Arbeiten Sie häufig in Teams? Dann können Sie von gruppendynamischen Problemen wahrscheinlich ein Lied singen. Dummerweise wollen nie alle an einem Strang ziehen. Manchen Gruppenmitgliedern kann es nicht schnell genug gehen, andere versuchen stets zu bremsen. Die einen opfern sich für die Gruppe auf, während die anderen ihre Karriere auf dem Rücken der anderen Mitglieder planen. Wenn es dann noch ganz schlimm kommt, schickt die HR-Abteilung alle zum Teambuilding in den Sandkasten.
Modelle für Teamrollen: Welcher Gruppen-Typ sind Sie?
Alle Probleme, die im Zusammenhang mit Gruppenarbeit entstehen, lassen sich scheinbar leicht in den Griff bekommen, wenn man nur richtig versteht, wie Gruppen agieren und vor allem welche Typen von Gruppenmitgliedern in jeder Gruppe anzutreffen sind. Wie gut, dass es in diesem Fall umfangreiche Ratgeberliteratur gibt und noch mehr Expertinnen und Experten, die als eine Art Gruppen-Coach für Durchblick sorgen.
Wer sich selbst auf die Suche nach passender Literatur begibt, wird leicht von der Vielfalt der Modelle erschlagen. Da gibt es beispielsweise ein Modell, in dem sieben Typen unterschieden werden:
- Clown: Spaßvogel, der immer für gute Stimmung sorgt;
- Außenseiter: still, grenzt sich von anderen ab;
- Meinungsmacher: will von anderen als kompetent wahrgenommen werden;
- Mitläufer: läuft dem Meinungsmacher hinterher;
- Vermittler: versucht zwischen den verschiedenen Rollen auszugleichen;
- Organisator: steuert aus dem Hintergrund heraus die Arbeit der Gruppe;
- Leitperson: ist aufgrund eigener Kompetenz, ohne es anzustreben, der Orientierungspunkt der Gruppe.
Andere Ansätze begnügen sich mit vier Rollen:
- Alpha: führt die Gruppe an, weil er als Person formell in dieser Rolle eingesetzt wurde oder sich durch dominantes Verhalten für diese Rolle qualifiziert hat;
- Beta: unterstützt die Rolle von Alpha und darf daher an der Macht partizipieren;
- Gamma: Mitläufer, der tut, was man ihm sagt;
- Omega: opponiert gegen die Rolle von Alpha.
Vergessen Sie die Modelle und schauen Sie lieber genau hin
Wieder andere unterscheiden zwischen: Clown, großer Bruder, Sprecher, liebevollem Partner, Organisator, Gruppen-Nerd und bester Kumpel oder gar 18 Typen: Anführer, Sündenbock, Angeber, Professor, Draufgänger, Mauerblümchen, Star, Pfiffikus, Hitzkopf, Bedächtiger, Streithahn, Geschäftiger, Pechvogel, Rechthaber, Arbeitstier, Ungeduldiger, Gesprächiger, Mitleidiger. Wem all das zu kompliziert ist, der orientiert sich einfach an der lustigen Persönlichkeitstheorie von C. G. Jung und unterscheidet kurzerhand rote, grüne, gelbe und blaue Gruppenmitglieder. Wenn Sie dann noch jedem Gruppenmitglied einen entsprechenden Farbpunkt auf die Stirn tätowieren, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen
Wer sich jetzt mit der Frage quält, welches der Modelle das Richtige sei, sollte sich ganz entspannt zurücklehnen. Jedes dieser Modelle ist allein auf der Basis von Kreativität und Plausibilitätsbetrachtungen entstanden. Forschung, die uns sagt, welche Rollen grundsätzlich oder gar immer in Gruppen anzutreffen sind, gibt es nicht. Erst recht gibt es keine Erkenntnisse darüber, aus welchen Typen eine Gruppe zusammengesetzt sein muss, damit sie gut funktioniert.
Entweder losen Sie also eines der zahllosen Modelle aus oder aber Sie entwickeln selbst eine neue Typologie. Viel schlechter als die Bestehenden wird Ihr Modell kaum sein. Aber letztlich gibt es natürlich auch noch eine weitere Alternative, die vielleicht der Königsweg wäre: Vergessen Sie alles, was Sie bislang über Rollen in Gruppen gelesen haben und schauen Sie einfach mal, was in Ihrer Gruppe gut funktioniert und was nicht so gut läuft.
Der Kolumnist Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen und Personalentwicklung.
Schauen Sie auch einmal in den Youtube-Kanal "15 Minuten Wirtschaftspsychologie" hinein. Dort erläutert Uwe P. Kanning zum Beispiel zusammenfassend, wie Sie gute von schlechten Testverfahren unterscheiden, warum Manager scheitern, wie ein Akzent die Bewertung von Bewerbern beeinflusst oder wie "smart" gesetzte Ziele für eine Leistungssteigerung sein müssen.