Die Arbeit hat einen schlechten Ruf bekommen: Wir träumen von der Frührente durch plötzlichen Bitcoin-Reichtum, kämpfen für ein bedingungsloses Grundeinkommen oder kündigen innerlich, indem wir auf keinen Fall mehr Mühe, Interesse oder Begeisterung in die Arbeit stecken als unbedingt nötig.
All diese Abkehrbewegungen von der Arbeit sind Ausdruck problematischer ökonomischer, politischer und technologischer Verhältnisse, es reicht nicht, mit dem Finger auf das Verhalten einer vermeintlichen "Null-Bock-Generation" zu zeigen. Arbeit ist heute um ein Vielfaches höher besteuert als Erbe oder Kapitaleinkünfte. Der Job ermöglicht uns heute in vielen Städten nicht mehr eine Immobilie zu erarbeiten, vor allem nicht bis zur Familiengründung. Die Arbeit wird vorsichtshalber zur Teilzeit-Arbeit umgewandelt, sobald Menschen Eltern werden, weil auf die Systeme, die Care-Arbeit outsourcen sollen, wie Kindergärten, einfach nicht genug Verlass ist. Die Arbeit scheint auch auf die heutigen Herausforderungen eines abgearbeiteten Planeten keine Antwort zu bieten. Die Arbeit der Elterngeneration erscheint eher als Teil des Problems als der Lösung, und die der Kindergeneration wird vielleicht von KI übernommen. All das bringt Arbeit in Verruf und Arbeitnehmer-Generationen gegeneinander auf.
Arbeit als zentraler Begegnungsraum einer Gesellschaft
Wenden wir uns aber derart von der Arbeit ab, dann verlieren wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt, den uns nur die Arbeit bieten kann und in Zukunft noch mehr bieten sollte: Eine gemeinsam lernende und experimentierende Gesellschaft braucht die Arbeitswelt, um den Herausforderungen der Gegenwart zu begegnen. Um sich gemeinsam aus ihnen herauszuarbeiten.
Arbeit kann uns Individuen das Gefühl existenzieller Verbundenheit geben. Wir suchen eine Bestätigung dafür, dass unser Dasein nicht an der Welt vorübergeht – ein Bedürfnis, das bereits im Schreien eines Babys seinen Ausdruck findet. Für Erwachsene ist es die Arbeit – idealerweise mit weniger Geschrei –, die zeigt, dass wir Anerkennung erfahren. Auf der Arbeit werden wir zu denkenden, planenden und hoffenden Wesen, wie Hartmut Rosa schreibt.
Arbeit kann uns als Gesellschaft einen – wenn nicht den! – zentralen Begegnungsraum bieten: Wir lernen, mit Menschen klarzukommen, mit denen wir nicht freiwillig Zeit verbringen würden – das ist strenggenommen nicht mal mit den Schwiegereltern der Fall! Mit diesen Schicksalsgenossen, namens Kollegen, lernen wir, Ziele zu erreichen, die um ein Vielfaches, das in den Schatten stellen, was uns alleine gelingen würde. Ganz nebenbei lernen wir dort auch – weil wir mit manchen dann doch klarkommen – mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einen Partner oder eine Partnerin fürs Leben kennen.
Arbeit lässt uns die Erfahrung machen, dass wir der Zukunft nicht ausgeliefert sind, sondern sie gestalten können: Jede Heizungsinstallateurin, die eine Wärmepumpe verbaut, kann sich abends schlafen legen in der Gewissheit, die Energiewende ein wenig vorangebracht zu haben. Eine Abkehr von der Arbeit wäre eine Abkehr von der Hoffnung, dass gemeinsame Anstrengungen die Menschen vereinen und ihre Lage verbessern können – uns bliebe nur totalitäre Macht durch Zwang. Kein Zufall vermutlich, dass zeitgleich zur Abkehr von der Arbeit auch die Sehnsucht nach einem alles regelnden Staat immer größer wird. Aber nur Arbeit lässt uns gemeinsam und nicht-traumatisierend Fortschritt gestalten: Generationen von Menschen haben sich in der Arbeit Mühe gegeben, damit "es die Kinder einmal besser haben". Das befriedete die Generationen. In dem Maße, in dem wir über Generationen hinweg zusammengearbeitet haben, haben wir im Sinne zukünftiger Generationen gearbeitet. Ginge es nicht nur um uns.
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Status quo: Generationskonflikte schaden dem Zusammenhalt
Womit wir beim Problem wären: Jenseits all dieser Potenziale erkennen wir im Status quo, wie der Zusammenhalt bröckelt, und er vor allem zwischen den Generationen schwindet. Die Idee brachialer Generationskonflikte wurden maßgeblich von Beratungen, Influencern und Agenturen herbeifantasiert, wissenschaftlich belegen lässt sie sich kaum: Auf dem Rücken gut eingeübter Vorurteile wurden radikale und bleibende Unterschiede zwischen Alterskohorten vermarktet und damit die Unternehmenswelt gespalten. Dieser Papiertiger war gut fürs Beratungsgeschäft, Angst war schon immer ein guter Sales Pitch. Schlecht war er aber für eine Arbeitswelt, die auf Zusammenhalt und gemeinsame Zukunftsgestaltung angewiesen ist: Ihr Alten habt doch eh alles in den Sand gesetzt, tönen die Jungen. Ihr Jungen wollt doch gar nicht arbeiten und euch höchstens vors Werkstor kleben, so die Alten. Die Vorstellung, dass man mit der jungen Generation grundsätzlich nicht arbeiten könne, ist ein Vorurteil, das schon im antiken Babylon in Stein geritzt wurde. Es ist damit so alt wie die ersten Schrift- und Arbeitskulturen.
In einer Zeit, in der auf der einen Seite der demografische Wandel die Machtverhältnisse zwischen Generationen verschiebt und auf der anderen Seite die Klimakrise nun auch noch die Anliegen ungeborener Generationen zum Thema machen sollte, werden diese herbeiinszenierten Konflikte zu einem explosiven Gemisch! Für ein intergeneratives Arbeiten sind nun zwei Dinge entscheidend: Das Alter in der Arbeit neu denken und Gemeinsamkeiten betonen. (Lesen Sie dazu auch: So gelingt generationsübergreifende Führung).
Alter neu denken
Denken Unternehmen daran, was aufgrund des demografischen Wandels zu tun ist, denken sie an junge Menschen und wie man diese für sich gewinnen kann. Woran sie bei der Herausforderung, mit immer weniger Personal immer mehr zu tun, nicht denken, ist an die älteren Menschen, die ohnehin schon bei ihnen arbeiten: Sind die noch motiviert und engagiert? Oder auf dem Abstellgleis? Werden sie durch Generationskonflikte verdrängt? Es ist allerhöchste Zeit umzudenken, was Altern in der Arbeitswelt bedeutet.
Dazu ein paar Fakten: Die Bevölkerung der über 60-Jährigen wächst fünfmal schneller als die Gesamtbevölkerung. Seit 2008 ist die Erwerbsbeteiligungsquote der über 55-Jährigen um acht Prozent gestiegen. Im Jahr 2100 könnten vier von zehn Mitarbeitenden über 60 Jahre alt sein. Dies ist ein komplexes Phänomen, weil einige länger arbeiten müssen, viele aber auch länger arbeiten wollen und sehr viele unter besseren Bedingungen länger arbeiten würden. Einer britischen Studie zufolge waren ein Viertel der dortigen Rentner der Meinung, sie hätten zu früh aufgehört. Ein Drittel sagte, dass sie nach ihrer Pensionierung den Lebenssinn verloren hätten. Ich werde nie vergessen, wie mir auf dem Jakobsweg einmal ein Pilger entgegenkam. Schon allein deshalb eine höchst ungewöhnliche Begegnung. Der deutsche Rentner auf Abwegen sagte mir, er habe nichts, was auf ihn zu Hause warte, deswegen ginge er jetzt erstmal in die entgegengesetzte Richtung. Manchmal frage ich mich, ob er heute noch auf dem Jakobsweg pendelt.
Blicken wir auf die Welt der noch Arbeitenden, sehen wir eine Welt der Altersdiskriminierungen: "Man kann dort abwertende Kommentare über alte Menschen machen, die man über keine andere Gruppe noch machen würde", so Jeffrey Pfeffer, Professor in Stanford. Carsten Schermuly, Professor an der SRH Berlin, fand heraus, dass aktuelle Bemühungen um New Work Altersdiskriminierung sogar noch befeuern, weil viele an das Vorurteil "Moderne Arbeit ist jung" glauben. Wenn bald vier oder gar fünf Generationen zusammenarbeiten müssen, wird dies zu einem Problem. Und wer mit 60 Jahren noch ernst genommen werden möchte in dieser Arbeitswelt, dem kann man nur viel Glück wünschen – und ein paar bunte Sneaker!
Jenseits der Vorurteile muss klargestellt werden, wie unterschiedlich ältere Menschen sind, so Laura Carstensen, ebenfalls Professorin in Stanford: „Wir verstehen, was ein typischer Fünfjähriger ist. Versuchen Sie das für 70-Jährige, es funktioniert nicht“. Statt Altersgruppen sollten Unternehmen daher Lebensphasen unterscheiden. Das am Alter orientierte Modell „Lernen/Geld verdienen/in Rente gehen“ muss dynamischeren Lebensphasen weichen: Arbeiten, Pause, etwa für Kinder, in neuer Rolle arbeiten, Weiterbildung, arbeiten, Umschulung, reduziert arbeiten. Ein Blick auf Lebensphasen statt auf Altersgruppen versöhnt auch Generationen: Denn eine 60-Jährige und ein 30-Jähriger können die gleiche Phase durchlaufen. Zum Beispiel beide neue Qualifikationen lernen! Dann müssen wir verstehen, dass Veränderung keine Altersfrage ist. Eine Studie, die untersucht hat, ob junge Mitarbeiter wirklich innovativer sind, kam auf eine überraschende Antwort: Ja, die Jungen experimentieren mehr. Doch für den Transfer in echte Lösungen ist die Erfahrung der Alten ebenso wichtig. Sie wissen, wie Ideen zur Umsetzung kommen – und nicht zum Ideenparkplatz. Wer den Personalmangel ernst nimmt, sollte also auch ältere Menschen mehr ernst nehmen.
Wir laufen alle denselben Weg, sind nur an unterschiedlichen Stationen
Statt wirkliche Generationsunterschiede auf der Arbeit zu finden, haben die Forscher etwas anderes entdeckt: Sie sahen, wie viel verschiedene Generationen doch gemeinsam haben. Wir alle wollen unsere Fähigkeiten entfalten. Wollen dafür Anerkennung bekommen. Wollen einen sinnvollen Beitrag leisten. Und dies ist eigentlich keine Neuigkeit: Dieses Dreieck aus Autonomie, Zugehörigkeit und Wirksamkeit zieht sich von der antiken Philosophie bis in die moderne Arbeitspsychologie. Je nach Schule heißen die Ecken dieses Dreiecks anders, aber in ihrer Bedeutung zeigen sie zeitlose und vor allem über Altersgruppen hinweg geltende Grundbedürfnisse.
Es lohnt sich, über diese Spannungsfelder in Bezug auf den eigenen Weg nachzudenken: Bei beruflichen Weichenstellungen male ich dieses Dreieck auf und schaue, in welche Ecke mich eine Entscheidung schieben würde: Strategieberatung brachte mir Impact und Zusammenhalt, weniger Autonomie. Forschung, Autonomie und Impact, ist aber tendenziell einsamer und so weiter.
Vor allem verbindet uns dieses Dreieck mit anderen Menschen und ihren Lebensphasen: Wir alle wandern durch diese Spannungsfelder, stehen aber nicht immer an der gleichen Stelle. Sind wir jung, mag uns Autonomie fehlen, die wir bei erfahrenen Menschen sehen. Sind wir älter, fehlt uns die unbedarfte Selbstentfaltung der Jüngeren, vielleicht auch das frische Zugehörigkeitsgefühl. Das Entscheidende ist: Gute Arbeit ist ein Prozess und niemals eine Errungenschaft. Mitarbeiter können niemals alle zusammen in allen Ecken gleichzeitig sein.
Kommen wir zurück auf Generationenkonflikte und die Frage nach Zusammenhalt, liefert das Dreieck ein nuancierteres Bild als der Versuch, Altersgruppen zu labeln und gegeneinander auszuspielen. Das wunderbare – und wunderbar anstrengende! – in der Arbeit mit anderen ist doch, dass sowohl in "Gleich und gleich gesellt sich gern" als auch in "Gegensätze ziehen sich an" zwei tiefe Wahrheiten stecken. Wir haben die gleichen Grundbedürfnisse im Hinblick auf ein gutes Leben. Deshalb kommen wir zusammen. Und wir haben unterschiedliche Perspektiven auf die Frage, wie sich dieses Leben erarbeiten lässt. Damit bereichern wir uns. Diese Gleichzeitigkeit aus Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten bringt uns zusammen und bewegt uns in eine bessere Zukunft. Das ist das Versprechen, das in einer zusammenhaltenden Arbeitswelt steckt. Lasst es uns einlösen!
Der Beitrag ist erschienen in Personalmagazin Ausgabe 12/2023. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Personalmagazin-App.
Hinweis: Die gesamte Serie "Zukunft der Arbeit" basiert auf dem Buch "Work-Survive-Balance", das im Oktober 2023 im Herder Verlag erschien. Darin denkt Hans Rusinek die Zukunft der Arbeit und Zukunft des Planeten zusammen.
Hans Rusinek forscht, berät und publiziert zum Wandel der Arbeitswelt. An der Universität St. Gallen forscht er zur Sinnfrage in der Arbeit und ihrer Rolle in modernen Organisationen. Er erfüllt zudem einen Lehrauftrag zu "Future of Work" an der Fresenius Universität in Hamburg und ist Fellow im Think Tank 30 des Club of Rome Deutschland.
Zunächst einmal argumentiert der Autor, dass Arbeit uns das Gefühl existenzieller Verbundenheit gibt und dass sie uns Anerkennung verschafft. Dies ist sicherlich wahr für viele Menschen, die in erfüllenden Jobs arbeiten. Aber was ist mit den vielen Menschen, die in prekären Arbeitsverhältnissen stecken, die unterbezahlt und überarbeitet sind, oder die in Jobs arbeiten, die sie als sinnlos oder entmenschlichend empfinden? Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte diesen Menschen die Freiheit geben, Arbeit zu suchen, die sie als sinnvoll und erfüllend empfinden, anstatt aus finanzieller Notwendigkeit in Jobs festzustecken, die sie als entwürdigend oder sinnlos empfinden.
Darüber hinaus argumentiert der Autor, dass Arbeit uns die Möglichkeit gibt, die Zukunft zu gestalten und einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Wiederum ist dies sicherlich wahr für einige Menschen, aber nicht für alle. Viele Menschen haben wenig Kontrolle über ihre Arbeit und wenig Möglichkeit, einen sinnvollen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte diesen Menschen die finanzielle Sicherheit geben, die sie brauchen, um sich in Bereichen zu engagieren, in denen sie einen sinnvollen Beitrag zur Gesellschaft leisten können, sei es durch ehrenamtliche Arbeit, politisches Engagement oder kreative Tätigkeiten.
Schließlich argumentiert der Autor, dass Arbeit uns die Möglichkeit gibt, mit Menschen in Kontakt zu kommen, mit denen wir sonst nicht in Kontakt kommen würden. Dies ist sicherlich ein wichtiger Aspekt der Arbeit, aber es ist auch wichtig zu erkennen, dass viele Menschen in Arbeitsumgebungen feststecken, die toxisch oder diskriminierend sind. Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte diesen Menschen die Möglichkeit geben, sich aus toxischen Arbeitsumgebungen zu entfernen und stattdessen in Gemeinschaften und Netzwerken zu engagieren, die gesünder und unterstützender sind.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass viele der vom Autor aufgeführten Vorteile der Arbeit nur dann vollständig realisiert werden können, wenn die Menschen die finanzielle Sicherheit und Freiheit haben, die ein bedingungsloses Grundeinkommen bieten kann. Ohne ein bedingungsloses Grundeinkommen laufen wir Gefahr, dass die Arbeit für viele Menschen weiterhin eine Quelle von Stress, Ausbeutung und Entfremdung bleibt, anstatt ein Mittel zur Selbstverwirklichung und gesellschaftlichen Teilhabe zu sein.