Was ist ein Algorithmus? Viele wissen das gar nicht

Vom Navigationssystem über Kaufempfehlungen bis hin zur Vorauswahl von Bewerbern: Algorithmen und automatisierte Entscheidungsfindungen beeinflussen den Alltag in immer mehr Bereichen. Doch fast die Hälfte der europäischen Bevölkerung ist schlecht darüber informiert, wie Algorithmen überhaupt funktionieren.

Ganze 74 Prozent der Europäer wünschen sich eine stärkere Kontrolle beim Einsatz von Algorithmen. Immerhin 46 Prozent sehen mehr Vorteile - 20 Prozent sehen mehr Probleme. Insgesamt geben 15 Prozent der befragten Europäer an, noch nie etwas von Algorithmen gehört zu haben und weitere 33 Prozent sagen von sich, nicht zu wissen was ein Algorithmus ist. Zusammengenommen sind das 48 Prozent, die nicht wissen was sich hinter dem Begriff verbirgt. Auf der anderen Seite geben nur acht Proztent an, viel über Algorithmen zu wissen. 

In Bezug auf den konkreten Einfluss von Algorithmen auf kritische Lebensbereiche sind die Kenntnisse ebenfalls gering. Nur 31 Prozent der Befragten ist beispielsweise bewusst, dass Algorithmen in der Vorauswahl von Stellenbewerbern eingesetzt werden. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Umfrage, für die im Herbst 2018 knapp 11.000 repräsentativ ausgewählte Europäer online befragt wurden. Dalia Research hat dafür im Auftrag der Bertelsmann Stiftung neben dem Kenntnisstand auch die Einstellungen zu Algorithmen erhoben. Die Ergebnisse aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen und Spanien wurden für einen Ländervergleich herangezogen.

Gemischte Haltungen zu Algorithmen

Die Studie zeigt zudem, wie die Befragten zu Algorithmen stehen. Dabei werden gemischte Haltungen der Befragten deutlich. Viele verbinden Hoffnungen wie Zeitersparnis, Effizienz und Genauigkeit mit Algorithmen, andere nennen aber auch Befürchtungen wie, dass Programmierer dadurch viel Macht erhielten. Grundsätzlich überwiegt eine optimistische Haltung, die meisten Europäer finden es akzeptabel, wenn Algorithmen allein über technische Fragen entscheiden, beispielsweise über Rechtschreibung oder in Navigationssystemen. 

Bei Entscheidungen, die über Menschen getroffen werden - dazu zählen auch Fragen des Arbeitsmarktes und der Bewerberauswahl -, sind die Meinungen kritischer. In diesen Lebensbereichen wünscht sich die Mehrheit, dass Entscheidungen von Menschen getroffen werden und Algorithmen höchstens Entscheidungshilfen anbieten. 74 Prozent der Befragten wünschen sich darüber hinaus, dass der Einsatz in diesen Bereichen stärker kontrolliert werde, beispielsweise durch eine Kennzeichnungspflicht solcher algorithmenbasierter Entscheidungsprozesse.

Deutschland ist besonders skeptisch

Die Deutschen liegen mit dieser Skepsis leicht über dem europäischen Durchschnitt. Die negativ konnotierten Assoziationen „Manipulation“ und „Kontrollverlust“ werden in Deutschland häufiger mit Algorithmen verbunden als im europäischen Vergleich. 28 Prozent der Deutschen geben an, dass ihnen bei Algorithmen „Manipulation“ in den Sinn kommt, europaweit sind es nur 19 Prozent. Bei „Kontrollverlust“ sind es in Deutschland 25 Prozent und in Europa 15 Prozent. 

In Frankreich finden sich noch höhere Werte, die auf skeptische Meinungen hindeuten, besonders optimistisch und auch überdurchschnittlich gut informiert ist im Gegensatz dazu offenbar die polnische Bevölkerung. 

Handlungsauffoderungen für HR

Die Studienautoren leiten aus den Ergebnissen konkrete Handlungsempfehlungen ab, die auch für Unternehmen relevant sind. Gerade im Recruiting sollten Arbeitgeber dem Wunsch der Mehrheit nach Transparenz nachkommen und deutlich machen, wie Algorithmen konkret eingesetzt werden und welche Entscheidungen von Menschen getroffen werden.

Außerdem verlangen die Studienautoren einen breiten Kompetenzaufbau. In Bildung und Weiterbildung muss investiert werden, um bestimmte Grundkenntnisse aufzubauen, die eine sinnvolle Debatte zu Algorithmen mit allen Beteiligten erst ermöglichen, damit bald mehr als eine Hälfte der Bevölkerung gut über Algorithmen informiert ist.


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