Mehr Partizipation für das Individuum
Mit einem kritischen Blick auf die Führungspraxis in den Unternehmen eröffnete Hermann Arnold das Netzwerktreffen. „Viele Vorgesetzte halten sich für einen Supermann, weil jeden Tag Mitarbeiter zu ihnen kommen, um ihre Probleme zu lösen. Sie halten das für eine besondere Kompetenz, dabei ist es nur ihre Rolle“, erläuterte Arnold, der als Verwaltungsratspräsident und Ermutiger der Haufe-Umantis AG tätig ist.
Für Arnold zeigt sich darin nicht nur eine falsches Selbstverständnis vieler Führungskräfte, sondern eine veraltete Organisationsstruktur. Statt auf Weisung und Kontrolle sollten Unternehmen künftig mehr auf Selbstorganisation und Partizipation setzen. „Wir müssen es lernen, Führen und Folgen neu zu denken.“ Wie das aussehen kann, erläuterte er am Beispiel des eigenen Unternehmens, in dem Führungskräfte jährlich gewählt werden oder der Strategieprozess mit der gesamten Organisation gemeinsam erarbeitet werde.
Demokratiedebatte: Träumereien und Missverständnisse
Dabei räumte er auch mit Träumereien auf, die in der Debatte um Demokratie im Unternehmen immer wieder auftauchen. „Demokratie heißt nicht, dass jeder zu jedem Thema mitredet“, so Arnold. Bei Entscheidungen sollen sich die Leute beteiligen, die etwas einzubringen haben und für die das relevant ist. Partizipative Prozesse seien auch nicht langsam, wie häufig eingewendet werde. Man brauche zwar mehr Zeit und Aufwand, um die Entscheidung herbeizuführen, aber die Umsetzung gehe schneller. Das liege sowohl an der Akzeptanz der Entscheidung wie auch an Qualität, da viele Einwände bereits in der Entscheidung berücksichtigt würden, die bei Top-down-Prozessen erst in der Umsetzung auftauchten.
„Demokratie heißt nicht, dass jeder zu jedem Thema mitredet.“ (Hermann Arnold)
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New Work: Kein Ersatz für klassische Mitbestimmung
Michael Guggemos, jahrelang im Stab des Vorstands der IG Metall tätig und heute Geschäftsführer der Hans-Böckler-Stiftung, beobachtet die Diskussion über New Work kritisch. „Wer Response-Kultur als Ersatz für Mitbestimmungsrechte betrachtet, wird scheitern“, sagte er und warb für die klassische Mitbestimmung. „Die Betriebsverfassung stellt sicher, dass die Arbeitnehmer keine Bittsteller sind, sondern auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber verhandeln können. Mitbestimmung ist das demokratische Gestaltungsprinzip der sozialen Marktwirtschaft.“
„Wer Response-Kultur als Ersatz für Mitbestimmungsrechte betrachtet, wird scheitern“, so Michael Guggemos.
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Guggemos stellte die Mitbestimmung als eine Erfolgsgeschichte dar. Deutschland habe die große Wirtschafts- und Finanzkrise besser als andere Länder bewältigt, auch wegen der Mitbestimmung, gestand aber auch Reformbedarf ein. „Die Betriebsverfassung der Zukunft braucht mehr Rechte für Individuen“, sagte er, machte aber auch deutlich: „Das wird ein schwerer Prozess.“
Das BMAS zementiert den Status Quo
Hans-Peter Löw widersprach den Ausführungen von Guggemos und fragte, ob man die Betriebsverfassung nicht in Rente schicken müsse. „Rechtsbegriffe wie Arbeitsort oder Arbeitszeit verändern sich grundlegend und passen nicht mehr in die neue Arbeitswelt“, sagte der Arbeitsrechtler von Allen & Overy und plädierte dafür, den rechtlichen Rahmen zu erneuern. Die Reformbestrebungen des Arbeitsministeriums, die sich eng an die Vorstellungen der Gewerkschaft anlehnen, sieht er sehr kritisch. „Der Status Quo der Betriebsverfassung wird zementiert.“
„Rechtsbegriffe wie Arbeitsort oder Arbeitszeit passen nicht mehr in die neue Arbeitswelt“, so Hans-Peter Löw.
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Die Betriebe sollten deshalb nicht auf den Gesetzgeber warten, sondern eigene Wege in der Mitbestimmung gehen. Als Beispiele nannte er etwa die demografiefeste Nachfolgeplanung bei Evonik Industrie, den Betriebsratsausschuss „Arbeit & Familie“ bei Festo oder die Betriebsvereinbarung von BMW zum mobilen Arbeiten.
Projekt der Bahn: Mitbestimmung Plus
Eines der anspruchsvollsten Projekte zur Reform von Mitbestimmungsstrukturen stellte Sven Frank vor, der am Bahnprojekt „Mitbestimmung Plus“ beteiligt ist. In dem großen Konzern wurden Sozialpartner, Führungskräfte und Mitarbeiter aufgefordert, neue Ideen zur Mitbestimmung einzureichen. Eine paritätisch besetzte Jury analysiert derzeit 55 eingereichte Ideen, aus denen Prototypen entstehen sollen. In Projekten sollen Dinge ausprobiert werden, die sich dann im Konzern verbreiten können. „Wir wollen einen Virus pflanzen, der die Chance hat, sich auszubreiten“, erläuterte Franke das Vorgehen.
Partizipationsmodelle bei Alnatura
Joachim Schledt, Personalleiter bei Alnatura und Vorsitzender der Selbst GmbH, gab einen offenen Einblick, wie das Öko-Unternehmen Selbstorganisation umsetzt. Die 117 Filialen bekommen mehr Entscheidungsfreiräume und die Transparenz wird erhöht. „Jeder Mitarbeiter hat Zugang zu den aktuellen Geschäftszahlen“, erläuterte er. „Unsere Kultur ist darauf angelegt, die Mitwirkung der Mitarbeiter außerhalb der Betriebsverfassung hinzubekommen.“ Zum kooperativen Führungsstil gehört auch, dass die Chefs keinen eigenen Schreibtisch mehr haben, sondern sich die Büros teilen. „Im letzten Jahr ist es mir zweimal passiert, dass ich spät ins Büro kam und keinen Schreibtisch mehr gefunden habe. Dann musste ich nach Hause fahren, um im Home Office zu arbeiten“, so Personalchef Schledt.
„Unsere Kultur ist darauf angelegt, die Mitwirkung der Mitarbeiter außerhalb der Betriebsverfassung hinzubekommen“, so Joachim Schledt.
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Neuer Vorstand der Selbst-GmbH
Im Rahmen des Netzwerktreffens fand auch die Mitgliederversammlung der Selbst GmbH statt, bei der der alte Vorstand in seinem Amt bestätigt wurde. Vorsitzender bleibt Joachim Schledt (Altnatura), zweite Vorsitzende Dr. Wolfgang Runge (Manpower) und Stephan Grabmeier (Haufe-Umantis). Neu hinzu gewählt wurde Angela Langner-Thiele (Evonik Industries), die sich um den Nachwuchs kümmern soll.
Autor: Reiner Straub, Herausgeber Personalmagazin
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