Motivation beim Lernen: Ist sie da, ist sie weg
Von Lernergruppen, bei denen alle Teilnehmer dauermotiviert sind, können die meisten Weiterbildner nur träumen. Meist gibt es einige Lerner, die eine Extraportion Motivation brauchen. Oft ist die Motivation zudem abhängig von der Tagesform der Lerner und sogar auch von der Tageszeit – bei vielen Lerner gilt etwa: "Ein voller Bauch studiert nicht gern." Solche Teilnehmer verschwinden nach der Mittagspause erstmal im Motivationstief.
Und dann fällt es auch noch vielen Langschläfern deutlich schwerer morgens aufnahmefähig zu sein als den Frühaufstehern unter den Lernern – während der späte Nachmittag und Abend für die Lerchen wiederum keine gute Zeit zum Lernen ist.
Motivation kann innerhalb kurzer Zeit zu- oder abnehmen
Doch die Lernermotivation unterliegt offenbar noch extremeren Schwankungen als bisher bekannt war. Das legen die Ergebnisse einer Studie der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) nahe, die in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Learning & Instruction" veröffentlicht sind. Denn demnach kann die Motivation der Lerner auch in einem stark begrenzten Zeitraum von anderthalb Stunden stark ab- und zunehmen.
"Dass Motivation ein wichtiger Faktor fürs Lernen und für Leistung ist, ist bekannt. Allerdings blieb die bisherige Forschung relativ allgemein", erklärt Co-Studienautorin Julia Dietrich von der Universität Jena den Ansatzpunkt der – nicht repräsentativen – Studie. Bisherige Studien hätten in erster Linie erfasst, wie motiviert Personen generell sind und was sie antreibt. "Es wurde bislang allerdings nicht untersucht, wie es innerhalb einer bestimmten, zeitlich begrenzten Lernsituation, zum Beispiel einer Vorlesung oder Unterrichtsstunde, um die Motivation des Individuums bestellt ist", so die Psychologin.
Studenten liefern Momentaufnahmen ihrer Motivation
Um dies zu überprüfen baten die Wissenschaftler 155 Jenaer Lehramtsstudenten ein Semester lang dreimal innerhalb 90-minütiger Vorlesungen Momentaufnahmen ihrer Motivation zu liefern. Dazu mussten sie in zehn Vorlesungen im Fach "Pädagogische Psychologie" über ihr Smartphone oder auf dem Papier Fragen beantworten, die immer gleich waren.
Unter anderem wollten die Motivationsforscher von den Studenten wissen, wie kompetent sie sich im jeweiligen Augenblick fühlten, ob sie die Sachverhalte verstanden oder ob sie diese als anstrengend empfanden. Auch, ob sie Spaß an den Lehrinhalten hatten und sie für nützlich hielten, wurde gefragt.
Lerner erleben in 90 Minuten Motivation und Demotivation
Bei der Auswertung der Ergebnisse stellten die Forscher fest: Die Motivation der Lerner schwankte in den 90 Minuten weit stärker als sie angenommen hatten. So hätte jeder einzelne Teilnehmer in der Vorlesung Phasen hoher Motivation und starker Demotivation erlebt – zeitlich völlig unabhängig von den anderen Studenten.
"Interessen sind natürlich personenspezifisch. Bislang konnten wir zumindest keine systematischen Trends wie bestimmte Materialien oder Themen ausmachen, bei denen die Motivation bei allen gestiegen oder gesunken ist", berichtet Dietrich. "Die Ursachen für die Schwankungen müssen in Zukunft noch näher betrachtet werden, um Lernkontexte insgesamt motivierender zu gestalten."
Je höher die Anstrengung, desto höher die Motivation
Die Studie konnte noch einen weiteren Zusammenhang belegen: dass beim Lernen Motivation und Anstrengung eng miteinander verknüpft sind. Je mehr man sich anstrengt, desto höher sei die Motivation, schlussfolgern die Studienautoren. Und auch umgekehrt gilt das Gleiche: "Wer motiviert ist, strengt sich auch mehr an", erläutert Dietrich.
Mit Blick auf die Studienergebnisse raten die Wissenschaftler den Weiterbildnern, sich darüber bewusst zur werden, dass beim Lernen jede Situation und jeder Moment zählt: Dozenten könnten Lerner jederzeit verlieren, wenn sie vor ihnen stehen, aber sie können sie auch zurückholen.
Zudem empfehlen sie ihre Methode weiter, die Lerner während des Lernens kontinuierlich Feedback geben zu lassen: So könnten sie veränderte Inhalte oder neue Methoden sofort bewerten, statt sie erst am Ende mit Fragebögen zu evaluieren.
Gesichtserkennung verrät, wer beim Unterricht schläft
Diese Erkenntnisse bedeuten für Dozenten schon bei Präsenzprogrammen eine Herausforderung. Bei virtuellen Trainings und Seminaren ist es für sie aber noch schwieriger, die Motivation der Lerner ständig im Blick zu haben.
Einen Ansatz dafür, wie dies gelingen kann, stellt die Journalistin und MBA-Expertin Bärbel Schwertfeger in Ausgabe 05/2017 des "
Personalmagazins" vor (
die Ausgabe können Sie hier als App downloaden): den "Wow"-Room der IE Business School. Das virtuelle Klassenzimmer auf dem IE-Campus in Madrid ist mit 48 Bildschirmen auf einer Gesamtfläche von 45 Quadratmetern ausgestattet, die in U-Form angeordnet sind und einen 200-Grad-Blick ermöglichen. Der Professor steht in dem Raum und sieht die bis zu 60 Studenten, die irgendwo auf der Welt sitzen, auf den Bildschirmen.
Damit der Professor die virtuell zugeschalteten Studenten während der Vorlesung nicht verliert, haben sich die Entwickler des "Wow"-Rooms etwas Spezielles einfallen lassen: Über eine Software zur Gesichtserkennung werden die Emotionen der Studenten erfasst. Sinken die Werte unter einen festgelegten Level, erscheint ein roter Rahmen um das Bild des Studenten und signalisiert dem Professor, dass dieser gerade nicht bei der Sache ist.
Zum Weiterlesen: Mehr zum "Wow"-Room und Trends rund ums Thema "Online-MBA" erfahren Sie im Beitrag "Online wird das neue Premium" in Ausgabe 05/2017 des " Personalmagazins". ( Hier können Sie die Ausgabe als App herunterladen.)
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