Deutsche Manager sind wenig einfühlsam
Die Unternehmensberatung Willis Towers Watson untersucht regelmäßig die Arbeitwelt aus Mitarbeitersicht und aus Arbeitgebersicht. Dafür führt die Beratungsgesellschaft zwei unterschiedliche, global angelegte Studien durch: Für die „Global Workforce Study“ (GWS) wurden 31.000 Arbeitnehmer weltweit zu ihrem beruflichen Umfeld und ihrer individuellen Einstellung zu ihrer Tätigkeit befragt. Die Arbeitgebersicht wird von der „Global Talent Management & Rewards Study“ (TM & R) abgedeckt. Hierfür wurden die Antworten von mehr als 2.000 Unternehmen aus knapp 30 Ländern ausgewertet. Der Vergleich beider Perspektiven liefert einige Interessante Erkenntnisse.
Fachkompetenz bei Führungskräften top
Bestnoten gibt es demnach für Deutschlands Manager von ihren Mitarbeitern vor allem für die Fachkompetenz. Ein hohes Ansehen genießen die Führungskräfte der Studie zufolge bei der Steigerung des Unternehmenserfolgs. Hier liegen sie 14 Prozentpunkte über dem Durchschnitt für die Region EMEA (Europa, Naher Osten, Afrika) und neun Prozentpunkte über dem internationalen Schnitt. Auch die Fähigkeit zur Kostenkontrolle wird ihnen von den Mitarbeitern attestiert. Hier schneiden sie 14 Prozentpunkte besser ab als ihre Kollegen in EMEA sowie zehn Prozentpunkte besser als ihre Kollegen weltweit.
Trotz der guten Noten für die Fachkompetenz gaben in Deutschland nur 32 Prozent der befragten Mitarbeiter an, dass Führungskräfte in ihrem Unternehmen ein hohes Ansehen genießen. Im weltweiten Vergleich erhielten die Führungskräfte bei diesem Punkt 45 Prozent Zustimmung.
Schlechte Noten für Führungskompetenzen und Soft Skills
Was der Studie zufolge deutschen Managern aus Mitarbeitersicht offenbar fehlt, ist Führungskompetenz. Hier schneiden sie bei der Bewertung in allen Punkten erheblich schlechter als Führungskräfte in der EMEA-Region oder weltweit ab. Die meisten deutschen Führungskräfte lassen bei der Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeitern scheinbar Soft Skills vermissen.
Zumindest legt die Studie nahe, dass weniger in Deutschland tätige Mitarbeiter ihrer Geschäftsleitung abnehmen, dass diese sich für ihr Wohlbefinden interessiert. Auch das Vermitteln von Visionen und Inspiration scheint deutschen Führungskräften im Vergleich zu ihren Kollegen weltweit weniger zu gelingen. Global attestieren sechs von zehn befragten Mitarbeitern ihren Vorgesetzten, sie zu fördern. In Deutschland bestätigen dies weniger als die Hälfte der Befragten. „In Deutschland spielt bei der Besetzung von Führungspositionen, anders als in anderen Ländern, vor allem die Fachexpertise und weniger die Führungskompetenz eine Rolle“, erklärt Helmuth L. Uder, Head of Talent & Rewards bei Willis Towers Watson Deutschland die Ergebnisse.
Dienst nach Vorschrift: Fehlende Identifikation mit Unternehmen?
Defizite bei der Führungskompetenz haben offenbar direkte Auswirkungen auf das Mitarbeiterengagement, lässt die Studie erkennen. Der Anteil der Mitarbeiter in Deutschland, die nachhaltig engagiert arbeiten, hat im Vergleich zu 2014 von 35 Prozent auf 33 Prozent leicht abgenommen. Der Anteil von Arbeitnehmern, die lediglich ihren Vertrag erfüllen, also Dienst nach Vorschrift machen, ist gestiegen. Waren dies 2014 noch 21 Prozent, sind es nun 26 Prozent der befragten Mitarbeiter. „Ein Grund könnte die abnehmende Identifikation mit dem Unternehmen sein“, vermutet Heike Ballhausen, Managerin im Bereich Talent Management und Organisationsentwicklung von Willis Towers Watson.
Waren 2012 noch rund zwei Drittel der Befragten stolz darauf, für ein Unternehmen zu arbeiten, ist es nun rund die Hälfte. Auch das Verständnis für die Unternehmensziele sei gesunken. „In Deutschland ist die Vermittlung der Strategie ein wichtiger Faktor für eine kontinuierliche Mitarbeitermotivation und hier besteht noch ein deutliches Verbesserungspotenzial“, meint die Expertin.
Was Mitarbeiter wirklich wollen: Geld und Verantwortung
Was die Bindung ihrer Mitarbeiter betrifft, scheinen Unternehmen häufig falsch zu liegen. Nicht die Karriereaussichten oder ein gutes Arbeitsverhältnis zu Vorgesetzten ist für Arbeitnehmer primär entscheidend. Der Studie zufolge ist für Arbeitnehmer zuerst das Gehalt und erst danach die Karrierechancen ein Grund zum Bleiben. Die positive Arbeitsbeziehung zu den Vorgesetzten schaffte es in der Studie nicht einmal in die Top 10, wenn es darum geht, einen Mitarbeiter zu halten, der anderswo mehr verdienen könnte.
Unterschätzt wird aus Arbeitgebersicht auch der Wunsch aller Mitarbeitergruppen nach Eigenverantwortung. „Ein hohes Maß an Eigenständigkeit ist Mitarbeitern in Deutschland übrigens deutlich wichtiger als im internationalen Vergleich. Das sollten Unternehmen im Wettbewerb um Talente im Hinterkopf behalten“, sagt Ballhausen.
Arbeitgeberprofil stärken mit klarer Employer Value Proposition
Auch mit dem Blick auf das eigene Arbeitgeberprofil tun sich offenbar viele Unternehmen in Deutschland schwer. Der Studie zufolge fehlt vielen eine Employee Value Proposition (EVP). Damit definieren Unternehmen, was sie Mitarbeitern bieten und was sie im Gegenzug dafür erwarten. Herrsche Klarheit über das „Geben und Nehmen“ zwischen Unternehmen und Mitarbeitern, falle es leichter, Mitarbeiter zu gewinnen, zu binden und gezielt zu motivieren. Allerdings, so die Studie, tun sich deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich schwerer damit, eine EVP zu definieren.
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