Die Zukunft von Events – live, digital oder hybrid?
Sich remote vom heimischen Bildschirm aus mit anderen über Fachthemen austauschen, im Livestream an einem Produktlaunch teilnehmen oder via Handy in Echtzeit Fragen an den Referenten einer Onlinetagung senden: In der Pandemie sind diese Tätigkeiten für viele von uns fast schon zur selbstverständlichen Routine geworden. Gerade in der Art und Weise, wie Meetings, Tagungen und Events durchgeführt werden können, gab es einen riesigen Entwicklungssprung in Richtung Digitalisierung. Zumindest für diejenigen, die sich von den neuen Rahmenbedingungen haben herausfordern und nicht einschüchtern lassen.
Vorzüge des Digitalen
Auch wenn viele von uns sich während der starken Kontaktbeschränkungen nach Live-Erlebnissen und einem menschlichen Miteinander sehnten, ist in den vergangenen Monaten auch klar geworden: Nicht alles, was digital umgesetzt wurde, ist gleichzeitig auch eine Notlösung. Beide Seiten haben sehr wohl auch die Vorteile von digitalen Events zu schätzen gelernt. Videokonferenzen gehören mittlerweile fest zum Arbeitsalltag, und der Gedanke, für ein Kundengespräch quer durch die Republik zu reisen, erscheint vielen nach dieser Erfahrung aus Zeit-, Kosten- und auch ökologischen Gründen überholt.
Aus der Erfahrung der letzten Monate hat sich deutlich gezeigt, dass sich digitale oder auch hybride Events besonders dann eignen, wenn das Kommunikationsziel auf Informations- oder Wissensvermittlung ausgerichtet ist. Ein großer Pluspunkt ist dabei die Möglichkeit, digital im Vergleich zu Live-Events eine größere Reichweite zu generieren und neue Zielgruppen zu gewinnen. Für Formate wie Konferenzen, Kongresse aber auch Produktpräsentationen und standortübergreifende Unternehmensthemen bieten sich hier ausgesprochen interessante und für viele Branchen zukunftsweisende Wachstumschancen.
Zum einen können durch entfallende Anreisen Teilnehmende zeitlich flexibler teilnehmen. Dementsprechend können auch internationale Gäste einfach digital erreicht werden, für die der zeitliche und finanzielle Aufwand für die Teilnahme an einem Live-Event zu groß wäre. Ein zusätzlicher Pluspunkt dabei: Durch die entfallende Reisetätigkeit und Unterbringung lassen sich bei größeren digitalen Events neben den Einsparungen der Reisekosten auch bis zu 80 Prozent der dadurch entfallenden CO2-Emissionen vermeiden.
Hybride Events als Marketingtool
In der Praxis hat sich gezeigt, dass beispielsweise die Präsentation einer neuen, innovativen Industrieanlage als Streaming Event mit Pop-up-Studio direkt aus der Werkshalle einen größeren und internationaleren Kundenkreis ansprechen konnte als auf jeder analogen Messepräsenz zuvor. Das Setting mit einem Studio mitten im Geschehen war authentischer und die Kontakte zu den Onlineteilnehmenden intensiver und inhaltlicher im Vergleich zur Messepräsenz. Findet der Austausch auf einer Veranstaltung digital statt, etwa via Chat oder Stimmungsabfragen per Metimeter oder Slido, trauen sich viele Teilnehmer und Teilnehmerinnen eher, sich einzubringen, als wenn sie bei einem Live-Event das Mikrofon ergreifen müssen. Darüber hinaus fällt auf, dass die Beiträge der Teilnehmenden im digitalen Raum im Vergleich zu denen im analogen Setting häufig fokussierter ausfallen.
Doch bei Events geht es per Definition eben nicht nur um reine Wissensvermittlung, sondern eben auch um das Erlebnis. Zum einen als herausragendes und einmaliges Ereignis, zum anderen als Gelegenheit zum gemeinsamen und persönlichen Miteinander. Dass das Kommunikationsziel eines Events auch das entsprechende Veranstaltungsformat bestimmt, ist nichts Neues. Für die Zukunft wird jedoch die Frage, inwieweit dabei digitale Komponenten eine Rolle spielen, eine weitere Dimension bei der Planung hinzufügen. Dabei gilt als Faustregel: Je emotionaler das Kommunikationsziel gewählt ist, desto hybrider sollte die Veranstaltung ausgerichtet werden.
Alle Vorteile und Herausforderungen der unterschiedlichen Event-Formen
Ein Jahres-Kick-off wird dramaturgisch anders konzipiert als eine Produktpräsentation oder ein Messeauftritt. Das gewählte Veranstaltungsformat sollte dabei dem Kommunikationsziel, aber auch den Bedürfnissen der Zielgruppe gerecht werden. Auch bei digitalen Events haben sich unterschiedliche Formate entwickelt, die jeweils ihre eigenen Vor- und Nachteile mit sich bringen:
Rein digitale Veranstaltungen
So genannte Desktop-Broadcastings finden komplett online statt. Teilnehmer, Moderator und weitere Akteure werden jeweils von ihren Bildschirmen aus zugeschaltet.
Ganz bewusst wurde hier jedoch auf die Bezeichnung "Event" verzichtet, da der Spielraum, einen Erlebnischarakter zu erzeugen, relativ klein ist.
- Vorteile: komplett dezentrale Durchführung für Veranstalter, Publikum und Gäste, technisch relativ einfach durchführbar, Fokus stark auf Content, kostengünstig durch geringen Technikbedarf
- Nachteile: kein einheitlicher Look & Feel, kein Eventcharakter, ohne Studiosituation für die Zuschauer recht losgelöst, Dauer: maximal zwei Stunden
- Geeignet für: Expertentalk, Webinar, Lunchbreak-Sessions oder ähnliche Veranstaltungen
- Kommunikationsziel: stark inhaltlich
Hybride Events
Bei einem klassischen hybriden Event werden zwei Publikumsgruppen – live vor Ort und digital zugeschaltet – gleichberechtigt angesprochen. Dasselbe gilt für die weiteren Akteure.
Die Herausforderung eines hybriden Events besteht darin, die Eventdramaturgie für die digitalen Teilnehmer gleichberechtigt zum Livepublikum zu konzipieren. Der Teilnehmer am Bildschirm sollte nicht das Gefühl eines Zaungastes haben, sondern ebenso Erlebnisse erfahren wie ein Teilnehmer, der sich vor Ort aufhält.
Dazu sollte das zentrale Bühnenprogramm so konzipiert werden, dass beide Publikumsarten unter ihren jeweiligen Rahmenbedingungen ein möglichst ähnliches Veranstaltungserlebnis erfahren. Alternativ können Teile des Events sich für das jeweilige Publikum unterscheiden. Gehen beispielsweise die Liveteilnehmer in die Mittagspause, könnte den digitalen Teilnehmern ein Behind-the-scenes-Interview mit den Vortragsrednern präsentiert werden.
- Vorteile: Durch Publikumsreaktionen wie Applaus und Lachen vor Ort entsteht eine Liveatmosphäre, die sich auch auf die Akteure auf der Bühne auswirkt. Über das Livepublikum hinaus ist eine fast unbegrenzt skalierbare digitale Reichweite zu erzielen.
- Nachteile: Das Event muss sehr komplex konzipiert werden, um digitales und Livepublikum gleichberechtig abzuholen. Hochwertige Kameraeinstellungen mit Livepublikum sind nur mit Arenabestuhlung möglich. Das schränkt die Wahl der Location ein. Kostenintensivste Variante durch doppelte Planung, große Location und doppelten Technikbedarf (Livebeschallung und Streamingtechnik).
- Geeignet für: große Arenaveranstaltungen oder aber gezielt kleinere Events, mit Fokus auf digitaler Reichweite und Livepublikum. Das Format passt gut zu wiederkehrenden Veranstaltungen wie Meetings, Tagungen und Kongresse, bei denen sich die Teilnehmer flexibel für die Teilnahme in Präsenz oder digital entscheiden können.
- Kommunikationsziel: inhaltlich und emotional
Teilhybride Events
Grundsätzlich hat die Anzahl der hybriden Events im letzten Jahr zugenommen. Dabei handelte sich im engeren Sinne jedoch hauptsächlich um teilhybride Events, da das Publikum zumeist ausschließlich online teilnimmt, das Programm des Events hingegen mit Gästen, Show Acts und Keynotes in einem Streamingstudio stattfindet.
Bei teilhybriden Events gibt es ein Streaming- oder Pop-up-Studio, zum Beispiel direkt im Unternehmen oder einer thematisch passenden Location. Der Moderator und einige Akteure sind live vor Ort im Studio, andere werden nach Bedarf und Verfügbarkeit in den Livestream zugeschaltet. Das Publikum verfolgt die Veranstaltung rein digital vom PC, Smartphone oder Tablet aus.
- Vorteile: flexible Planung und Durchführung des teilhybriden Events, authentische Präsentation des Unternehmens in eigener Kulisse, abwechslungsreiche Bilder im Stil einer TV-Show plus Interaktionsmöglichkeiten in Echtzeit. Publikum kann dezentral und skalierbar teilnehmen. Reisezeiten und -kosten fallen in diesem Zusammenhang nur für Akteure an, die vor Ort im Studio auftreten.
- Nachteile: kein persönliches Netzwerken möglich
- Geeignet für: alle Arten von Veranstaltungen wie Konferenzen, Tagungen, Produktpräsentationen, Charity-Events
- Kommunikationsziel: inhaltlich und emotional
Echte Events zum Miterleben
Live-Events werden auch in Zukunft nicht von der Bildfläche verschwinden. Sie werden nach unserer Erwartung jedoch einen neuen Stellenwert bekommen und ganz gezielt als Highlight eingesetzt werden. Einerseits haben wir im Social Distancing gelernt, dass das menschliche Miteinander einen hohen Stellenwert hat. Besondere gesellschaftliche Ereignisse, wie beispielweise eine Landesgartenschau oder Karnevalsumzüge, lassen sich kaum digital umsetzen. Netzwerkveranstaltungen hingegen könnten sehr gut als Highlight am Ende einer Reihe kleinerer und inhaltlicher Digital-Events funktionieren. Doch auch bei bisher als klassisch bezeichneten Liveveranstaltungen wie Konzerten wird aufgrund der enorm skalierbaren Reichweite ein digitaler Zwilling interessant bleiben.
- Vorteile: größere Emotionalität und Liveatmosphäre, persönliche Kontakte, gemeinsames Feiern und Tanzen
- Nachteile: Teilnehmerzahl auf Locationgröße begrenzt, Reisezeiten und -kosten, im Vergleich höchste CO2-Emissionen bei gleichzeitig geringerer (internationaler) Reichweite, Kommunikationsziel schwieriger messbar
- Geeignet für: emotionale Veranstaltungsziele wie Sommerfeste, Incentives und Netzwerkevents. Darüber hinaus Veranstaltungen mit besonderer Präsenzpflicht.
- Kommunikationsziel: stark emotional
Wahl des Event-Formats künftig flexibler
Veranstaltungen werden in Zukunft durch die digitalen Möglichkeiten sehr viel flexibler gestaltet werden. Unsere Gegenwart zeigt uns, dass die Zukunft von Events nur bedingt vorhersehbar ist. Die Digitalisierung ist in diesem Bereich in den letzten Monaten stark fortgeschritten, gleichzeitig haben wir festgestellt, dass das Bedürfnis nach gemeinsamen "Lagerfeuermomenten" für uns als soziale Wesen nach wie vor universell ist.
Trotzdem werden reine Live-Events in Zukunft für viele Anlässe nicht mehr das Nonplusultra sein. Bei der Wahl des Formats gilt es, die Kosten, Reichweite, Reisezeiten und CO2-Bilanz genau abzuwägen. Letztendlich werden mit der richtigen Ausgewogenheit an digitalen Möglichkeiten, die an die gesteckten Kommunikationsziele angepasst sind, flexible Mischformate entstehen, die die gewünschte Zielgruppe und ihre Bedürfnisse erreichen, mit überlegter Ausgestaltung begeistern und damit auch in Zukunft erfolgreich sein werden.
Ralf Schmitt ist Geschäftsführer der Veranstaltungsagentur Impulspiloten GmbH, die sich neben unkonventionellen Businessevents auf die Konzeption und Durchführung von digitalen und hybriden Events spezialisiert hat. Ralf Schmitt moderiert seit über 20 Jahren Firmenevents, tritt als Keynote Speaker zum Thema "Flexibles Mindset" auf und hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt gemeinsam mit Thorsten Jekel und Melanie Eschle: "30 Minuten Digitale Events" (Gabal Verlag).
Dieser Beitrag ist im Sonderheft "Tagen", Ausgabe November 2021, erschienen, das der November-Ausgabe der Zeitschrift "Wirtschaft + Weiterbildung" beiliegt.
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