Vergütung: Warum die Gerechtigkeit bei Gehältern begrenzt ist

Die französischen Minister müssen nun alle ihre Vermögen offenlegen. So viel Transparenz braucht es in Unternehmen nicht. Aber welche Auswirkungen hat es, wenn die Mitarbeiter wissen, was Kollegen und Vorgesetzte verdienen? Demotiviert das oder treibt das an? Professor Dieter Frey klärt auf.

Haufe Online-Redaktion: Welche Auswirkungen hat es auf die Mitarbeiter, wenn sie wissen, wie hoch die Gehälter der Kollegen sind?

Frey: Die Auswirkungen dürften unterschiedlich sein, je nachdem wie die Mitarbeiter im Vergleich zu den anderen jeweils abschneiden. Fühlen sie sich privilegiert oder nicht? Fühlen sie sich gratifiziert oder depriviert, also subjektiv unfair behandelt? Wenn sie im Vergleich zu den anderen besser sind, hat man selbst meist genügend Rechtfertigungen dafür. Bei Fragen der Entlohnung sind Menschen sehr sensitiv. Schneidet man selbst schlechter ab, stellt man sich die Frage, warum und empfindet dies tendenziell als ungerecht.

Haufe Online-Redaktion: Das heißt, tendenziell würden die meisten Mitarbeiter eher demotiviert werden, wenn sie das Gehalt der Kollegen kennen?

Frey: Die Forschung über Ergebnisfairness zeigt, dass Menschen immer gerade jene Verteilungsprinzipien präferieren, bei denen sie selbst gut abschneiden, und solche eher infrage stellen, bei denen sie schlechter abschneiden. Transparenz hat also nicht unbedingt positive Auswirkungen auf die Motivation. In der Tat werden Menschen meist demotiviert, wenn sie schlechter abschneiden als der Durchschnitt. Es sei denn, es wäre ein Top-Leistungsträger dabei, dem man es gönnt, dass er mehr verdient. Aber oft vergleicht man sich mit denen, die in der Selbsteinschätzung ähnlich sind, und wenn man sieht, dass sie finanziell privilegierter sind. Wenn man dann auch noch selbst keine Verbesserung erreichen kann, ist das meistens der Ausgangspunkt für Demotivation.

Haufe Online-Redaktion: Inwiefern kann es auch zur Motivation beitragen, wenn man die Gehälter offenlegt?

Frey: Zur Motivation kann es nur dann beitragen, wenn die Kriterien sehr transparent sind, warum der eine mehr und der andere weniger verdient. Wenn man hier Transparenz hat, erreicht man prozedurale Fairness. Ein Problem ist, dass die Einsicht hier nicht immer vorhanden ist. Die Motivation kann dann steigen, wenn man glaubt, in veränderbaren Welten zu leben. Das hießt, dass man die Kriterien genau kennt, die man erfüllen muss, um ein höheres Gehalt zu bekommen und somit auch angespornt wird sich selbst schrittweise zu verbessern; das ist wieder motivierend. Deswegen ist die Situation bei der leistungsorientierten Vergütung auch etwas anders gelagert als beim Fixgehalt: Da kann man immer sagen, dass der Bonus situational begründet ist und man kann es im Einzelfall sachlich begründen.

Haufe Online-Redaktion: Wie kommen Unternehmen zu einer gerechten Gehaltsverteilung?

Frey: Es ist ganz wichtig zu transportieren, dass unterschiedliche Gehälter unterschiedliches sagen können. Es gibt Zeiten, in denen bestimmte Leute eher einen Gehaltszuwachs bekommen und wiederum Zeiten, in denen dies nicht vorkommt. Weiterhin gibt es oft Gehaltserhöhungen, wenn jemand ein Angebot von außen hat und man vermeiden möchte, dass der Mitarbeiter das Unternehmen verlässt, und man ihn nur durch einen Gehaltszuwachs halten kann. Nicht in jeder Position gibt es aber alternative Stellen außerhalb, nicht jeder bewirbt sich, nicht jeder kann dieses so transportieren, dass er so wichtig für seine Firma ist, dass er bleiben muss und dieses nur durch eine Gehaltserhöhung möglich ist. Wenn sich Firmen entscheiden, Transparenz zu haben, dann ist es wichtig die Ursachen explizit machen, die zu unterschiedlichen Gehältern führen können. Das ist natürlich auf der einen Seite Leistung oder früher erbrachte Leistung oder gar Lebensleistung, aber es kommen meist noch ganz viele andere Faktoren dazu.

Haufe Online-Redaktion: Wie praktikabel und gerecht ist es, wenn zum Beispiel ein Unternehmen die Mitarbeiter selbst über ihre Gehälter entscheiden lässt? Dazu gab es ja gerade erst ein Praxisbeispiel eines Unternehmens.

Frey: Hierfür muss man wohl ziemlich reife Mitarbeiter haben, sodass es eine Überwachung im Team gibt und ein klares Verständnis über Input und Output herrscht sowie laufend reflektiert wird: Ist dieses Gehalt durchaus machbar? Vor allem, wenn Leute einen hohen Grad an Verantwortung haben oder gar Miteigentümer am Unternehmen sind, kommen solche Entlohnungsmodelle infrage. Im Allgemeinen besteht aber die Gefahr, dass wenn nur ein bis zwei schwarze Schafe vorhanden sind, die andere Sichtweisen haben und sich zu sehr selbst privilegieren, dann schnell Unzufriedenheit entsteht und Konflikte im Team.

Haufe Online-Redaktion: Transparente Gehälter rufen also eigentlich fast immer Konflikte hervor?

Frey: Ja, allgemein scheint es besser zu sein zu transportieren, dass die Gerechtigkeit bei den Gehältern begrenzt ist. Verteilungsgerechtigkeit ist oft nur bedingt gegeben, aus den unterschiedlichsten Gründen. Auf jeden Fall sollte man die Unterschiede jeweils im Einzelfall begründen, zum Beispiel: wann jemand eingestellt wurde, wann jemand von außen ein Jobangebot bekommen hat, warum man versucht hat ihn zu halten und so weiter.

Prof. Dr. Dieter Frey ist Lehrstuhlinhaber Sozialpsychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Akademischer Leiter der Bayerischen Eliteakademie.

Das Interview führte Kristina Enderle da Silva.


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