"Die deutsche Industrielandschaft ist von Innovationsträgheit geprägt. Das ist fatal, wenn die Wirtschaft Krisen bewältigen muss." Dieses Fazit des Instituts für Führung und Personalmanagement an der Universität St. Gallen fällt auf den ersten Blick ernüchternd aus. Im Auftrag des Zentrums für Arbeitgeberattraktivität in Konstanz (Zeag GmbH) erforschten die Wissenschaftler in der Studie "Innovationskultur stärken – wie Unternehmen sich nachhaltig als Vorreiter etablieren", wie sich der deutsche Mittelstand beim Thema Innovationskraft besser aufstellen kann.
Innovationskultur: Die zentrale Rolle der Führungskräfte
Die Grundlage ist eine starke Innovationskultur im Unternehmen. Sie führt zu bis zu 27 Prozent mehr Innovationskraft. Der entscheidende Beitrag hierfür liegt in der Führung: Zwar muss es ein klares Commitment seitens der Geschäftsführung für die Entwicklung einer Kultur geben, die Innovativität zur Priorität macht. Aber die Führungskräfte sind Repräsentanten, Leitfiguren und Umsetzer und damit verantwortlich für das nötige kollektive Innovations-Mindset.
Zehn Tipps für Führungskräfte für mehr Innovationskraft
1. Leben Sie einen visionären Führungsstil: Als Führungskraft brauchen Sie die Fähigkeit, eine inspirierende Vision für die Zukunft Ihres Unternehmens zu entwickeln und sie zu kommunizieren. Mit einem ambitionierten Zukunftsbild verleihen Sie den Aufgaben der Mitarbeitenden eine tiefere Bedeutung und einen erkennbaren Sinn. Gleichzeitig sollten Sie Ihre Teammitglieder fortwährend dazu ermutigen, im Arbeitsalltag ein kreatives, zukunftsgerichtetes und innovatives Denken an erste Stelle zu setzen.
2. Zeigen Sie Mut für geteilte Führung: Bei Shared Leadership nehmen Sie sich als Führungskraft bewusst zurück und schaffen stattdessen Leitlinien, mit denen das ganze Team gemeinsam und auf Augenhöhe agiert und auch Entscheidungen trifft. Legen Sie einen besonderen Fokus darauf, dass sich Teammitglieder gegenseitig Wertschätzung, Vertrauen und Ermutigung entgegenbringen. So nutzen diese ihre Freiräume, um visionäre Projekte und Ideen umzusetzen.
3. Zeigen Sie auch Mut zur Niederlage: Führungskräfte sollten den Fokus und die Priorität bei Mitarbeitenden auf Aufgaben legen, die das Unternehmen konzeptionell voranbringen. Das heißt: Motivieren Sie aktiv dazu, Risiken einzugehen, ohne jedoch waghalsig zu handeln. Trainieren Sie auch selbst, keine Angst vor Niederlagen zu haben. Ein Bewusstsein für die eigenen Schwächen und der Wille, daraus resultierende Potenziale zu erkennen und zu verwirklichen, sollten als fester Bestandteil im Unternehmen verankert sein.
4. Lernen Sie aus Fehlern: Den Blick sollten Sie immer auf mögliche Lernchancen und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung lenken. Leben Sie zudem eine positive Fehlerkultur vor, in welcher aus Fehlern Lehren gezogen werden und Scheitern als Notwendigkeit im Lernprozess vermittelt wird. Wenn bei der Umsetzung innovativer Ideen Fehler geschehen oder einzelne Projekte nicht auf Anhieb klappen, sollten Sie in einer aktiven Auseinandersetzung Probleme aufdecken und Misserfolge chancenorientiert verarbeiten. Achten Sie darauf, alle Teammitglieder gleichermaßen zu entwickeln, ihre Kompetenzen zu stärken und vorhandene Lernmöglichkeiten auszuschöpfen. Gehen Sie dabei am besten individuell vor, sodass die Mitarbeitenden immer auf dem aktuellen Wissensstand ihres beruflichen Feldes bleiben.
5. Zeigen Sie Erkundungsfreude: Explorationsorientiertes Verhalten leben Sie vor, indem Sie immer offen sind für neue Trends und indem Sie aktiv nach Chancen hinsichtlich neuer Produkte, Prozesse und Märkte suchen. Wenn Sie bewusst Aktivitäten nachgehen, die ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit und Flexibilität verlangen, ermuntern Sie Ihre Mitarbeitenden, es Ihnen gleich zu tun. Wirkung zeigt auch, wenn Sie selbst neue Methoden und Technologien ausprobieren, die sie in ihrem kreativen Arbeitsprozess unterstützen können.
6. Lieben Sie Ihre Rolle: Wenn Sie Ihre Führungsrolle genießen und Sie Motivation daraus ziehen, andere zu führen, wird es Ihnen eher gelingen, Mitarbeitende zu inspirieren und zu entwickeln. Auch fällt es Ihnen leichter, Ihre Mitarbeitenden dazu anzuregen, ihre eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen kontinuierlich zu erweitern.
7. Vermeiden Sie emotionale Erschöpfung im Team: Erschöpfung erstickt Innovationspotenziale im Keim. Vermeiden Sie daher Über-, Mehrfach- oder Dauerbelastung sowie einen Mangel an Ressourcen. Innovationskraft bedeutet definitiv nicht, ein Innovationsprojekt nach dem anderen voranzutreiben. Agieren Sie zudem sofort, wenn Sie erkennen, dass die Mitarbeitenden den Blick auf das Negative richten und Veränderungen ablehnen.
8. Justieren Sie Ihren eigenen Fokus: Handeln Sie zielgerichtet, setzen Sie klare Prioritäten und bleiben Sie fokussiert, auch wenn Projekte oder Aufgaben nicht optimal verlaufen. Es wird auf Ihre Teammitglieder abfärben, wenn Sie sichtbar den Blick auf das Ziel und die zu ergreifenden Maßnahmen legen, um dieses zu verwirklichen. Durch das gezielte Ausrichten der Aufmerksamkeit auf relevante Problemstellungen, anstatt auf eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben parallel, wird zudem die Gefahr für die Überbelastung Ihres Teams reduziert. Zugleich entstehen Freiräume, die klar definiert und dafür geschaffen sind, Innovationen aktiv voranzutreiben.
9. Schaffen Sie Freiräume: Stark zentralisierte und rigide Strukturen bremsen innovative, mutige und kompetente Mitarbeitende aus. Geben Sie ihnen die benötigten Freiräume. Übertragen Sie ihnen in einem definierten individuellen Expertisen-Bereich eigenverantwortliche Entscheidungskompetenz.
10. Ermöglichen Sie Projekte fürs Herz: Gewähren Sie Ihren ambitionierten Mitarbeitenden individuelle Herzensprojekte innerhalb ihres Tätigkeitsbereichs, die sie frei gestalten und eigenverantwortlich vorantreiben können.
Zur Autorin: Die Politik- und Verwaltungswissenschaftlerin Silke Masurat gründete 2015 das Zentrum für Arbeitgeberattraktiviät und ist seither Geschäftsführerin. Die Zeag GmbH berät und begleitet mittelständische Unternehmen auf den Gebieten Personalmanagement und unternehmerische Gesellschaftsverantwortung.