Trumps toxische Methode: Person statt Sache im Visier

Führen und Folgen sind die Grundlage gelingender Zusammenarbeit. Doch ihre Voraussetzungen unterliegen dem Wandel. Unser Kolumnist Randolf Jessl beleuchtet diesmal die Frage: Lassen sich im Führungshandeln Person und Sache trennen?

Trump tobt wieder. Er will sein Geld zurück. Das Geld, das er im Wahlkampf dafür ausgegeben hat, Joe Biden im Rennen um das Weiße Haus zu besiegen. Doch der hat nun – aus Altersgründen und auf öffentlichen Druck hin - seine Kandidatur zurückgezogen und seine jüngere Vizepräsidentin Kamala Harris für das Amt empfohlen.

Wo ist hier eigentlich das Problem, frage ich mich? Warum ruiniert es Trumps Wahlkampf, wenn die Demokraten gut hundert Tage vor der Wahl (fristgerecht) einen anderen als den erwarteten Kandidaten ins Rennen schicken? Die Antwort hat mit der toxischen Art zu tun, wie Trump Debatten, Wahlkämpfe und auch Menschen führt.

Trump bekämpft Personen

Denn die Methode Trump lautet: Den Menschen ins Visier nehmen, nicht die Sache. Zwar weiß man im Groben wofür Trump steht. Die meiste Kraft und alles rhetorische (und teils komödiantische) Geschick aber richtet Trump auf die Diffamierung seiner Gegner. Die "verschlagene Hillary" ("crooked Hillary") oder der "schläfrige Joe" ("sleepy Joe") und neuerdings die "lachende Kamala" ("laughing Kamala") sind noch die harmloseren Beispiele.

Leader werben für die Sache

Wer als Mensch, der führen will, allen Fokus darauf richtet, Mitbewerberinnen und Kontrahenten zu diskreditieren, anstatt ein überzeugendes und attraktives Bild dessen zu zeichnen, wofür man selbst steht und was man erreichen will, der hat natürlich Zeit, Geld und Energie in den Sand gesetzt, wenn er beim Wechsel seiner Gegner wieder von null anfangen muss, die Gegenseite in den Schmutz zu ziehen.

Die Methode Trump hat einen Namen: Kommunikationsexperten nennen sie "Ad hominem" -  also die Fokussierung in Debatten auf den Menschen und nicht die Sache, um die es geht. Doch bei Trump ist sie mehr als eine Kommunikationsstrategie. Es ist eine Haltung, vor der im Führungskontext nur gewarnt werden kann – wenngleich die Trennung von Person und Sache hier nicht immer leicht zu bewerkstelligen ist.

Die "Ad hominem"-Strategie führt in die Sackgasse

Als Führungspersönlichkeit in der Auseinandersetzung mit Menschen auf ihren Charakter, auf Äußerlichkeiten oder Gewohnheiten abzustellen,

  • rückt die Sache, um die es meist geht, in den Hintergrund und erschwert die Lösungsfindung,
  • zersetzt die Basis, auf der Menschen zusammenarbeiten und gemeinsam Lösungen in kniffligen Sachfragen finden können,
  • vergiftet das Klima in Gruppen (der Stil setzt sich durch, die Angegriffenen kontern auf ähnliche Weise oder schmeißen aus Selbstschutz hin)
  • leistet der Stereotypisierung von Menschen Vorschub und verspielt das Potenzial, das in unterschiedlichen Persönlichkeiten und Anschauungen schlummert,
  • maßt sich Urteile über Persönlichkeitsmerkmale und Prägungen an, die selbst von Psychologen nur mit großem diagnostischen Aufwand zu treffen sind.

Deshalb sei allen Menschen, die führen oder Führung übernehmen wollen, mit Nachdruck gesagt: Macht es nicht wie Trump! Geht nicht auf Menschen los, sondern stellt immer und überall die Sache in den Mittelpunkt: Die Sache, für die ihr eine Lösung habt, für die ihr andere gewinnen wollt, für die ihr Mitstreiter braucht.

Was aber, wenn Person und Sache nicht zu trennen sind?

Dennoch kann man nicht in Abrede stellen, dass in Führungssituationen oft Person und Sache eng verwoben scheinen: Greift mich der Kollege immer wieder an, weil er mit meinem Kurs nicht einverstanden ist? Oder ist er nicht eher missgünstig und will meinen Job? Kann ich der Kollegin wirklich das Projekt anvertrauen, für das sie fachlich alles Nötige mitbringt? Oder fehlt ihr in dieser Gemengelage die nötige Durchsetzungsfähigkeit und das politische Geschick? Wird der Finanzchef meine Initiative unterstützen oder wieder die Gelder blockieren, weil er so risikoavers ist?

Hier hängt der Erfolg in der Sache natürlich auch von der Einstellung, dem Temperament und Charakterzügen der Beteiligten ab. Dennoch würde ich auch hier zur Vorsicht mahnen: Wer das Problem zu schnell und zu sehr auf die Persönlichkeit der Beteiligten schiebt, liegt häufig falsch und beraubt sich einiger Gestaltungsoptionen.

Vorsicht vor zu schneller Personalisierung der Sache

Lässt sich dem Finanzchef wirklich Risikoaversion attestieren, nur weil man in fünf Gremiensitzungen dafür Anzeichen wahrgenommen hat? Selbst wenn der missgünstige Kollege meinen Job haben will, steht das der Einigung in der Sache wirklich im Weg? Und die Kollegin, die fachlich die Beste fürs Projekt wäre, aber vielleicht nicht durchsetzungsfähig genug ist, muss auch nicht gleich abgeschrieben werden. Vielleicht sollte sie eher in eine Konstellation gebracht werden, wo eine andere Person die Durchsetzungsfähigkeit einbringt oder wo durch Befriedung von Konflikten im Vorfeld Durchsetzungsfähigkeit gar nicht mehr von großer Bedeutung ist.

Deshalb hier mein Dreisatz mit Blick auf das Zusammenspiel von Mensch und Sache in der Führung:

  1. Menschen in Gruppen oder der Öffentlichkeit aufgrund von Charakter oder Eigenheiten herabzusetzen, geht gar nicht!
      
  2. Menschen im eigenen Urteil schnell auf komplexe Charakterfragen zu reduzieren, ist gewagt und führt oft in die Irre, daher Vorsicht!
      
  3. Bei allem, was man tut, sich bewusst zu sein, dass der Lösung der Sachfrage durchaus die Persönlichkeit beteiligter Personen im Wege stehen kann, ist nur lebensklug. Doch sollte dieser Aspekt nicht überbetont oder im Zweifel besser psychologischen Experten übergeben werden.


Randolf Jessl ist Inhaber der  Kommunikations- und Leadershipberatung Auctority. Er berät, trainiert und coacht Menschen und Organisationen an der Schnittstelle von Führung, Kommunikation und Veränderungsanliegen. Zusammen mit Prof. Dr. Thomas Wilhelm hat er bei Haufe das Buch " Shared Leadership" veröffentlicht.

Schlagworte zum Thema:  Leadership, Mitarbeiterführung