Ohne Lebenslauf oder Zeugnisse zum Vorstellungsgespräch

Fünf Angaben genügen. Das ist das Prinzip der Omnium-App, die eine Bewerbung ohne Lebenslauf und Anschreiben ermöglichen will. Damit will man die Arbeitnehmer erreichen, die sich beruflich verändern würden, wenn es nicht so aufwändig wäre. Gerhard Wach, der Firmengründer von Omnium und Inhaber des bundesweiten Personaldienstleisters Franz & Wach, erklärt die Details.

Haufe Online-Redaktion: Wie kamen Sie auf die Idee, eine Recruiting-App zu entwickeln?

Gerhard Wach: In der Schwestergesellschaft von Omnium beschäftigen wir uns seit mehr als 20 Jahren mit Recruitment. In dieser Zeit haben wir festgestellt, dass die Mitarbeitersuche immer mehr kostet und immer weniger Ergebnisse bringt. Manchmal gibt es zwei oder drei Bewerber, manchmal gar keinen. Deshalb habe ich gesagt: Das muss auch anders gehen. Dabei ist mir die Gallup-Studie in die Hände gekommen, die besagt, dass 70 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland nur wenig emotionale Bindung zum Unternehmen haben. Allerdings scheuen die meisten Arbeitnehmer die übliche Bewerbung mit Zwischenzeugnis, Zeugnissen, Anschreiben und Lebenslauf. Doch nach einem langen Arbeitstag würden sie fünf Angaben machen, um nach einer neuen Stelle zu suchen.

Bewerber wollen anonym bleiben 

Haufe Online-Redaktion: So kam es zu Ihrem Ansatz: „Fünf Angaben müssen für ein Matching genügen“.

Wach: Wir wollten bewusst die Kürze in den Fokus stellen. Die Idee war, das Recruiting ganz anders zu gestalten, und den bislang vornehmlich analogen Prozess zu digitalisieren. Omnium will Arbeitgebern Kontakte zu 25 Millionen Fachkräften in Deutschland ermöglichen. Aber das geht nur, wenn wir auf deren Wünsche eingehen. In Befragungen haben wir herausgefunden, dass die Bewerber anonym bleiben wollen. Das hat weniger mit Datenschutz zu tun, als vielmehr damit, dass sie den Aufwand einer Registrierung mit Passwortvergabe scheuen. Außerdem wollen sie keine E-Mail-Adresse angeben, weil sie befürchten, damit einen ungewollten Newsletter zu erhalten.

Haufe Online-Redaktion: Welche Zielgruppen sprechen Sie an?

Wach: Die Nutzergruppe ist breit angelegt, von Facharbeitern bis zu Hochschulabsolventen. Hier im Süden haben wir eine Arbeitslosigkeit von unter drei Prozent, deshalb fokussieren wir uns auf die bereits erwähnten 70 Prozent latent unzufriedenen Arbeitnehmer, unabhängig von bestimmten Qualifizierungen. Damit fischen wir in einem ganz anderen Teich als alle Jobbörsen oder Suchmaschinen. Unser Ansatz ist, dass jemand seine fünf Angaben – Berufswunsch, Ort, Gehalt, Bildungsabschluss und Ausbildung – eingibt, weil er sich informieren will, welche möglichen Stellen es für ihn gibt.

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Haufe Online-Redaktion: Wie geht es dann weiter?

Wach: Wer seine fünf Angaben gemacht hat, bekommt passende Stellen vorgeschlagen und kann ganz schnell die besten Treffer vergleichen. Er bekommt aber nur Treffer angezeigt, die seiner angegebenen Gehaltsvorstellung entsprechen. Wenn er die App wieder verlässt, wird er nicht mit Newslettern oder Erinnerungen belästigt. Erst wenn er sich dazu entscheidet, einen Termin mit einem Unternehmen zu vereinbaren, gibt er seine E-Mail-Adresse preis.

Haufe Online-Redaktion: Das heißt aber, dass die Arbeitgeber anfangs nur sehr wenige Informationen von potenziellen Kandidaten erhalten. Sie führen Gespräche mit Personen, von denen sie fast nichts wissen. Was sagen die Arbeitgeber dazu?

Wach: Im September haben wir Omnium auf der Zukunft Personal Europe in Köln vorgestellt. Damals war erst unsere Webseite online. Die App ist erst seit dem 22. Oktober verfügbar. Allein an diesen drei Messetagen hatten wir rund 300 Anfragen am Stand. Der Grund ist: Die Not der Recruiter ist groß. Auch die Enttäuschung mit den herkömmlichen Jobportalen ist groß.

Haufe Online-Redaktion: Aber die Arbeitgeber müssen gewaltig umdenken, weil sie in ein Interview gehen, ohne vorher einen Lebenslauf gelesen und Zeugnisse gesehen zu haben.

Wach: Der traditionelle Recruitingprozess ist ewig lang und er führt selten zum Ziel, weil alle Unternehmen im selben Teich fischen. Omnium stellt für Arbeitgeber Kontakte zu Kandidaten her, die sonst nicht auf dem Arbeitsmarkt wären. Wer mit einem solchen Kandidaten ein Telefoninterview geführt hat und dann zum traditionellen Prozess zurückkehren will, kann ihn bitten, Lebenslauf und Zeugnisse einzureichen. Aber der Arbeitgeber muss abwägen, ob er mit der Rückkehr in den alten Prozess den Kandidaten nicht verschreckt.

Das Matching wird besser, je mehr Personen mitmachen

Haufe Online-Redaktion: Wie viele Unternehmen haben sich bislang entschieden, die App zu nutzen?

Wach: Wir haben 30 Unternehmen, die unterschiedlich viele Anzeigen geschaltet haben. Es wird noch eine Weile dauern, bis die App richtig in Bewegung kommt. Deshalb ist die Nutzung für die Unternehmen in den ersten drei Monaten kostenfrei. Im Moment sind wir dabei, Fehler zu eliminieren und Verbesserungen umzusetzen. Wir haben mehrere Updates pro Woche. Uns ist klar, dass sich das Ganze erst entwickeln muss – vor allem anhand der Rückmeldungen, die wir von den Kandidaten, den Unternehmen und neutralen Testern erhalten. Im Moment ist Omnium noch ein Baby, aber wenn die Maschine richtig läuft und genügend Daten zur Verfügung hat, wird sie immer besser passendere Vorschläge liefern. Die Vorauswahl wird umso besser, je mehr Personen mitmachen.

Haufe Online-Redaktion: Was haben Ihnen die Arbeitgeber zurückgemeldet? Immerhin müssen Sie sich bei der Stellenbeschreibung auf 500 Zeichen beschränken.

Wach: Die Beschränkung auf 500 Zeichen ist nicht der große Punkt für die Unternehmen. Sie begreifen schnell, dass die App die traditionellen Muster ablöst und dass das funktioniert. Wo es momentan noch etwas hakt, ist die Terminvergabe. Die Unternehmen müssen Timeslots freigeben, damit die Interessenten einen Gesprächstermin vereinbaren können. Aber viele Kandidaten haben uns zurückgemeldet, dass sie in den Timeslots der Unternehmen keine Zeit haben. Unsere Anregung ist deshalb, Termine zwischen 16 und 18 Uhr einzustellen, damit die Interessenten für das Gespräch keinen Urlaub nehmen müssen.  Im Moment entwickeln wir den Kalender dahingehend weiter, dass die Unternehmen Serien eingeben können, und im nächsten Schritt sollen sie den Kalender mit Outlook synchronisieren können.

Algorithmus mit Mischung aus Suchmaschinentechnologien und maschinellem Lernen

Haufe Online-Redaktion: Wie viel künstliche Intelligenz steckt hinter der App und dem Matchingverfahren?

Wach: Der Algorithmus basiert auf einer Mischung aus Suchmaschinentechnologien und maschinellem Lernen. Er ermittelt die Wahrscheinlichkeitsdichte anhand der Gaußschen Kurve und nimmt die Extremen heraus, etwa beim Thema Gehalt. Er weiß zum Beispiel, was die anderen 40 Controller gesucht haben und welches Gehalt sie angegeben haben. Je mehr Daten vorhanden sind, desto schlauer wird der Algorithmus. Er wird dann auch vorschlagen: „Wenn Sie Ihren Gehaltswunsch um 500 Euro reduzieren, steigt Ihr Matching von 67 auf 75 Prozent.“ Unser Algorithmus nimmt dem Bewerber das ab, was er in der erweiterten Jobsuche bei einer traditionellen Stellenbörse eingeben muss. Da muss der Bewerber sehr viel wissen und interpretieren, um alles so einzugeben, dass er später eine präzise Jobauswahl vorgeschlagen bekommt. Das will in Zukunft unser Algorithmus erledigen, obwohl er nur fünf Angaben bekommt. So schlau kann er erst mit der Zeit werden, wenn genügend Daten vorhanden sind. Den Ort und das Gehalt zu matchen ist einfach – das sind harte Kriterien. Aber die anderen Angaben wie Ausbildung und Berufswunsch zu matchen – dahinter steckt viel Intelligenz.

Haufe Online-Redaktion: Wie wird sich aus Ihrer Sicht das Recruiting den nächsten fünf Jahren entwickeln?

Wach: Ich gehe generell von einer Disruption aus. Ein durchgehend analoger Prozess, der 200 Jahre alt ist, kann nicht ins Digitale übersetzt werden. Da davon auszugehen ist, dass der Druck auf dem Arbeitsmarkt bestehen bleibt, muss und wird es krasse Veränderungen geben. Bestehen bleiben wird der menschliche Faktor im Recruiting. Vertrauen und Sympathie werden weiterhin eine zentrale Rolle spielen. Die Unternehmen wollen den Menschen sehen und die Auswahl nicht einem Computer überlassen. Aber der Weg, wie Unternehmen an Kandidaten kommen, die wirklich zu ihnen wechseln wollen, wird sich verändern. Es wird keine fünf Jahre dauern, bis das Recruiting ganz anders aussehen wird als heute.

Das Interview führte Daniela Furkel.

Gerhard Wach ist Firmengründer der Omnium GmbH sowie Inhaber des bundesweiten Personaldienstleisters Franz & Wach. 


Schlagworte zum Thema:  Recruiting, Fachkräftemangel