Sinkende Azubizahlen: Ausbildung und Studium besser verknüpfen

Die Azubizahlen könnten künftig drastisch schrumpfen: Bleiben die Hörsäle der Hochschulen weiter so attraktiv wie bisher, werde es im Jahr 2030 rund 80.000 Azubis weniger geben, so eine aktuelle Prognose. Bildungsexperten empfehlen darum erneut, das Bildungssystem durchlässiger zu gestalten.

Die Zahlen stammen aus einer heute veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung. Wenn die Prognose eintrifft, werden in 15 Jahren nur noch 410.000 junge Menschen eine betriebliche Ausbildung anfangen – ein Rückgang von 17 Prozent.

Hinzu kommt der demografische Wandel: Die Lücke zwischen Akademikern und beruflich Qualifizierten werde durch den demografischen Wandel noch vergrößert – denn auch die Anfängerzahlen in allen Bereichen der nachschulischen Bildung sinken dadurch. Doch weil es darunter immer mehr Abiturienten gibt, die an die Unis drängen, werde der Rückgang junger Menschen an den Hochschulen weniger zu spüren sein.

Die Prognose geht von rund 700.000 Schulabgängern im Jahr 2030 aus, während es 2011 noch 880.000 waren. Die Erstsemesterzahlen würden bis 2030 gegenüber heute nur um knapp fünf Prozent auf dann rund 485.000 sinken.

Mangel in Gesundheits- und Sozialberufen prognostiziert

Vor zwei Jahren hatte es erstmals mehr Studienanfänger als Lehrlingsbeginner gegeben. Frühere Berechnungen hatten ebenfalls dramatische Azubi-Engpässe für die Zukunft prognostiziert – so etwa die Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB): Im vorvergangenen Jahr nahmen sich die beiden Institute bei ihrer Prognose ebenfalls den Arbeitsmarkt des Jahrs 2030 vor – und berechneten, in welchem Verhältnis dann Akademiker und Arbeitnehmer mit Berufsausbildung stehen werden.

Auch wenn sie dabei eine steigende Zuwanderung ausländischer Fachkräfte und eine zunehmende Erwerbsquote in Deutschland berücksichtigten, kamen sie zu einem beunruhigenden Ergebnis: Die Zahl der Beschäftigten mit Berufsausbildung könnte bis zum Jahr 2030 um rund drei Millionen zurückgehen, prognostizieren die Autoren von BIBB und IAB. Als Gründe dafür machten sie die gleichen aus wie nun ihre Kollegen von der Bertelsmann Stiftung: eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung und eine gestiegene Studierlust von Schulabgängern.

Rekrutierungsschwierigkeiten würden sich dadurch vor allem in den Gesundheits- und Sozialberufen und den be-, verarbeitenden und instandsetzenden Berufen ergeben.

Trend zum Praxisbezug erkennbar

Die Bertelsmann-Studie offenbart nun auch Ansätze zur Verbesserung des Ausbildungssystems, um es attraktiver für Schulabgänger zu machen. Denn trotz des Strebens nach höheren Bildungsabschlüssen lasse sich ein großer Trend zum Praxisbezug feststellen: Die Experten sehen Wachstumschancen für Fachhochschulen und praxisnahe Studiengänge. Demnach werde die Zahl der Erstsemester an Fachhochschulen sogar dem demografischen Wandel trotzen und von 203.000 auf 210.000 neue Studenten anwachsen.

Die Autoren plädieren daher dafür, Studien- und Berufsausbildungssystem durchlässiger zu gestalten. "Wir müssen weg vom 'entweder oder' zum 'sowohl, als auch' und zwischen beruflicher und akademischer Ausbildung für eine bessere Durchlässigkeit sorgen", sagt Clemens Wieland, Bildungsfachmann der Bertelsmann Stiftung.

So gelte es den Bereich praxisorientierter Studiengänge zu stärken. Gleichzeitig müssten die Übergänge etwa von Studienabbrechern in Ausbildungen durch Anerkennung bisheriger Leistungen erleichtert werden. Umgekehrt sollte es mehr Hochschulangebote für beruflich Qualifizierte geben, empfiehlt die Bertelsmann Stiftung.

Ausbildung anreichern – etwa per Trialem Studium

Erste Bemühungen gibt es bereits, praktische Ausbildung und Studium zu verknüpfen: angereicherte Ausbildungen etwa, vom Klassiker Duales Studium bis hin zu neueren, umfassenderen Angeboten wie das Triale Studium.

Das Triale Studium, eine Kombination aus Lehre, Meisterqualifizierung und Bachelorstudium, soll Abiturienten ansprechen und ihnen eine Alternative zum klassischen Studium bieten. Bislang ist dies jedoch noch ein Geheimtipp: Nur zwei Hochschulen bieten bislang das Programm, das den Teilnehmern einiges an Disziplin abverlangt, an.

Doch es muss nicht immer Studium sein: Manche Betriebe reichern die Ausbildung auch mit Zusatzqualifikationen, Auslandsaufenthalten oder Kooperationen mit Hochschulen an, um ihren Azubis einen Mehrwert zu bieten und sie davon zu überzeugen, dass es auch jenseits des Hörsaals gute Karriereperspektiven gibt.


Welche weiteren Ansätze es für Unternehmen gibt, die Berufsausbildung für die Jugendlichen attraktiver zu machen, lesen Sie im Titelthema von Personalmagazin 08/2015 ( hier können Sie die Ausgabe als App lesen). Darin erfahren Sie unter anderem,

  • wie das Handwerk versucht, sein Image mit einer großangelegten Employer-Branding-Kampagne zu verbessern
  • wie der Bildungsdienstleister Provadis gemeinsam mit der Ludwig-Maximilians-Universität München ein eignungsdiagnostisches Modell entwickelt hat, das helfen soll, Azubis zu identifizieren, die unterdurchschnittliche Werte in kognitiven Tests mit der passenden Persönlichkeit wettmachen
  • wie zeitgemäße Entwicklungsformate wie Augmented-Reality-Learning das eigenständige Lernen von Azubis fördern können.

 

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dpa

Schlagworte zum Thema:  Ausbildung, Studium, Fachkräfte