FC Bayern München: Die größten Managementfehler bei Trennungen
Das schlechte Management beim FC Bayern und die falsche Personalpolitik bescherten Fußballfans zumindest eine sehr spannende Saison, um ein Haar hätte Bayern München sogar den seit Jahren erfolgreich verteidigten Meistertitel abgeben müssen. Die Tatsache, dass die Bayern in dieser Fußballsaison ein so erbärmliches Bild abgaben, rechtfertigt die Trennung vom Management, vertreten durch Vorstandschef Oliver Kahn und Sportdirektor Hasan Salihamidžić, sicherlich. Für die Personalverantwortlichen dieser Welt aber ist die Art und Weise, wie die Freisetzung der beiden Manager geschah, ein Lehrstück darüber, was man bei einer Trennung alles falsch machen kann.
Arroganz und mangelnde Personalauswahl: Warum Kahn und Salihamidžić schlechte Führungskräfte sind
Bevor wir uns der Analyse des Trennungsprozesses widmen, sei ein kurzer Blick auf die entlassenen Vorstände erlaubt. Ungeachtet ihrer Verdienste und Erfolge im sportlichen Bereich fallen Eigenheiten auf, die auch in der Wirtschaft einer erfolgreichen Unternehmensführung entgegenstehen könnten. Oliver Kahns Problem war, dass er bei den Angestellten des Vereins sehr unbeliebt war. Er umgab sich fast ausschließlich mit eigenen Beratern, kommunizierte schlecht und wurde von Teammitgliedern wie Kollegen als "extrem arrogant" eingestuft. Die Lehren eines "Managements auf Augenhöhe" schienen dem Bayernvorstand unbekannt. Auch seine Öffentlichkeitsarbeit war nicht viel besser.
Die Managementfehler seines Vorstandskollegen Hasan Salihamidžić bestätigen dagegen die Vermutung, dass die meisten Probleme in einem Unternehmen zwischenmenschlicher Art sind: Salihamidžić lieferte sich einen sehr persönlichen Machtkampf mit dem ehemaligen Erfolgstrainer Hansi Flick – mit der Konsequenz, dass dieser schließlich die Reißleine zog und Bundestrainer wurde. Darüber hinaus versagte Salihamidžić in Führungsaufgaben noch ein zweites Mal. Mit dem Abgang von Robert Lewandowski verlor der Verein seinen besten Torschützen und damit einen seiner wichtigsten Leistungsträger. Ein umsichtiger Manager würde nun auf dem Arbeitsmarkt - in diesem Falle dem Transfermarkt – nach adäquatem Ersatz suchen, selbst wenn höhere Investitionen an Zeit und Geld erforderlich wären. Der Sportdirektor wählte den weniger aufwändigen Weg und versuchte, die Lücke mit der Beförderung eines Spielers aus der zweiten Reihe, sprich Ersatzbank, zu schließen.
Trennungsmanagement: Fünf Fehler des FC Bayern
Fehler eins: Ungünstiger Zeitpunkt, falsch nach außen kommuniziert
Wollen sich die Eigentümer eines Unternehmens von ihrem Management trennen, gilt es den – auch für die verbleibende Belegschaft - richtigen Zeitpunkt auszuloten. Wenn irgend möglich, sollte dieser weder mitten in einem großen Auftrag oder Projekt noch in Zeiten liegen, in denen sowieso wenig Personal vorhanden ist, beispielsweise kurz vor Weihnachten oder in den Betriebsferien. Auch in Krisensituationen gilt es, die Umstände zu beachten.
Lässt sich eine kurzfristige Trennung nicht vermeiden, müssen HR und Geschäftsführung darauf achten, zumindest die Kommunikations- und Deutungshoheit über die Trennung und deren Umstände zu behalten. Das heißt, die zu verabschiedende Führungskraft sollte zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtet werden. Zumindest bis zum offiziellen Ende der Vertragslaufzeit kann der Arbeitgeber so das Heft der Öffentlichkeitsarbeit in der Hand halten, die Bekanntgabe der Trennung selbst bestimmen und sich mehr Zeit für die Nachfolgersuche verschaffen.
Der FC Bayern hatte das ursprünglich alles beherzigt und sich einen sehr klugen Zeitplan gesetzt: Schon weit im Vorfeld war die zukunftsweisende Aufsichtsratssitzung, bei der auch wichtige Personalentscheidungen anstanden, auf die Woche nach dem letzten Bundesligaspiel geschoben worden. Damit war eine gewisse Ruhe eingekehrt, die Spieler hätten sich aufs Sportliche konzentrieren können. Warum die Verantwortlichen letztendlich von diesem Zeitplan abgewichen sind und bereits zwei Tage vor dem letzten Spiel den zu kündigenden Vorständen in der Münchner Stadtwohnung von Uli Hoeneß ihre Abberufung mitteilten, lässt sich schwer nachvollziehen. Tatsache ist jedoch, dass Gerüchte um diese Vorgänge schnell in den Medien verbreitet wurden - vor der geplanten offiziellen Bekanntgabe zum Spielende.
Aus der Perspektive der Mitarbeitermotivation ist dieses Vorgehen eine Blaupause für ein Desaster: Schon vor dem Spiel war die Mannschaft verunsichert, da Oliver Kahn nicht mitgereist war, Trennungsgerüchte sickerten durch. Die Reaktionen der Spieler auf die offizielle Mitteilung direkt vor der Meisterschaftsfeier zeigt deutlich, was schlechte Kommunikation des Managements auslösen kann: Ungläubigkeit, Wut, Wechselabsichten (beispielsweise von Benjamin Pavard) bei den Beschäftigten – und einen beispiellosen Imageschaden in der Öffentlichkeit. Viele Spieler verließen die Veranstaltung vorzeitig.
Fehler zwei: Keine interne Kommunikation
Eine der wichtigsten Regeln bei Kündigungen ist, das Augenmerk auch auf die verbleibende Belegschaft zu richten. Es gilt, Gerüchte, Demotivation oder gar Abwanderungsgedanken so weit wie möglich einzudämmen. Voraussetzung ist hier, den richtigen Zeitpunkt und die passende Tonalität zur Bekanntgabe zu finden. Die wichtigsten Angestellten des Vereins, die Spieler, hatten von der Abberufung ihrer Vorstände bereits vor der offiziellen Mitteilung Ihrer Geschäftsführung erfahren - nämlich durch Gerüchte in der Presse, in der Kabine oder auf dem Spielfeld. Die weiteren über 1000 Beschäftigten des Vereins konnten nach Ende des letzten Saisonspiels die Information den Medien, in erster Linie dem Fernseher, entnehmen. Im Kommunikationsmanagement ein echtes Desaster. Optimalerweise werden Beschäftigte von solch weitreichenden Entscheidungen in einer Belegschaftsversammlung, einer Videokonferenz oder über empathisch gehaltene interne Mitteilungen informiert.
Die Folge des dilettantischen Agierens sind nun Unruhe im Team, (innere) Kündigungen, ein extrem beschädigtes Employer Branding und ein Imagemakel, der noch Jahre anhalten wird.
Fehler drei: Umgang mit Gekündigten im Widerspruch zur Unternehmenskultur
Eine Trennung ist Teil der Unternehmenskultur. Der FC Bayern umschreibt seine Unternehmenskultur mit dem Ausdruck "mir san mir". Er steht im Verein für eine als einmalig bezeichnete, soziale Unternehmenskultur, bei der das Team als "Gemeinschaft auf Augenhöhe" verstanden wird. "Wir sind füreinander da und stehen füreinander ein – oft auch über eine Vertragslaufzeit hinaus" ist einer der prägenden Leitsätze des Vereins. Diese Kultur zeigt sich beispielsweise in einem eigens vom Verein entwickelten Schutzprogramm für Gerd Müller, das diesen in seiner Suchtproblematik aufgefangen hat, in der Rehabilitation von Uli Hoeneß nach dessen Gefängnisaufenthalt oder auch bei der Übernahme der Schulden von jungen Spielern. Eine solches Leitbild verpflichtet auch zu Achtung und Wertschätzung bei der Aussprache von Kündigungen – andernfalls dürften spätere vertrauensvolle Begegnungen mit den Gekündigten unmöglich sein. Doch genau diese Überlegung hat das Personalmanagement des Bayernclubs schon öfter nicht berücksichtigt – und so mehr Schaden angerichtet als notwendig war.
Schon im März verunsicherte das würdelose Vorgehen bei der Trennung von Trainer Julian Nagelsmann alle relevanten Akteure und sorgte für einen bis heute nicht beigelegten Streit des Clubs mit seinem Ex-Trainer. Der Grund: Nagelsmann erfuhr von seiner Kündigung während der spielfreien Tage über die Medien. Die Bayern-Verantwortlichen geben an, ihn telefonisch im Skiurlaub nicht erreicht zu haben, Nagelsmann und seine deshalb bemühten Anwälte bestreiten solche Kontaktversuche bis heute.
Auch bei der Trennung von Oliver Kahn wurden die im Leitbild propagierten Werte mit Füßen getreten: Wohl aus Angst, dass der ehemalige Welttorhüter, der als Choleriker bekannt ist, ob seiner Kündigung handgreiflich werden könnte, wurde ihm die Mitreise mit der Mannschaft am letzten Spieltag verboten. Sein ebenfalls abberufener Vorstandskollege allerdings durfte teilnehmen, auch um sich "von der Mannschaft zu verabschieden". Laut Kahn "der schlimmste Tag in meinem Leben."
Gute Personalverantwortliche müssen, gerade wenn damit zu rechnen ist, dass der oder die Gekündigte überreagieren könnte, einen Deeskalationsplan in der Tasche haben und auch anwenden. Und auch das Arbeitsrecht hält eine ganze Palette an Möglichkeiten vor, um unerwünschte Situationen über andere Maßnahmen als die erfolgte unwürdige Sperre für Stadion und Meisterfeier zu vermeiden. Sie reichen vom Direktionsrecht über Verschwiegenheitsklauseln bis hin zu Vertragsstrafen.
Zumindest die Trennung von Salihamidžić soll, so hört man, freundschaftlich und harmonisch verlaufen sein. Da dessen Vertrag gerade verlängert wurde, konnte er den Rauswurf sehr entspannt sehen, eine hohe Millionenabfindung sollte den Schmerz über den Arbeitsplatzverlust lindern.
Fehler vier: Kein zielgruppenspezifischer Umgang mit den Stakeholdern
Der FC Bayern ist ein Unternehmen mit über 1000 Mitarbeitenden und einem Milliardenumsatz. Stakeholder sind hier neben Vorstand, Aufsichtsrat, Sponsoren und anderen Kapitalgebern die Mitarbeitenden, die Fans, Lieferanten, Sportmedien und ähnliche. Die Nachricht von der Trennung vom Top-Management all diesen Gruppen alleine auf einem Bezahlsender kundzutun, ist höchst unprofessionell. Die Kommunikation einer solch weitreichenden Personalentscheidung benötigt ein Konzept, das - basierend auf einer genauen Stakeholderanalyse – die Information der einzelnen Zielgruppen über direkte und unterschiedliche Kanäle regelt.
Fehler fünf: Shistorm statt Notfallplan
Aktuell herrscht Chaos beim FC Bayern. Es war damit zu rechnen, dass schon die Entscheidung zur Trennung von Kahn und Salihamidžić Wellen schlagen würde. Die Auswirkungen der Managementfehler bei der Abwicklung dieser Kündigungen werden nun in den sozialen Medien verhandelt und zerlegen den Club in seine Einzelteile. Doch eine Interventionsstrategie von Seiten der Führung fehlt. Ganz im Gegenteil melden sich jetzt einzelne Verantwortliche unabgestimmt zu Wort und vergrößern so den Schaden noch. So meldete sich Uli Hoeneß mit der Aussage, dass es im Nachhinein ein Fehler gewesen sei, Oliver Kahn einzustellen und auch Gerüchte über Handgreiflichkeiten von Seiten Kahns bei der Abberufung werden gestreut.
Fazit: Professionalisierung der HR-Arbeit im Spitzensport ist nötig
Ein Fußballclub ist nichts anderes als ein kommerzielles Wirtschaftsunternehmen. Über die Jahrzehnte haben Investoren, Sponsoren und Fernsehrechte enorme Summen an Geld in den Profisport gespült. Leider ging mit dieser Entwicklung nicht die Professionalisierung des Managements, insbesondere des HR-Managements, einher. Dass in Clubs mit einer vierstelligen Angestelltenzahl fast das gesamte Management aus Menschen besteht, die weder eine Berufsausbildung noch ein entsprechendes Studium absolviert haben, ist unvergleichlich. Fast schon tragisch ist, dass gerade Oliver Kahn aktuell versucht hatte, sich die notwendigen Skills an einer Hochschule anzueignen.
Nicht nur die jüngsten Fehler des FC Bayern zeigen: Der gesamte HR Zyklus der Mitarbeitenden, vom Rekrutieren bis zum Ausscheiden, muss auch im Profisport nach neuesten Standards erfolgen. Die großen Herausforderungen der Wirtschaft wie Digitalisierung und die Resilienz von Unternehmen in disruptiven Zeiten treffen auch einen Sportverein. Eine Personalpolitik, die sich in eine mitarbeiterorientierte und nachhaltige Strategie einbettet, ist nicht nur bei den Bayern nur rudimentär vorhanden.
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