"Frollege" ist ein neudeutscher Begriff für Kollegen auf dem Sprung zum Freund. In unserer unübersichtlichen Welt mit ihrem Gegentrend des "Cocooning" – als Rückzug ins Private – sind Freunde für die meisten von uns wichtiger geworden. Manche dieser Freunde findet man bei der Arbeit. Das sind dann die Frollegen.
Freundschaft – was für ein gewaltiges Wort. Da gibt es zunächst die Facebook-Freunde. Von denen ich übrigens keinen einzigen habe, da ich dieses soziale Netzwerk nach wie vor meide. Da gibt es trotz und vermutlich gerade wegen zunehmender Mobilität die alten Freunde, aus dem Kindergarten, aus der Schulzeit, aus dem Studium sowie schließlich die Frollegen aus früheren Jobs. Und da gibt es Freunde in der eigenen Familie, der aus der man kommt und der die man selbst gründet. Wobei die Journalistin Susanne Lang in ihrem Buch „Ziemlich beste Freunde“ mit Blick auf das zunehmende Chaos und Patchwork heutiger Familien von selbst gefundenen Freunden als der neuen Familie spricht.
Freunde haben eine Entlastungsfunktion
Für Talente sind Freunde wichtig, sehr wichtig sogar. Weil Freunde ein Talent nicht als Wunderwuzzi, sondern eben als Freund sehen, der auch Schwächen hat – die man im passenden Moment ansprechen darf und die bei jedem Menschen zum Menschsein eben dazugehören. Bei Freunden können sich Talente für ein paar Momente aus ihrer Null-Fehler-Aura ausklinken, müssen keine Rolle spielen und können ungeschminkt über Probleme, Ängste, Nöte sprechen. Was zur Entspannung in einer ansonsten auf Perfektion angelegten Talent Management Welt beiträgt.
Frollegen sind eher Nutzfreunde
In ihrer Schrift verweist Lang außerdem auf verschiedene Arten von Freundschaft: „Schon Aristoteles hat Nutz-, Lust- und Tugendfreunde unterschieden. Tugendfreunde verkörpern die höchste Form der Freundschaft: Sie lieben sich ‚um ihres Wesens willen‘. Lustfreunde teilen Leidenschaften für schöne Dinge oder Hobbys: Sie haben Spaß an gemeinsamen Beschäftigungen. Und Nutzfreunde sind befreundet, weil sie sich gegenseitig helfen, weil sie voneinander profitieren“.
Sicherlich sind für ein Talent auch frollegige Nutzfreunde im Unternehmen nicht nur angenehm sondern zuträglich, weniger im Sinne geheimer Seilschaften oder „Old Boys“-Netzwerken oder Zickenbündnissen. Aber eben freundschaftliche Kollegen, denen man zu einem gewissen Grad vertrauen kann. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kommt kein Talent ohne gute Frollegen in seiner Karriere voran.
Warum Frollegen nur Frollegen sind
Außerdem ist das sonstige Leben weniger schön. Denn – jetzt gerate ich an die Grenze einer triefenden Moral – Freunde sind kaum etwas, das mit den auch im Talent Management üblichen Nützlichkeitserwägungen und einem ökonomischen Wertschöpfungsdenken betrachtet werden sollte. Vermutlich genau darin liegt der Unterschied zwischen guten Frollegen und echten Freunden.
Martin Claßen hat 2010 das Beratungsunternehmen People Consulting gegründet. Talent Management gehört zu einem seiner fünf Fokusbereiche in der HR-Beratung.