Reality-Soap zeigt Team Recruiting
Schon seit 2011 läuft im Privatsender RTL die Reality-Soap "Undercover Boss". Auch hier wird ein HR-Thema auf Trash-TV-Niveau heruntergebrochen: Um herauszufinden, wie die Mitarbeiter wirklich über ihr Unternehmen denken, verkleiden sich die Manager und lassen sich unerkannt als Praktikant einarbeiten. Der Blick in die Basis wird hier Quoten-trächtig dargestellt.
Team Recruiting als TV-Thema und in der Realität
Für die neue Soap "Unser neuer Chef" hat die Kabel-1-Redaktion auch ein aktuelles Thema aus der HR-Arbeit aufgegriffen: Recruiting im Team – auch "Collaborative Hiring" genannt – gibt es bereits in vielen Unternehmen: Arbeitnehmer werden beteiligt, wenn neue Teammitglieder oder auch Vorgesetzte eingestellt werden. Das Ausmaß dabei ist unterschiedlich. Es gibt Teams, die die Stelle selbst ausschreiben und auch das Folgeprozedere von der Durchsicht der Bewerbungsunterlagen bis zum Interview selbst übernehmen. In anderen Fällen sind Teammitglieder nur im Vorstellungsgespräch dabei.
Quotenträchtige Kommentare statt professionelle Personalauswahl
Der private TV-Sender trifft also durchaus einen Nerv und haut in die Kerbe der New Worker, die sich für mehr Mitbestimmung einsetzen. Doch die Reality-Soap muss natürlich Quoten bringen. Darum setzt auch dieses Format wie schon bei der RTL-Soap auf offenbar heimliche Mitschnitte: Die Kandidaten für die Führungsposition werden zur Probearbeit eingeladen und dabei stets gefilmt. Sowohl die potenziellen Untergebenen als auch die Personal- und Verkaufsleitung dürfen ihn auf dem Bildschirm dabei verfolgen und fleißig kommentieren - was nichts mit einer Personalauswahl nach DIN-Vorgaben zu tun hat.
Kritik am Team Recruiting
An dieser Stelle spiegelt die Soap das am häufigsten genannte Problem beim Recruiting im Team wieder: Die Professionalität und Objektivität der Personalauswahl gerät schnell ins Hintertreffen. So kritisierte Torsten Biemann, Professor für Personalmanagement und Führung an der Universität Mannheim, schon in Personalmagazin, Ausgabe 06/2015, dass eine Teamentscheidung bei der Rekrutierung zu kurz greife; schließlich könnten dann auch Eigeninteressen einzelner Teammitglieder in den Vordergrund der Entscheidung rücken: "Ein Ingenieur mit Spezialkenntnissen wird immer auch seine Vormachtstellung retten wollen", so Biemann.
Personaler haben die Expertise im Recruiting
Auch Professor Martin Kersting, Justus-Liebig-Universität Gießen, sah dies ähnlich: "Teams suchen nach Kollegen, die so sind wie sie selbst. Der Kuschelfaktor dieses Mitmachtheaters ist groß, Heterogenität und Diversität haben es schwer." Außerdem gerieten einzelne Teammitglieder unter Druck, sich dem kleinsten gemeinsamen Nenner anzuschließen. Sein Vorschlag: Die Gruppe soll das Anforderungsprofil mit ausarbeiten, eignungsdiagnostisch geschulte Manager unter Zuhilfenahme standardisierter Verfahren über die Bewerber entscheiden. "Sie müssen nicht Psychologen sein, aber professionell geschult müssen die Rekrutierer sein."
Auch Dr. Rüdiger Hossiep, Wirtschaftspsychologe an der Ruhr-Universität Bochum, riet im Personalmagazin, die Personalprofis einzubeziehen – vor allem bei der Biografiearbeit und strukturierten Bewerbungsgesprächen. "Das Team kann und soll dann entscheiden, ob es sich vorstellen kann, mit dem Neuen zu arbeiten."
Team Recruiting in der Praxis bei Haufe-Umantis
Bei Haufe-Umantis sind diese Kritikpunkte am Recruiting im Team bekannt. Trotzdem schreiben die Teams offene Stellen selbst aus und entscheiden auch über die neuen Kollegen. Denn darin liegen auch einige Vorteile. So sagte Talentmanagerin Laila Horsten im Personalmagazin, Ausgabe 06/2015: "Es wird eine höhere Passung zwischen potenziellem Kandidat, Team und Position erreicht. Personalisierte Stellenausschreibungen senken zudem die Schwelle, sich zu bewerben und Bewerber bekommen gleich einen Eindruck von den neuen Kollegen."
Personalprofis weiterhin im Recruiting gefragt
Im Whitepaper "Team Recruiting – Wie Mitarbeiter Mitarbeiter rekrutieren" hat Haufe-Umantis einige Argumente zusammengestellt, um auf die häufigen Kritikpunkte zu antworten. So wird darin beispielsweise das Argument entkräftet, dass Mitarbeiter gar nicht die Kompetenz haben, um selbst neue Kollegen auszuwählen: "Es ist nicht notwendig, daran zu glauben, dass das Team bessere Entscheidungen trifft. Es ist das Team, das gemeinsam mit den Vorgesetzten und der Personalabteilung die Entscheidung fällt. Typischerweise sollte ein Veto der Vorgesetzten genauso zu einer Absage führen wie eine negative Entscheidung des Teams. Vorgesetzte oder die Personalabteilung sollten aber nicht eine positive Entscheidung erzwingen können. Sie müssen das Team überzeugen können, denn sonst wird es der neu eingestellte Kollege im Team schwer haben."
Personalprofis sollten also nicht außen vor bleiben beim Recruiting im Team. Vielmehr sollten sie weiterhin als Berater und Experte einbezogen werden. Dann wäre auch die Befürchtung vieler Personaler bei diesem Thema, dass ihre Expertise nicht mehr gebraucht oder geachtet wäre, nicht mehr gegeben.
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