Prinzipiell ist es notwendig, gesundheits- und leistungsförderliche Maßnahmen nicht ausschließlich über die individuellen Gegebenheiten der einzelnen Mitarbeiter (Verhaltensorientierung) zu betrachten. Zielführender ist es für Unternehmen, Gesundheit als Aufgabe der Gesamtorganisation (Verhältnisorientierung) wahrzunehmen.
Das betriebliche Gesundheitsmanagement nach der DIN SPEC setzt die Bereitschaft zur Integration des Gesundheitsaspektes in betriebliche Prozesse und Strukturen voraus. Folglich müssen die Entscheidungs- und Leitungsebenen bereit sein, die Unternehmens- und Führungskultur bei Bedarf bezüglich des Gesundheitsgedankens neu zu justieren.
Führung und Verpflichtung
Die Vorgehensweise eines Gesundheitsmanagementsystems nach DIN SPEC orientiert sich am Managementzyklus, zum Beispiel bestehend aus den Grundphasen Planen, Umsetzen, Überprüfen/Bewerten und Handeln/Anwenden (diese entspricht dem sogenannten "PDCA-Zyklus": Plan, Do, Check, Act). Dabei werden in Form eines Kreislaufs die für das BGM notwendigen Prozesse, Methoden und Ressourcen erhoben und anschließend festgelegt. In der Folge werden diese kontinuierlich überwacht und auf Schwächen hin analysiert. Verfehlen festgelegte Prozesse oder Methoden ihr Ziel, müssen in einem nächsten Handlungsschritt erforderliche Veränderungen und Verbesserungen ermittelt und festgelegt werden. Dadurch ist ein ständiger Überwachungs- und Anpassungsprozess des Gesundheitsmanagements gewährleistet.
Um eine solche Form des Gesundheitsmanagements zu implementieren oder aufrechtzuerhalten ist es notwendig, dass das Unternehmen geschlossen das Ziel einer gesundheits- und leistungsförderlichen Gestaltung der Arbeit und der Organisation verfolgt. Vor allem die oberste Leitung hat hier die Aufgabe, die Unternehmenswerte, -leitbilder und -visionen anzupassen und darauf hinzuwirken, dass die Förderung der Gesundheit aller Organisationsmitglieder unterstützt wird (betriebliche Gesundheitspolitik). Die betriebliche Gesundheitspolitik ist daher als "Verfassung" zu verstehen, die dem BGM-System zugrunde liegt und von der Unternehmensleitung beim Aufbau des BGM sowie bei Veränderungen beachtet werden muss.
Als nächster Schritt folgt der Aufbau der Struktur für das Gesundheitsmanagement. Dazu müssen Verantwortungen und Befugnisse festgelegt, schriftlich fixiert und bekannt gemacht werden. Da es Ziel ist, dass alle Führungskräfte das BGM als Führungsaufgabe wahrnehmen, wird ein Augenmerk darauf gerichtet, dass diese qualifiziert und unterstützt werden.
Analytisches Vorgehen und Zielbildung
Im Rahmen der zyklischen Arbeitsweise des betrieblichen Gesundheitsmanagements müssen zunächst die bestehenden Gesundheitsrisiken und -chancen für die Organisationsmitglieder im Unternehmensalltag ermittelt werden. Sie ergeben sich aus der Arbeits-, Umgebungs- und Prozessgestaltung und ändern sich mit dem Umfeld und den Anforderungen an die Organisation.
Um gesicherte Aussagen über Gesundheitsrisiken und -chancen machen zu können, muss in der Organisation ein Verfahren festgelegt werden, das fähig ist
Chancen und Risiken zu ermitteln und zu analysieren,
aus den Ergebnissen Prioritäten abzuleiten und
die Wirksamkeit von getroffenen Maßnahmen erneut zu überprüfen.
Es ist sinnvoll unterschiedliche sozialempirische Methoden (zum Beispiel Mitarbeiterbefragung, Interviews, Gesundheitszirkel) heranzuziehen, um qualitativ und quantitativ aussagefähige Daten zu gewinnen. Als Datenquelle können Gefährdungsbeurteilungen genauso wie Managementmethoden wie Swot-Analysen oder Mitarbeitergespräche mit herangezogen werden. Zu beachten ist, dass die Ergebnisse in Form von Kennzahlen wiedergegeben werden, damit Veränderungen später gemessen werden können. Voraussetzung für eine möglichst aussagekräftige Analyse ist die Partizipation aller Organisationsmitglieder – das erhöht die Akzeptanz, das Vertrauen und damit die Teilnahme am Ermittlungsprozess. Im Anschluss daran muss die Organisationsleitung Ziele im Hinblick auf die Minderung der Gesundheitsrisiken und die Förderung von Gesundheitschancen festlegen. Im weiteren Verlauf der betrieblichen Gesundheitsarbeit werden dann Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele geplant und festgelegt. Die "smarte" Formulierung der Ziele (smart: spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch und terminiert) erleichtert es, Handlungsmöglichkeiten abzuleiten und den Erfolg zu überprüfen.
Unterstützungsprozesse
Die Basis für ein erfolgreiches weiteres Vorgehen sind die Unterstützungsprozesse des Gesundheitsmanagementsystems. Da die Arbeit des BGM Ressourcen verbraucht, müssen diese im Vorfeld erhoben und bereitgestellt werden. Mit Ressourcen sind nicht ausschließlich finanzielle Mittel gemeint: Personen, Wissen und Handlungsmöglichkeiten sind ebenfalls Ressourcen für die Umsetzung und Erhaltung der Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsarbeit. Dementsprechend müssen Personen, die mit Verantwortungen und Befugnissen für das BGM ausgestattet sind, qualifiziert werden.
Dafür fordert die DIN SPEC 91020 von der Organisation, dass sie ein Verfahren entwickelt, mit dem die notwendigen Kompetenzen dieser Personen ermittelt und Qualifizierungsmaßnahmen abgeleitet werden können.
Ein weiterer Unterstützungsprozess ist die Bewusstseinsbildung der beteiligten Personen. Die oberste Leitung hat die Aufgabe, die in der Gesundheitspolitik und den -zielen festgelegten Ideale und Überzeugungen sowie den Nutzen und die Wirksamkeit des BGM-Systems in das Bewusstsein der interessierten Parteien zu bringen. Bedingung ist es, dass diese regelmäßig über geeignete Prozesse kommuniziert werden.
In Anlehnung an bestehende Managementsysteme setzt die Spezifikation zudem eine umfassende Dokumentation des BGM als Unterstützungsprozess voraus. Diese kann in Form eines Handbuchs oder durch Integration in bestehende Dokumentationen anderer Managementsysteme umgesetzt werden.
Maßnahmen und Prozesse
Nachdem die Organisation auf ihre gesundheitlichen Risiken und Chancen hin analysiert wurde und sämtliche Voraussetzungen für die Arbeitsfähigkeit des BGM-Systems erfüllt sind, muss sie sich mit der Planung auseinander setzen. Dazu müssen – unter Berücksichtigung sämtlicher betrieblicher Prozesse (Kern-, Führungs- und Unterstützungsprozesse) und Strukturen – Maßnahmen und Vorgehensweisen festgelegt oder verändert werden, mit denen die Erreichung der festgelegten Gesundheitsziele angestrebt wird.
Eine Analyse nach den Anforderungen der DIN SPEC hilft, weitere Organisationsbereiche für Maßnahmen und Veränderungen zu identifizieren. Potenzielle Bereiche für Aktionen des Gesundheitsmanagements sind zum Beispiel die Anforderungen der Kunden an die Produkte odr Dienstleistungen des Unternehmens sowie deren Entwicklung, Herstellung und Lieferung. Die Möglichkeit aller Organisationsmitglieder zur Mitgestaltung des BGM-Systems wird dabei ebenso vorausgesetzt, wie regelmäßiges Feedback über die Wirksamkeit des betrieblichen Gesundheitsmanagements.
Evaluation und Verbesserung
Der Management-Kreislauf des BGM schließt sich in der Evaluation der Arbeit des Gesundheitsmanagements und des damit einhergehenden Verbesserungsprozesses. Dabei ist zu beachten, dass eine Überprüfung nicht zwangsläufig nur am Ende einer Veränderung oder Intervention steht. Die Aufgabe der Evaluation ist es, die Konformität des BGM mit der DIN SPEC 91020 zu überprüfen und die Wirksamkeit des BGM zu kontrollieren.
Fortlaufende Überwachungsprozesse stellen auch eine effektive Vorgehensweise des BGM sicher. Werden bereits in frühen Planungsphasen des BGM Probleme ermittelt, können kurzfristig Planungsanpassungen vorgenommen werden. Weitere Mess- und Analyseprozesse können im weiteren Verlauf die Wirksamkeit von Interventionsmaßnahmen oder die Angemessenheit des gesamten Gesundheitsmanagementsystems überprüfen.
Abschließend sind in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess aus den vorhandenen Evaluationsergebnissen Korrekturen und Anpassungen abzuleiten und umzusetzen.