Lebhafte Kontroverse zu Führungsmodellen
Ob die Führungsmodelle der Unternehmen zukunftsfähig sind, wird derzeit in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert: Studien werden verfasst, Fachtagungen initiiert, sogar das Bundesarbeitsministerium hat das Thema auf seiner Agenda. Welche Alternativen es zu den bestehenden Führungsmodellen gibt, war Thema in der Podiumsdiskussion, die von Kristina Enderle da Silva, Redakteurin des Personalmagazins, geleitet wurde.
Demokratie in der Führung
Hermann Arnold, Verwaltungsratspräsident von Haufe-Umantis machte sich für demokratische Elemente in der Führung stark und begründete das mit einem Schlüsselerlebnis, das er bei der Gründung seiner Softwarefirma hatte. „Mitarbeiter, die täglich mit den Kunden zu tun hatten, haben uns sehr früh darauf hingewiesen, dass wir Standardsoftware und nicht Individualsoftware machen sollen. Es waren die Mitarbeiter, nicht die Führung, die das Thema mit hoher Dringlichkeit erkannt hat“, sagt Arnold, für den die bestehenden Managementsysteme veraltetet sind und dringend ein „Update“ brauchen. „Demokratie ist ein Instrument, ein anderes heißt Agilität“, so Arnold, der Abstimmungen unter den Mitarbeitern für ein zeitgemäßes Führungsinstrument hält. „Die Mitarbeiter wählen die Führungskräfte, sie haben auch über die Frage abgestimmt, ob wir uns mit Haufe zusammenschließen wollen“, erläuterte er und ergänzte. „Die Abstimmungen können auch anders ausgehen, als man sich wünscht. Mit meinem Vorschlag zur Einführung eines transparenten Lohnsystems bin ich schon zweimal gescheitert.“
Selbstorganisation im Unternehmen
Auch Hans-Jürgen Erbeldinger, Gründer und Geschäftsführer der Unternehmensberatung Partake, sieht die Veränderungen in der Arbeitswelt und hat in seinem Unternehmen ein System der Selbstorganisation etabliert. „Bei uns gibt es permanent Wahlen. Alle vier Wochen organisiert sich ein Team neu und entscheidet selbstständig, wer mitarbeitet“, erläuterte er. Für jede Mitarbeiterin - Erbeldinger verwendete die weibliche Form als pars pro toto - hat das erhebliche Konsequenzen. „Jede muss dafür Sorge tragen, dass sie in ein Projekt kommt. Die Zielgröße für jede sind 180 Beratungstage im Jahr.“ Sascha Lobo, der als bekanntester Blogger und Vordenker für eine neue Arbeitswelt auf dem Podium saß, fand zunächst Sympathien für das Organisationsmodell. „Das ist ein Experiment wie eine offene Beziehung zu dritt. In sehr seltenen Fällen mag das gelingen, taugt aber nicht für den Regelfall.“
Übergreifende Grundprinzipien der Führung
Joachim Sauer, Geschäftsführer Personal beim Automobilzulieferer Faurecia und Vorsitzender des Bundesverbandes der Personalmanager (BPM), vertrat den „Mainstream“ der deutschen Wirtschaft und fand sich überraschenderweise in einer Allianz mit Sascha Lobo wieder. Für Sauer sind die neuen Modelle der Selbstorganisation an den prinzipiellen Regeln der Demokratie und Unternehmensverfassung zu messen. „Werden unterschiedliche Meinungen toleriert? Wie wird mit Minderheiten umgegangen? Gibt es die Freiheit, Betriebsräte zu gründen“, formulierte er und wandte sich an Arnold und Erbeldinger: „Was ich hier höre, ist vor allem ein Marketing-Gag. Für die deutsche Wirtschaft ist das in quantitativer Hinsicht irrelevant.“
Erbeldinger wehrte sich gegen die Vorwürfe und stellte sich als „Avantgarde einer Bewegung“ dar, musst aber auf Nachfragen eingestehen, dass in den letzten 18 Monaten fast alle Mitarbeiter gewechselt haben. Arnold sah sich weniger als Avantgarde, sondern als Architekt einer neuen Organisations- und Arbeitskultur. Letztlich muss jedes Unternehmen entscheiden, welche Führungskultur zu ihm passt: „HR hat hier eine Gestaltungsaufgabe“, so Arnold.
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