"Auch bei Lean kommt es auf die Leidenschaft der Führungskräfte an"
Haufe Online-Redaktion: Sie sind einer der Vordenker im Lean Management. Wie sieht Ihr Ansatz des Synchronen Produktionssystems (Synchronized Production System, SPS) aus?
Hitoshi Takeda: Der Lean-Ansatz von SPS besteht darin, sich in 15 klar definierten Schritten zu verbessern, dabei jeweils für die wichtigsten Inhalte Schlüsselwörter, entscheidende Punkte und Zielpunkte zu definieren sowie die Maßnahmen zu priorisieren. In den Strukturen ist auch ein regelmäßiger Rückblick verankert: In gewissen zeitlichen Abständen werden die erzielten Fortschritte durch eine Niveaubewertung festgestellt.
SPS einführen - bevor die wirtschaftliche Lage dies erzwingt
Haufe Online-Redaktion: Grundgedanken der Lean-Methoden sind ja der Kampf gegen Verschwendung und kontinuierliche Verbesserung. Wenn Sie die derzeitige Wirtschaftslage betrachten: Wie aktuell sind dann diese Grundprinzipien?
Takeda: SPS strebt nach Strukturen, die es einem Unternehmen ermöglichen, auch bei zukünftigen konjunkturellen Einbrüchen sicher und kontinuierlich Profit generieren zu können. Es gibt viele Firmen, die aus diesem Grund SPS einführen wollen. Der Kunde möchte zu keiner Zeit für Verschwendung bezahlen. Sie denken als Kunde doch sicherlich auch so. Deshalb sollten konjunkturelle Hochs als Chance begriffen werden, um mit Nachdruck - bei einer gesunden Unternehmensverfassung - SPS einzuführen.
Haufe Online-Redaktion: In welchen Ländern ist die Nachfrage nach Lean-Methoden und SPS im Moment besonders groß? Gibt es speziell in Europa einen steigenden Bedarf?
Takeda: Lean ist in Japan entstanden und hat sich dort entwickelt, aber es gibt erst wenige Unternehmen in Japan, die es wirklich eingeführt haben. Ich führe dieses System auf der ganzen Welt ein, aber der Bedarf steigt vor allem in Europa. Dieser ist sehr groß, es gibt jedoch auch viele Firmen, die nicht lange durchhalten und wieder aufgeben. Allerdings ist in europäischen, inhabergeführten Unternehmen der klare Wille des Unternehmers zu spüren, und dort ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass über lange Zeit kontinuierlich gearbeitet werden kann und sich das Unternehmen in eine gute Richtung entwickelt.
Unternehmenskultur langfristig ändern
Haufe Online-Redaktion: Häufiger Kritikpunkt am Lean Management ist ja, dass es sehr lange dauert, bis die Vorteile von Lean überhaupt zum Tragen kommen, da sich die passende Unternehmenskultur nur sehr langsam entwickeln lässt. Wie muss eine Unternehmenskultur beschaffen sein, damit Lean zum Tragen kommen kann?
Takeda: Wenn sich etwas leicht und in kurzer Zeit bewerkstelligen lässt, so kann das jeder andere auch tun. Dies führt nicht zu mehr Wettbewerbsfähigkeit. Es dauert seine Zeit, um die Dinge und die Denkweisen grundlegend zu verändern. Eine Unternehmenskultur, die zu entsprechenden Ergebnissen führt, ist von folgenden Elementen geprägt:
- Arbeit besteht aus Standard-Arbeitsabläufen und Verbesserungen. Diese Verbesserungen sind ein Teil der Arbeit.
- Eine gründliche Umsetzung des visuellen Managements: Die Abläufe sind auch für Außenstehende ersichtlich.
- Bei der Steuerung müssen jedem Betrachter Abweichungen vom Soll-Zustand ins Auge springen.
- Bei Unregelmäßigkeiten muss sofort der Ablauf angehalten werden und nachhaltige Maßnahmen eingeleitet werden. Dafür müssen Strukturen geschaffen werden.
- Sich hohe Ziele setzen und diese Herausforderungen angehen.
- Mitarbeiter wertschätzen.
Haufe Online-Redaktion: Und wie muss heute speziell die Führungskultur geprägt sein, um Lean erfolgreich umzusetzen?
Takeda: Bei der Einführung von Lean kommt es zunächst einmal auf Leidenschaft und Entschlossenheit bei Geschäftsleitung und Führungskräften an. Intelligente Lösungen lassen Mitarbeiter und Unternehmen wachsen. Leidenschaft hingegen treibt die Menschen an. Der Fisch kann nur mit dem Kopf voraus schwimmen. Allerdings fängt er auch am Kopf an zu stinken. Es geht darum, dass die Geschäftsleitung selbst sich bewegt, eine klare Planung und den starken Willen zur Einführung neuer Wertvorstellungen im Unternehmen vermittelt und den Mitarbeitern glaubhaft macht, dass sie es ernst meint. Auf keinen Fall darf das die Unternehmensleitung anderen überlassen. Der Erfolg eines Teams ist dann am größten, wenn die Mitarbeiter selbsttätig die Erreichung eines Zieles anstreben. Management besteht darin, das Umfeld dafür zu schaffen, dass die Potenziale der Mitarbeiter realisiert werden können. Wichtig ist eine Firmenkultur, die nicht die Grenzen, sondern die Potenziale der Mitarbeiter in den Blick nimmt.
Effizienzsteigerung ist nicht das Ziel von SPS
Haufe Online-Redaktion: In der Managementdiskussion beklagen John Kotter und andere, dass viele Unternehmen zu sehr auf Effizienz getrimmt wurden. Das eigentliche Problem der Unternehmen liege nicht in der mangelnden Effizienz, sondern in der fehlenden Innovationsfähigkeit. Wie sehen Sie das?
Takeda: Das Ziel von SPS besteht nicht in einer Effizienzsteigerung. Wichtig ist, zunächst aus Kundenperspektive gründlich nachzudenken und die Durchlaufzeit von der Angebotsanfrage über die Angebotserstellung, Fertigungsplanung, Fertigung, Logistik bis zur Lieferung an den Kunden zu verkürzen. Darüber hinaus sind Marketing und Innovation unverzichtbar. Innovation kann erzielt werden, wenn kontinuierlich an Verbesserungen, Verbesserungen, Verbesserungen ... gearbeitet wird.
Lean versus Agilität? Beides kombinieren
Haufe Online-Redaktion: Die Kundenorientierung ist auch die Basis von agilen Methoden, die heute gerade in der Softwareentwicklung genutzt werden. Lassen sich die Konzepte verbinden – und ist das erfolgsversprechend?
Takeda: Man sollte die beiden Konzepte kombinieren. Ob dies zum Erfolg führt, ist jedoch eine andere Frage. Wichtige und unverzichtbare Grundprinzipien für den Erfolg sind allerdings:
- Für die Kundenorientierung ist die Haltung wichtig, dass der nachgelagerte Prozess eines Teams dessen Kunde ist (nicht nur der Endkunde, der für das Produkt bezahlt). Noch klarer ausgedrückt: Alle um das Team herum sind Kunden. Diese Haltung ist gefragt!
- Teamarbeit heißt, zur Erreichung eines Ziels im Team selbständig Rollen zu verteilen (das Team ist der Kern und ein Ort, an dem Weiterentwicklung stattfindet) und meint eine sehr bewusste Organisation, die durch Synergien Potenziale erschließt und Ergebnisse bringt.
Hitoshi Takeda ist der Begründer des synchronen Produktionssystems (SPS) und weltweit als Lean-Guru bekannt. Bei der Bossard Fachveranstaltung "Synchrones Produktionssystem und Industrie 4.0" hat er eine Keynote zum Thema "Synchrones Produktionssystem (SPS) als Basis für die Digitalisierung" gehalten.
Die Präsentation sowie weitere Unterlagen zur Veranstaltung können Sie auf der Webeite von Bossard anfordern.
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