Nachhaltigkeit ist mehr als ein Megatrend. Vielmehr gehen wir heute von einem breiten Nachhaltigkeitsverständnis aus, das eine der zentralsten Aufgaben für Gesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen beschreibt. Es geht um Umwelt-, Arten- und Klimaschutz, um Wassermangel, Ressourcenschonung, Armut und Bevölkerungswachstum aber eben auch um soziale Verantwortung, Bildung, die Förderung von Vielfalt, Vermeidung von Korruption, Gerechtigkeit und Chancengleichheit sowie die Schaffung wertschätzender Arbeitsbedingungen und eine faire Entlohnung. Wie aber steht es aktuell um die Nachhaltigkeit in deutschen Unternehmen?
Nachhaltigkeitsziele: Deutliche Unterschiede je nach Branche
Great Place to Work hat im Rahmen einer repräsentativen, branchenübergreifenden Studie 1.075 Arbeitnehmende dazu befragt, wie sie die Nachhaltigkeitsaktivitäten ihres Arbeitgebers bewerten (Skala von 0 bis 100 Prozent). Inwieweit werden diese als zielführend und ambitioniert gesehen? Haben Mitarbeitende die Gelegenheit, sich bei Nachhaltigkeitsthemen einzubringen?
Die Ergebnisse der Studie lassen deutliche Unterschiede bei der Wahrnehmung der Nachhaltigkeitsziele in den verschiedenen Branchen erkennen. So sind Industrie und Finanzdienstleister an der Spitze des Branchenrankings, gefolgt von Handel, Verkehr und Gastronomie. Bei den Stärken und Schwerpunkten im Bereich Nachhaltigkeit schätzen die Mitarbeitenden das gesellschaftliche Engagement ihres Arbeitgebers als relativ hoch ein (63 Prozent), der Bereich Compliance erfährt sogar 69 Prozent Zustimmung.
Sustainable Employer: Mehr als ein Etikett
Nachhaltiges Wirtschaften wird in der Praxis durch eine Vielzahl von Faktoren bestimmt. Unter anderem gilt es, alle Produkte, die Produktionsprozesse und die Lieferketten immer wieder auf Verbesserungspotenzial im Sinne der Nachhaltigkeit beziehungsweise auf die Einhaltung von Standards zu überprüfen. Für einen Sustainable Employer wird es unerlässlich, die entsprechenden Maßnahmen mit Glaubwürdigkeit, also mit Kompetenz, Konsequenz und Transparenz, umzusetzen und die Mitarbeitenden dabei immer wieder mitzunehmen.
Laut der Studie fällt die Beurteilung des Nachhaltigkeitengagements im Bereich Umweltbelange jedoch eher gering aus (34 Prozent Zustimmung). Insgesamt ist nur etwa die Hälfte aller Befragten wirklich zufrieden mit dem Beitrag, den ihr Unternehmen leistet. Und nur ein Drittel fühlt sich ausreichend informiert und unterstützt, wenn sie sich selbst im eigenen Unternehmen für Nachhaltigkeit einsetzen.
Mitarbeitende, die die Nachhaltigkeitsziele ihrer Organisation als anspruchsvoll erleben, bewerten ihren Arbeitgeber auch insgesamt besser und sind zu zusätzlichem Engagement bereit. Unternehmen, die sich durch eine gute Unternehmenskultur auszeichnen, messen dem Thema Nachhaltigkeit eine besonders hohe Bedeutung bei. Dabei reicht die Bandbreite von der Realisierung einzelner Projekte mit und für die Mitarbeitenden, bis zur sichtbaren Verankerung in den Unternehmenszielen und eigenen Teams auf der Geschäftsleitungsebene. ( Mehr zu den Studienergebnissen von Great Place to Work lesen Sie hier.)
Nachhaltigkeit als Teil der Unternehmenskultur ist ein Wettbewerbsvorteil
Auch wenn die Studienergebnisse zeigen, dass nachhaltiges Wirtschaften und Handeln Mitarbeitende aller Altersgruppen interessiert, verwundert es nicht, dass vor allem die junge Generation dort ihren Schwerpunkt setzt. Die sogenannten "Sustainable Natives" sind mit dem Bewusstsein aufgewachsen, dass sie eine Mitverantwortung bei der Bewältigung der Probleme und globalen Herausforderungen haben. Sie haben daher einen hohen Anspruch an ihren Arbeitgeber und machen ihre Entscheidung auch von dessen Engagement abhängig.
Nachhaltigkeit ist deshalb zukünftig ein bedeutender differenzierender Faktor bei der Bindung und Gewinnung von Mitarbeitenden und steigert die Arbeitgeberattraktivität. Sie sollte zum festen Bestandteil der Unternehmenskultur und somit zu einer Kernaufgabe von Führungskräften werden und im HR-Bereich zu einem wesentlichen, konzeptionellen Entwicklungsfeld. "Nachhaltiges Engagement in Unternehmen ist zu einer Art Mindestanforderung und für viele Jobsuchende zu einem Top Entscheidungskriterium geworden. Unternehmen, die hier nicht handeln, werden am Personalmarkt ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren", sagt Frank Hauser, Geschäftsführer Great Place to Work Deutschland.
Das Potenzial der verschiedenen Generationen erkennen
Angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels wird es für Unternehmen zudem unerlässlich, eine Arbeitsplatzkultur zu entwickeln, in der sich alle Generationen berücksichtigt sehen. Laut dem Statistischen Bundesamt werden bis 2036 insgesamt 12,9 Millionen Menschen, die sogenannten Babyboomer, in den Ruhestand gehen. Das entspricht einer Quote von circa 30 Prozent der Erwerbstätigen, bezogen auf das Berichtsjahr 2021. Es wäre also jeder dritte Arbeitsplatz unbesetzt. Diese Lücke muss folglich von der jetzigen Schüler- und Studierendengeneration gefüllt werden. Nun wird aber gerade der "Gen Z" nachgesagt, dass sie eine völlig andere Vorstellung vom Arbeitsleben hat. Stehen also die Unternehmen vor einem großen Dilemma oder bieten sich hier auch Chancen? Dazu lohnt es sich, beide Generationen einander gegenüberzustellen.
Generation Babyboomer: Leben, um zu arbeiten
Die meisten Babyboomer - also die Menschen, die zwischen 1955 und 1969 geboren wurden - messen ihre persönliche Zufriedenheit an beruflichem Erfolg. Geprägt von traditionellen Werten wie Zuverlässigkeit und Loyalität verfügen sie über eine hohe Arbeitsmoral. Leistungswille und Leistungsbereitschaft sind ein fast selbstverständlicher Impuls und wird dementsprechend auch von Arbeitgebern erwartet. Der Begriff "Workaholic" hat seinen Ursprung nicht umsonst in der Boomer-Generation. Gleichzeitig verfügen Babyboomer über ein sehr weitreichendes Wissen, sind krisenerprobt, interkulturell bewandert und international erfahren, haben den technologischen Wandel mitgestaltet und vorangetrieben und zu einer starken wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes beigetragen.
Gen Z: Arbeiten, um zu leben
Gen Z beschreibt die Generation der nach 1995 Geborenen. Sie verfügt über eine hohe Bildung und aufgrund ihrer exzellenten Kenntnisse im Bereich Medien und Technologie über ein sehr großes Potenzial. Arbeitnehmende aus der Gen Z wissen über das Interesse an ihrer Qualifikation und können gerade deshalb wählerisch sein im Hinblick auf ihren Arbeitgeber. Und ihre Ansprüche sind nicht gering: Sie wünschen sich flache Hierarchien, eine Kommunikation auf Augenhöhe und die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. Eine aktuelle Umfrage der Wirtschaftsjunioren Deutschland (WJD) sagt aus, dass für 81 Prozent der jungen Befragten im Alter von 15 bis 25 Jahren die Verdienstmöglichkeiten am wichtigsten sind. 74 Prozent halten eine gute Work-Life-Balance für sehr wichtig oder wichtig; auf Platz drei steht mit 71 Prozent die Aussicht auf abwechslungsreiche Tätigkeiten.
Unternehmenskultur "for all"
Bedeutet dies nun für Unternehmen, die einen ziehen zu lassen und die anderen vorbeiziehen zu lassen? Nein, die Entwicklung einer attraktiven Arbeitgebermarke, eine wertschätzende Unternehmenskultur und innovative HR-Konzepte können nicht nur die drohende Lücke schließen, sondern Chancen eröffnen. So sind die Babyboomer durchaus bereit, ihre Arbeitskraft auch weiter zur Verfügung zu stellen.
Von Great Place to Work ausgezeichnete Arbeitgeber zeigen, dass zum Beispiel flexible, innovative Arbeitszeitmodelle, Mentorenprojekte und sogar die Rückholung von bereits ausgeschiedenen Mitarbeitenden nicht nur sehr gut angenommen werden und funktionieren, sondern vor allem ermöglichen, dass wertvolles Know-How im Unternehmen erhalten bleibt. Die "Digital und Sustainable Natives" wiederum sind für Unternehmen unverzichtbar bei der Transformation in die Zukunft. Auch wenn sie hohe Ansprüche haben, haben sie nämlich vor allen Dingen Spaß an dem, was sie tun. Demnach zeichnet sich eine gute Unternehmenskultur nicht zuletzt dadurch aus, dass die Bedürfnisse aller Mitarbeitenden gleichermaßen berücksichtigt werden.