Fünf Thesen zur Zukunft des Lernens
Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen stellen uns vor immense Herausforderungen. Sie haben zu einer Beschleunigung der Entwicklung einiger bereits bestehender Megatrends geführt und massive Veränderungen in allen Lebensbereichen hervorgerufen. Der vorher kaum denkbare Digitalisierungsschub hat unser Arbeiten und Lernen von heute auf morgen umgekrempelt. Ein "Zurückdrehen der Uhr" ist nicht möglich. Die Veränderungsdynamik wird vielmehr noch weiter ansteigen, genauso wie die Virtualisierung der Arbeit und des Lernens.
Lernen 2025: hoher Bedeutungszuwachs und E-Learning als Normalität
Wie wird sich das Lernen in den nächsten Jahren vor diesem Hintergrund also möglicherweise verändern? Die Relevanz des Lernens wird durch die beschleunigten Transformationsprozesse und den steigenden Bedarf an Up- und Reskilling weiter zunehmen. Sowohl aus Sicht des Lernenden als auch aus Sicht der Organisation. Das Lernen der Individuen, der Teams und der Organisation als Ganzes wird somit zum strategischen Wettbewerbsvorteil und einen messbaren Beitrag zum Geschäftserfolg liefern können. Learning und Development (L&D) erfährt dadurch einen erheblichen Bedeutungszuwachs.
Der als Reaktion auf die Corona-Pandemie erfolgte Digitalisierungsschub wird sich als irreversibel erweisen. Digitales Lernen wird zum "New Normal". Physische Präsenz wird dort zum Einsatz kommen, wo sie einen begründeten Mehrwert liefert. Lernen im Arbeitsprozess wird zunehmend durch digitale Assistenten und VR/AR-Technologien (Virtual Reality / Augmented Reality) unterstützt. Es wird zu einem Anstieg an statisch und dynamisch generierten Daten kommen, die aus unterschiedlichen Quellen zusammengeführt werden können. Die Echtzeit-Analyse dieser Daten wird eine "evidenzbasierte" Optimierung von Lehr-Lernprozessen genauso ermöglichen, wie die zielgerichtete Anpassung der Lernumgebungen auf die spezifischen Bedürfnisse der immer heterogeneren Lernenden. KI-Anwendungen können auf dieser breiteren Datenbasis den Lernprozess zunehmend effizient und effektiv steuern.
Vielfältige Gestaltungsaufgaben für HR
Bereits diese kurze Beschreibung der wahrscheinlichen Veränderungen des Lernens verdeutlicht, dass darin sowohl Chancen und Risiken als auch vielfältige Gestaltungsaufgaben für (HR bzw.) L&D enthalten sind. So birgt der Digitalisierungsschub zum Beispiel die Gefahr der "Übergeneralisierung": alles nur noch digital. Die Aufgabe wird zukünftig also darin bestehen, beim jeweiligen Lernziel und den Bedürfnissen aller Stakeholder zu beginnen und darauf basierend jeweils die Lernformen auszuwählen, die didaktisch am sinnvollsten sind. Dies inkludiert auch wertstiftende Präsenzformen, die ganzheitliche Erfahrungen ermöglichen und soziale Zugehörigkeit, informellen Austausch, kreatives Gestalten etc. fördern.
Die Entwicklung im Bereich der Datenauswertung und der künstlichen Intelligenz wird wichtige gesellschaftliche Fragen aufwerfen: Welche Daten dürfen und wollen wir, auf welchem Aggregationsniveau, für welchen Zweck nutzen? Eine frühe und fundierte Diskussion dieser Fragen wird nicht zuletzt vor dem Hintergrund zunehmenden internationalen Wettbewerbs wichtig werden.
Befähigung der Lernenden zum kontinuierlichen Lernen
Eine weitere wesentliche Aufgabe wird in der Unterstützung der Lernenden selbst liegen. Die digitalen Assistenzsysteme bergen die Gefahr, die Selbststeuerungskompetenz des Lerners zu reduzieren. Aufgabe von L&D wird es sein, die Lernkompetenz und Selbstbestimmung der unterschiedlichen Lernenden zu fördern und sie zu befähigen, die Systeme im Sinne der Augmentation zur Verbesserung ihrer Lernentscheidungen zu nutzen.
Zum heutigen Zeitpunkt lässt sich festhalten: Die unmittelbare Reaktion auf die Krise ist im Bereich L&D durch die erfolgte Digitalisierung in vielen Organisationen gut bis sehr gut gelungen. Die Gestaltung des "Renewals" steht in den nächsten Jahren jedoch noch an. Dabei wird Digitalisierung nur ein Aspekt sein. Von größerer Bedeutung werden hierfür sein: die Förderung der Lernkultur, die Befähigung der Lernenden zum kontinuierlichen Lernen und der Beitrag zu nachhaltigem Wirtschaften.
Die fünf Thesen zu "Learning & Training" im Überblick
- Digital wird zum “New Normal” und die physische Präsenz wird zur begründeten Ausnahme.
- Evidenzbasiertes Lernen wird aufgrund der breiten Datenverfügbarkeit zunehmen und die Implementierung wird gesellschaftlich kontrovers diskutiert.
- Technologie wird in dem Maße den Lernprozess steuern, wie Menschen nicht bereit sind, Eigenverantwortung zu übernehmen.
- Lernen wird strategisch bedeutsam und beeinflusst das Business-Outcome unmittelbar.
- Umgang mit der Heterogenität der Lernenden wird zur wirklich, wirklich, bedeutsamen Aufgabe.
Der Thinktank "Learning & Training" stellt sein Thesenpapier am Mittwoch, 14. Oktober 2020, um 9.00 Uhr auf der ZPE Virtual vor.
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Für mich ein sehr zutreffender und wichtiger Artikel! Gewisse Probleme habe ich aber mit These 3. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Technologie den Lernprozess in dem Maß steuern wird, wie Menschen nicht bereit sind, Eigenverantwortung zu übernehmen. Diese Aussage geht aus meiner Sicht nicht tief genug. Erstens frage ich mich, ob ohne Eigenverantwortung überhaupt echtes Lernen möglich ist, oder doch eher Drill, Dressur, Konditionierung. Und zweitens sehe ich darin eine wichtige Aufgabe von L&D, die Menschen zu ermutigen, Eigenverantwortung zu übernehmen.
vielen Dank für Ihren Kommentar. Ihre Anmerkungen spiegeln sehr treffend unsere Diskussion wider. Ein Risiko, das wir in den fortschreitenden technologischen Entwicklungen sehen, ist die Reduktion der Selbststeuerungskompetenz der Lernenden, z.B. durch digitale Assistenzsysteme, die Lernzeitpunkt, -inhalte, Wiederholungsraten, etc. vorschlagen und damit sicherlich auch eine Verhaltensänderung bewirken können.
Aus unserer Sicht braucht es eine gezielte Auseinandersetzung mit diesem Risiko, die wir an vielen Stellen noch nicht sehen. Aktiv begegnen können wir dem Risiko, indem wir die Lernkompetenzen und Selbstbestimmung in der Organisation fördern - durch L&D genauso wie durch die Führungskräfte und mit dem Ziel, dass möglichst alle Lernenden Verantwortung für ihr lebenslanges Lernen übernehmen können, wollen und auch dürfen. Dadurch können wir die technologischen Entwicklungen hoffentlich zur Augmentation unserer Lernkompetenz nutzen, statt zu ihrer Substitution.
Mit Nele Graf habe ich diese Themen auch bei der Abgrenzung von Lernen 4.0, agilem Lernen und New Learning aufgegriffen:
https://www.haufe.de/personal/hr-management/agiles-lernen/agiles-lernen-lernen-40-new-learning-definition-abgrenzung_80_513354.html).