucht mehr als nur Fans

Daraus ergibt sich Lektion eins: Neue Medien sind zunehmend ein Kanal für Leader und solche, die es werden wollen, um Gefolgschaft zu rekrutieren und Follower bei Laune zu halten. Doch sollte jeder CEO sich klar machen, wen er erreichen muss. Wer "Make America great again" propagiert, muss ein Mindestmaß an Vertrauen und Anerkennung bei allen Amerikanern gewinnen und nicht nur einen Teil an glühenden Anhängern glücklich machen. Keine Restrukturierung gelingt nur mit einem Teil der Belegschaft.

Daraus folgt Lektion zwei: Leadership in unserer Zeit beweist sich in Politik wie Wirtschaft zunehmend daran, Menschen zu überzeugen - auch wenn sie zweifeln oder anderer Ansicht sind. Durchregieren geht nur selten und erweist sich als fragil. Der Widerstand wächst – im eigenen Apparat wie in der Öffentlichkeit. Viel Potenzial für bessere Entscheidungen und stabilere Beziehungen bleibt ungenutzt.

Worin besteht also Trumps Autorität, die andere dazu veranlasst, ihm zu folgen? Zuallererst in den Machtmitteln und dem Image seines Amtes: Dem CEO der US Corporation müssen Menschen seines Apparats folgen, ob sie es wollen oder nicht (der Senat muss das nicht, weshalb Trump nur einen löchrigen Zaun und keine Mauer zu Mexiko bauen konnte). Und wer den US-Präsidenten nach wie vor für den "mächtigsten Mann der Welt" hält, wird ihm gegenüber Respekt verspüren.

Zweitens verschafft Trump sicher sein Auftreten bei vielen Menschen Autorität: Seine klare Kante, seine großen Ansagen und seine kraftvolle Ausdrucksweise erwecken schnell den Eindruck von Führungsstärke. Der Zusammenhang von entschiedenem Auftreten und der Wahrnehmung von Führungsstärke ist in der Forschung gut belegt (siehe dazu den Beitrag von Richard Ronay et al. "Playing The Trump Card").

Trumps Autorität steht auf wackligen Füßen

Doch neben Habitus und Status gibt es eine dritte Säule, auf der die Wahrnehmung von Autorität ruht: Kompetenz. Dass Trump als Regierungschef und Wirtschaftsfachmann über besonderes Wissen und Können verfügt, das werden angesichts der Pandemie-Entwicklung in den USA, der Verwerfungen am Arbeitsmarkt, der Zweifel an seinem unternehmerischen Erfolg im eigenen Firmenimperium, angesichts der für alle sichtbaren Führungskrisen im Weißen Haus sowie der vielen Irrtümer und nachgewiesenen Lügen von Trump weniger Menschen als noch vor vier Jahren empfinden.

Hieraus ergibt sich die dritte Lektion: Autorität sackt dann in sich zusammen, wenn Erfolge ausbleiben. Wer als CEO seine Firma groß machen will, stattdessen aber für alle spürbar schwächt, wird an Autorität einbüßen.

Trump kann sich durchsetzen, mehr nicht

Kommen wir zur letzten Frage: Was ist Trumps Problem als Leader? Ich sehe gleich drei.

  1. Kontext: Führung hängt nicht nur an der Person, sondern auch am Rahmen, innerhalb dessen die Person agiert. Da zeigt sich, dass der von Trump praktizierte autokratische Führungsstil in demokratischen Strukturen und angesichts von Mitstreitern mit eigenem Kopf schnell an Grenzen stößt.  
  2. Persönlichkeit: Die kann (wie es seine Nichte, die Psychologin Mary Trump, tut) im Spektrum dessen verortet werden, was Experten die dunkle Triade (Narzissmus, Machiavellismus, Psychopathie) nennen. Sie zeigt sich in asozialen Verhaltensmustern (Selbstüberschätzung, Gefühllosigkeit, Skrupellosigkeit), die nicht dazu angetan sind, mit Menschen dauerhaft gut zusammenzuarbeiten und Erfolge zu erzielen.
  3. Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen: Führungserfolg zeigt sich in zwei Phasen und basiert auf unterschiedlichen Faktoren, worauf der Organisationspsychologe und Pionier des "transformationalen Leadership-Ansatzes" Ronald Riggio schon 2018 in der Psychology Today hingewiesen hat: Auf dem steilen Berganstieg, Leader zu werden, und auf der sich anschließenden Gratwanderung, dauerhaft erfolgreich zu führen. Zwei Etappen, die sich bei Politikern immer wieder überlappen.

Hier wird klar: Vieles, was Trump beherrscht und darstellt, hilft ihm auf dem Berganstieg, aber schadet ihm auf der Gratwanderung praktizierter Führungsarbeit mit und für Menschen.

Trumps Entschlossenheit und Skrupellosigkeit, sich im Wettbewerb durchzusetzen, sind ohne Frage in Macht- und Wahlkämpfen hilfreich. Die Lösung komplexer Probleme in der Regierungsarbeit, der Aufbau von tragfähigen Beziehungen zu Menschen, die mit eigener Expertise und eigenem Kopf seiner Mission dienlich sein können, die Schaffung von Gemeinschaft, die sich um eine Vision und nicht seine Person bildet, sind und bleiben seine Sache nicht (siehe dazu auch meine Kolumne "Führung zwischen Machiavelli und Mutter Teresa").

Leader sein und Leader werden sind zwei paar Schuhe

Wie immer auch die Wahl daher ausgeht, ist dies die vierte Lektion für Leader aus Politik und Wirtschaft: Was einen im Verdrängungswettbewerb an die Spitze einer Hierarchie bringt, ist nicht das, was einen erfolgreich in der Arbeit mit Menschen macht, die man als Leader dringend für die Erreichung der angestrebten Ziele braucht.


Randolf Jessl ist freier Journalist und Inhaber der Kommunikations- und Leadershipberatung Auctority. Er unterstützt Menschen in Organisationen und auf Märkten, dank ihres Wissens und ihrer Ideen in Führung zu gehen.