Ausgezeichnet für Mut, Pragmatismus und Leidenschaft für Daten
Haufe Online-Redaktion: Herzlichen Glückwunsch zum Titel „Personalmarketing-Innovator 2017“. Was sehen Sie als Ihre wichtigste Personalmarketing-Innovation an?
Marcel Rütten: Die meiste Pionierarbeit haben wir ins Thema Cultural Fit gesteckt. Das ist auch die Innovation, die die größte Wirkung bei Bewerbern verursacht hat. Mit dem Ansatz, die eigene Organisationskultur im Recruiting messbar zu machen, haben wir bei Bewerbern für Verwunderung gesorgt. Uns als NGO traut man diesen hohen Innovationsgrad auf den ersten Blick nicht zu. Dafür ist der Überraschungseffekt umso größer. Grundsätzlich sind bei der Kindernothilfe sehr gute Strukturen vorhanden, die es mir erlauben, Ideen zu entwickeln und Innovationen direkt auf den Weg zu bringen. Wir gehen damit sehr pragmatisch und unbürokratisch um. Ein Beispiel ist eben auch das Alumni-Netzwerk, das langfristig angelegt ist und das dazu führt, dass wir jede Stelle in bestimmten Berufsgruppen über dieses Netzwerk besetzen können.
Haufe Online-Redaktion: Wie wichtig ist Personalmarketing für die Kindernothilfe? Praktika und Jobs in Ihrer Organisation sind doch sicher sehr gefragt.
Rütten: Das Personalmarketing ist für uns in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden. Wir sind eine Kinderrechtsorganisation und unsere Mitarbeiter verfügen über eine starke Identifikation mit ihrem Arbeitgeber. Diese stammt vornehmlich aus ihrer intrinsischen Motivation, denn ihre Tätigkeit trägt dazu bei, Kinderrechte zu verwirklichen. Dafür braucht es Überzeugungstäter. Die Arbeit ist stark geprägt durch unsere Kultur und die Kultur wird für uns zum Wettbewerbsvorteil. Mit ihr können wir auf unsere Arbeitgebermarke aufmerksam machen. Wir haben weit über 100 Berufsgruppen beschäftigt. Da ist es wichtig, dass wir ein breit aufgestelltes Personalmarketing haben, weil wir auch Jobfamilien bei uns haben, die man im ersten Moment nicht vermutet, wie Grafiker, Online Marketing Manager oder Web Developer.
Die Arbeit bei der Kindernothilfe ist stark geprägt durch die Unternehmenskultur. Sie wird zum Wettbewerbsvorteil.
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Haufe Online-Redaktion: Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie und wie viele Stellen haben Sie jährlich zu besetzen?
Rütten: Aktuell haben wir rund 160 Mitarbeiter und im Jahr rund 20 Stellen sowie etwa 50 Praktikantenplätze zu vergeben. Unser Praktikantenprogramm erfreut sich seit Jahren bei Studierenden einer sehr hohen Nachfrage. Das haben wir so weiterentwickelt, dass heute über 20 Prozent unserer Mitarbeiter ehemalige Praktikanten sind.
Haufe Online-Redaktion: Auf Ihrer Karrierewebseite bieten Sie einen „Cultural Fit Evaluator“ an. Welche Idee steckt dahinter?
Rütten: Die Idee ist, potenziellen Bewerbern eine valide Möglichkeit zu bieten, selbstständig herauszufinden, wie gut sie mit uns in kultureller Hinsicht zusammenpassen. Damit soll zum einen die Candidate Experience positiv beeinflusst werden, weil die Teilnehmer direkt nach Abschluss des Tests einen persönlichen Report bekommen sowie einen „Cultural Fit Score“, der ihnen als Indikator dient, wie gut sie zur Kindernothilfe passen. Zum anderen wird die Organisation von unpassenden Bewerbungen entlastet, weil sich Personen, die von vornherein sehen, dass sie eher nicht zu uns passen, idealerweise gar nicht erst bewerben. Somit ersparen sie sich auch den Frust einer Absage. Die Weiterentwicklung der Organisationskultur soll durch gezieltes Recruiting gesteuert werden. Wir können so eine vielseitige und facettenreiche Kultur schaffen, indem wir auf bestimmte Charaktereigenschaften und Attribute setzen, die die herrschende Kultur wiederspiegeln, aber auch auf andere, die die Kultur weiterentwickeln und in die richtige Richtung lenken.
Test vonCultural Fit bei Kindernothilfe: Personen, die gleich sehen, dass sie nicht passen, bewerben sich nicht.
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Haufe Online-Redaktion: Inwiefern fließen Ergebnisse aus dem „Cultural Fit Evaluator“ in Einstellungsentscheidungen ein?
Rütten: Potenzielle Kandidaten erhalten von uns zunächst eine individuelle Einladung mit einem personalisierten Link zum Test. Der Test hilft uns bei der weiteren Vorauswahl der Kandidaten für die Interviews. Anhand der Ergebnisse können wir entscheiden, wen wir letztendlich zu den Interviews einladen. Die Ergebnisse liegen uns vor den Gesprächen in Form des Reports vor. Auch der Bewerber erhält den Report. Das heißt, wir können uns gleichermaßen auf das Interview vorbereiten. So kann die kulturelle Passung nicht nur objektiv besser eingeschätzt werden, sondern in den Interviews können wir das Thema Organisationskultur viel besser mit den Kandidaten besprechen. Das erhöht die Qualität der Interviews für beide Seiten.
Haufe Online-Redaktion: Sie setzen auch Truffls für das Recruiting ein – eine Job-App, bei der Kandidaten uninteressante Jobs einfach wegwischen. Wie passt das in Ihr Konzept?
Rütten: Das passt perfekt: Truffls trifft genau den Zeitgeist der Bewerber. Ähnlich wie beim „Cultural Fit Evalueator“ findet ein Matching statt. Durch das „Swipen“ ist die Hürde für Bewerber, ihr Interesse zu bekunden, sehr gering. Wenn ich als Arbeitgeber ein Profil sehe, das gut zu uns passt, erhält der Bewerber unmittelbar eine positive Rückmeldung und kann nach diesem Matching mit dem Recruiter per Instant Messaging kommunizieren und seine offenen Fragen stellen. Auch hier gilt das Prinzip, dass ich keine unpassenden Bewerbungen verursache, da die Kandidaten sich nur dann bewerben, wenn es einen Match gibt.
Haufe Online-Redaktion: Wo finden Sie Ihre Personalmarketing-Ideen?
Rütten: Eine Quelle findet sich in Social Media: Ich bin überzeugter Social-Media-Fan und versuche, in den unterschiedlichen Kanälen so viel wie möglich aufzunehmen. Eine andere Quelle ist das Ausland: Ich schaue, wie bestimmte Probleme in anderen Ländern gelöst werden. Außerdem sehe ich mir Trends in anderen Berufsgruppen an. Ich besuche beispielsweise Messen, die nichts mit HR zu tun haben, um Trends aus diesen Disziplinen aufzuspüren und für HR zu adaptieren. Die wichtigste Quelle liegt aber bei den Usern selbst: Ich kann bei der Candidate Experience durch eine Vielzahl an Datenanalysen erkennen, wo es hakt, und suche dann nach kreativen Lösungen. Es gibt ein großes Spektrum an verfügbaren Zahlen, die ich beispielsweise über die Karrierewebseite oder über Bewerbungen erheben kann, und aus denen ich viele Erkenntnisse gewinnen kann.
Haufe Online-Redaktion: Die Jury des PMI-Awards hat Sie auch deshalb ausgezeichnet, weil Sie innovative Lösungen mit einem geringen Budgeteinsatz schaffen. Welche Tipps haben Sie für andere Personalmanager, die ebenfalls mit kleinen Budgets auskommen müssen?
Rütten: In der Praxis erlebe ich häufig, dass Personaler viele Potenziale des Personalmarketings nicht nutzen. Dabei spielt es keine Rolle, ob jemand über viel oder wenig Budget verfügt. Das digitale Recruiting liefert viele Daten, die einfach zu erheben sind. Dafür sind keine Data Scientists nötig, sondern Personalmanager können sich diese Daten selbst verfügbar machen. Anhand dieser Daten können sie sich jedes Detail des Bewerbungsprozesses ansehen und an das Verhalten der Kandidaten anpassen. Das ist ähnlich wie im Online-Marketing: Wird für einen potenziellen Käufer die gewünschte Zahlungsmethode nicht angeboten, bricht der seinen Kauf ab. Das gleiche gilt für den Bewerbungsprozess: Wer den Grund nicht kennt, weshalb Bewerber den Prozess abbrechen, kann diesen auch nicht abstellen.
Haufe Online-Redaktion: Was sind Ihrer Ansicht nach die Voraussetzungen, um gutes und innovatives Personalmarketing zu betreiben?
Rütten: Personalmarketing steht und fällt mit der Einzigartigkeit meiner Employer Brand. Sie ist die Basis für die gesamte Kommunikation nach außen. Um mich von anderen Arbeitgebern auf innovative Art und Weise abzuheben, kann ich das natürlich durch Text, Bild und Videos tun. Es geht aber eben auch um den Einsatz moderner Tools. Damit signalisiere ich den Bewerbern, dass im Unternehmen Strukturen vorliegen, die Innovationen ermöglichen. Darüber hinaus bin ich der festen Überzeugung, dass ich im Personalmarketing einige IT-Kenntnisse haben muss und dass ich eine Leidenschaft dafür entwickeln muss, mit Daten umzugehen. Auf der anderen Seite benötige ich Mut und Pragmatismus, um bestimmte Dingen auf den Weg zu bringen.
Marcel Rütten verantwortet als HR Manager bei der Kindernothilfe insbesondere die Themen Employer Branding, Recruiting und Retention Management.
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