Brandbrief an den Vertrieb: Wie viel Druck ertragen die Mitarbeiter?
Haufe Online Redaktion: Begegnet Ihnen die Art der Kommunikation, wie sie Reinhold Würth in seinem Brief wählt, im Vertrieb häufiger?
Martin Limbeck: Nein, bei meinen Kunden habe ich so etwas nicht erlebt. Ich habe Professor Würth schon öfter bei Podiumsdiskussionen gesehen und schätze ihn sehr. Er ist ehrlich und direkt. Es geht nicht darum, was er genau kritisiert und optimieren will, sondern die Art und Weise, wie er es gemacht hat.
Brandbrief von Würth: Rauer Ton okay, Fairness nicht vergessen
Haufe Online Redaktion: Ist es nicht eher üblich, im Vertrieb einen etwas raueren Umgangston zu wählen?
Limbeck: Das kommt ganz auf den Vertriebszweig und die Branche an. Gerade hier, wo es etwas hemdsärmeliger zugeht, ist der Ton schon oft rauer. Mir geht es nur um den Leitgedanken "Hart in der Sache - Fair zu den Menschen". Selbst wenn ein rauerer Ton die Vertriebsmitarbeiter des Unternehmens nicht schockt, müssen sie nicht mit so einem Brief konfrontiert werden.
Der Leitgedanke "Hart in der Sache - Fair zu den Menschen" sollte auch im Vertrieb gelten."
Haufe Online Redaktion: Und müssen Vertriebler das nicht abkönnen?
Limbeck: Ja, können Sie auch. Verkäufer, die jeden Tag unterwegs sind und die PS auf die Straße bringen, müssen und können damit umgehen. Sie leben von der Provision, die sie nur dann erhalten, wenn sie ihre Ziele erreichen. Gute Verkäufer nutzen diesen Druck, um ihre Leistung weiter zu steigern. Ich bin der Meinung, dass Verkäufer von ihren Führungskräften im Vertrieb mehr unterstützt werden sollten, mit positiven Anreizen, die ihren Ehrgeiz fordern. Und sie sollten aufgefangen werden, wenn es mal nicht optimal läuft. In keinem anderen Beruf erfahren Menschen so viel Ablehnung wie im Verkauf. Gerade deshalb müssen sie mit dem "Nein" des Kunden umgehen können, der für mich nichts anderes bedeutet als "Noch ein Impuls nötig".
In keinem anderen Beruf erfahren Menschen so viel Ablehnung wie im Verkauf."
Haufe Online Redaktion: Wenn sich ein Vertriebssystem über Jahre hinweg bewährt hat, wie es bei Würth der Fall zu sein scheint, und auf einmal nicht mehr funktioniert, wo liegt der Fehler?
Limbeck: Was ich von meinen Kunden höre, ist, dass der Verkäufer von heute andere Ansprüche hat. Er ist aufgeklärter, mündiger, standfester und hat eine eigene Meinung. Diese Ansprüche sollten Unternehmer und Führungskräfte nutzen, um das Potenzial ihrer Mitarbeiter zu fördern. Dies ist für die Zukunft wichtig, da die Vertriebsmitarbeiter von morgen sich immer weniger in die alten, zu stark machtzentrierten Systeme einfügen werden. Der Vertrieb muss sich an die Bedürfnisse des Kunden anpassen, der immer aufgeklärter ist. Viel läuft heute über Onlinebestellungen, die Kunden informieren sich und vergleichen. Hier müssen Verkäufer flexibel reagieren, über Qualität und Service verkaufen. Wenn sie zu viel Druck durch Zielvereinbarungen von oben bekommen, merkt der Kunde das.
Die Vertriebsmitarbeiter von morgen werden sich immer weniger in die alten, zu stark machtzentrierten Systeme einfügen."
Wie erfolgreiche Führung im Vertrieb aussieht
Haufe Online-Redaktion: Wie sollten Teamleiter im Vertrieb also führen?
Limbeck: Die Lösung lautet, seine Mitarbeiter mit Respekt zu behandeln und ausreichend positive Anreize zu schaffen, um die Verkäufer zu belohnen, wenn sie Top-Ergebnisse liefern. Im Gegenzug sollten Unternehmen ihren Vertrieb nicht bestrafen und den Druck noch mehr erhöhen, damit tun sie sich keinen Gefallen. Vertriebler brauchen Vorbilder in der Führung. Menschen, die mit ihnen raus fahren, die sie in Akquise- und Telefonpartys motivieren. Führungskräfte, mit denen sie sich identifizieren können. Wenn Vertriebler den Respekt spüren, mit dem ihre Führungskraft sie behandelt, dann sind sie bereit, ihr volles Potenzial zu entfalten, um diesen Respekt zurückzugeben. Natürlich sind Boni zusätzliche Anreize - aber Teamleiter brauchen die Einstellung, dass sie die Bereitschaft zur Spitzenleistung von ihren Mitarbeitern nur einfordern können, wenn sie ihre Leute auch mit entsprechendem Respekt behandeln.
Das Interview führte Gudrun Porath, freie Journalistin.
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