Digitales Lernen: Die Zukunft der Personalentwicklung

Personalentwicklung im Digitalzeitalter verknüpft formelles und informelles Lernen und erlaubt situative Qualifizierung mitten im Arbeitsprozess. Ein Ausblick auf die Zukunft des Lernens und der betrieblichen Weiterbildung.

Wie wird Weiterbildung im Unternehmen und die Rolle der Personalentwicklung (PE) wahrgenommen? Eine internationale Umfrage des Corporate Leadership Council aus dem Jahr 2017 gibt Hinweise: 66 Prozent der Befragten sehen keinen wirkungsvollen Einfluss der PE auf das Geschäftsergebnis. 

Für 69 Prozent passen die Maßnahmen nicht zum tatsächlichen Bedarf und 77 Prozent sind der Meinung, dass die Herausforderungen des Unternehmens nicht rechtzeitig adressiert werden.

Was Personalentwicklung aus Business-Sicht leisten sollte

Diese Ergebnisse sind ein vernich­tendes Urteil. Welche grundlegenden Herausforderungen muss PE also aus Business-Sicht erfüllen? Aus meiner Sicht sind es die folgenden:

  1. Maßnahmen zur Weiterentwicklung müssen relevant und wirksam sein. Möglich wird das, wenn sie im tatsächlichen Moment-of-Need situativ und personalisiert zur Verfügung stehen.
  2. Personalentwicklungsmaßnahmen müssen die Anforderungen der Organisation hinsichtlich Anpassungs- und Veränderungsbedarf rechtzeitig erfüllen.
  3. Maßnahmen der PE brauchen eine klare Bedarfs- und Ergebnisorientierung, um Relevanz zu erzeugen.

Strategische Entwicklung und situatives Qualifizieren

Weiterbildung sollte einerseits auf ein künftiges Entwicklungsziel einzahlen. Dafür ist es wichtig, einen nachhaltigen Lernprozess zu initiieren. Andererseits muss sie auch in dem Moment wirken, in dem es Entwicklungsbedarf gibt. Hier finden situatives Lernen und Anwenden gleichzeitig statt – immer im Zusammenhang und im Kontext des Business-Need und der anstehenden Aufgaben. Dieser ganzheitliche Ansatz erfordert ein Umdenken in der PE – sowohl hinsichtlich der Methoden, der Formate und Zugangswege zu Weiterbildung als auch der grundlegenden Paradigmen. Wir müssen zwischen zwei Formen der Weiterbildung unterscheiden:

  1. Eine in die Zukunft gerichtete Qualifizierung bezogen auf eine Rolle. Ihr Ziel ist eine strategische Entwicklung hinsichtlich der Unternehmensziele.
  2. Die situative Qualifizierung für Aufgaben im konkreten Moment des Bedarfs. Hier ist das Ziel, zeitnah businessrelevanten Output zu generieren.

Diese Unterscheidung führt auch zur Differenzierung bei der Granularität von Formaten und Entwicklungsbausteinen. Eine situative Weiterbildung benötigt Mikroformate, die Relevanz erzeugen. Die Entwicklung hin zu einer neuen Rolle oder neuen Aufgabengebieten bedarf hingegen komplexerer Maßnahmen.

Personalentwicklung sollte umdenken

Dies alles erfordert ein Umdenken bei der grundsätzlichen Herangehensweise. Denn die PE wird ihren Anspruch, Weiterentwicklung in allen Facetten steuern und kontrollieren zu wollen, in Zukunft nicht mehr halten können. Momentan gibt es in Unternehmen einerseits formelle und somit steuerbare Lernprozesse, die über die PE aus strategischen oder taktischen Gründen in der Organisation ausgerollt werden. Andererseits existieren informelle Lernprozesse. In den wenigsten Unternehmen sind diese gekoppelt. Letztere machen jedoch einen Großteil des tatsächlichen Lernens in Organisationen aus. Sie finden meist in Bezug auf persönliche und sehr situative Bedarfsmomente statt. Da sie hoch dynamisch und individuell sind, liegen sie außerhalb einer steuerbaren Systematik. Denn der akute Bedarfsmoment ist nicht planbar und erfordert von den Mitarbeitern, dass sie sich notwendiges Wissen situativ holen. Diese Konstellation kollidiert mit dem Wunsch der Organisation nach Kontrolle und Messbarkeit.

Verbindungen zwischen formellen und informellen Lernprozessen schaffen

Ein Schlüsselelement nachhaltiger Weiterentwicklung ist ihr ganzheitlicher Anspruch. Deswegen ist es ein Erfolgskriterium nachhaltiger Personalentwicklung, Lernen und Arbeiten sowie strategiebezogene Entwicklung und situativen Bedarf in direkten Kontakt zu bringen. Die entscheidende Frage lautet also: Wie schaffen wir es, ein Mehr an situativer und bedarfsorientierter Weiterbildung und Wirksamkeit zu schaffen, um businessrelevanten Output zu generieren?

Die PE muss sowohl für Organisationen als auch für Teams und Mitarbeiter geeignete Methoden, Formate und Tools bereitstellen – ebenso wie individuelle und personalisierte Zugangswege zu Kompetenzentwicklung. Zwischen formellen und informellen Lernprozessen müssen Verbindungen geschaffen werden, sodass Lernen wirklich im Prozess der Arbeit stattfinden kann. Diese Anforderungen erfordern mehrdimensionale Lösungen. Aktuell werden auch ganzheitliche Lösungen entwickelt. Diese Lösungsansätze haben das Ziel, den Transformationsprozess von Organisationen, die Verbindung von formellen und informellen Lernprozessen, aber beispielsweise auch Talent Management sowie die personalisierte und bedarfsorientierte Kompetenzentwicklung bei Teams und Mitarbeitern in ein wirksames Zusammenspiel zu bringen.

Weiterbildung muss sich natürlich weiterhin auch an ihrer Wirksamkeit messen lassen. Die Frage ist nur: In welcher Währung misst man die Wirksamkeit von Weiterentwicklung? Der ROI berechnet sich anhand der Menge des relevanten Wissens und dem Aufbau von Kompetenzen, welche tatsächlich angewendet werden und somit ergebniswirksam im Hinblick auf die Businessziele sind. Akzeptanz und Effektivität von Entwicklungsmaßnahmen sind also fest mit Ergebniswirksamkeit und Businessrelevanz verknüpft. Eine schlichte Messung der Erreichung von Lernzielen ist nicht ausreichend.

Die Vorteile von digitalem Lernen

Die Messbarkeit von Weiterbildung ist eine der Stärken von digitalem Lernen. Außerdem bietet es eine große Format- und Methodenvielfalt, die maximale Flexibilität und Individualisierung in der nachhaltigen Vermittlung von Wissen und dem Aufbau von Kompetenzen ermöglicht. Ebenso liefert es situative und bedarfsorientierte Zugangswege, die realen Businesskontext herstellen. So kann es traditionelle Methoden und Formate ergänzen. Digitales Lernen erleichtert das Lernen im konkreten Bedarfsmoment und macht Wissen schneller verfügbar. Es können personalisierte Bedarfe adressiert werden, ohne dass Seminarräume oder Trainer gebucht werden müssen. Zudem ermöglicht digitales Lernen einen schnellen und einfachen Zugriff auf aufgabenbezogene Ressourcen, relevantes Wissen und personalisierte Lernbausteine zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Somit wird Lernen businessrelevanter, bedarfsorientierter und effektiver.

Blended Learning, Onlinekurse, Mobile Learning, Webinare, Learning-on-Demand-Lösungen und Performance Support ermöglichen die Verbindung von formellen und informellen Lernprozessen. Aspekte wie Micro-Contents, digitale Feedback-Kanäle und Kooperationsplattformen ermöglichen zugleich, informelle Lernprozesse aktiv zu fördern.



Über den Autor: Christian Friedrich ist Bereichsleiter Digital Learning Solutions und Mitglied der Geschäftsführung der Haufe Akademie GmbH & Co. KG in Freiburg.


Den vollständigen Beitrag und das Schwerpunktthema "Digitales Lernen" lesen Sie in Personalmagazin 4/2018.


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