Ob digital oder analog: Lebenslanges Lernen braucht Vorbilder


Kolumne E-Learning: Lebenslanges Lernen braucht Vorbilder

Lebenslanges Lernen steht hoch im Kurs. Theoretisch. In der Praxis sind es immer noch die Ausnahmeerscheinungen, die deutlich machen, was sich mit Lernen im Erwachsenenalter erreichen lässt. Dabei können Vorbilder helfen, andere zu motivieren, und sind ebenso wichtig wie eine digitale Infrastruktur, meint unsere Kolumnistin Gudrun Porath.

Eine dreifache Mutter, alleinerziehend, Krankenpflegerin, studiert online erfolgreich Wirtschaftsingenieurwesen. Ein Straßenbauer will mehr und absolviert einen Fernlehrgang in Informatik, dessen Abschluss ihm eine Stelle als Python-Entwickler verschafft. Ein Diplom-Wirtschaftsingenieur, Jahrgang 1979, setzt nach dem MBA einen Master in Wirtschaftspsychologie drauf und ist jetzt CEO. Diese Menschen haben etwas gemeinsam: Sie haben sich entschieden, ihre Qualifikationen in Fernstudiengängen oder Fernlehrgängen weiterzuentwickeln und sie waren damit erfolgreich.

Vor kurzem erst wurden diese Personen vom Forum Distance-Learning, dem Fachverband für Fernlernen und Lernmedien e.V., ausgezeichnet. Und drei weitere Personen erhielten den Studienpreis: Ein staatlich geprüften Techniker mit Familie , der im Fernstudium zuerst den Bachelor of Engeneering erworben hat und nun seinen Master im Bereich Mechatronik macht. Eine Technikerin in der Automobilindustrie, die die Chance ergreift und sich zur Technischen Betriebswirtin weiterbildet. Und eine 54 Jahre alte Mutter mit Hauptschulabschluss und vielen Jobs, aber ohne Ausbildung, die das Abitur macht, um Archäologie zu studieren.

Technik kann Motivation nicht ersetzen

Warum waren diese Personen erfolgreich? Das ist wohl die Schlüsselfrage, die zu beantworten wenig mit den aktuell so hoch gehandelten Technologien zu tun hat. Denn tatsächlich gibt es ihn immer noch, den klassischen Fernlehrgang, bei dem der Fernlerner seine Lehrgangsmaterialien in schriftlicher Form zugesandt bekommt und durcharbeiten kann. Lerntechnologie kommt nur als Lernplattform zum Einsatz, auf die Hausarbeiten hochgeladen werden, der Kontakt zum Lehrenden hergestellt oder die virtuelle Lerngruppe getroffen wird. Was in erster Linie als Erfolgsrezept zählt, ist vielmehr die persönliche Einstellung, der unbedingte Wille zum Lernen und die Unterstützung von Freunden, Familie und Arbeitgebern, die den Lernenden den Rücken freihalten, wenn es hart auf hart kommt. 

Diese Menschen sind Vorbilder, von denen es sicher mehr gibt, von denen wir aber nur wenige kennen. Wenn überhaupt. Denn selbst die jetzt Ausgezeichneten, die sich zu Recht im Berliner Ballhaus in festlichem Rahmen feiern lassen durften, werden als Vorbilder nur in kleinem Rahmen wirken. Es erscheint eine Pressemitteilung mit ihren Namen, der ein oder andere wird womöglich sogar in einem Artikel in der Fachpresse näher vorgestellt. Breitenwirkung erzielt das nicht. 

Vorbilder müssen öffentlich gezeigt werden

Die wäre aber dringend nötig, wenn wir mehr Menschen zu lebenslangem Lernen motivieren wollen, ob im Unternehmen oder im privaten Bereich.  Schon allein zu zeigen, dass es möglich ist, sich trotz mangelnder Schulbildung und fortgeschrittenem Lebensalter weiterentwickeln zu können, kann Mut machen, sich auf Neues, Ungewohntes einzustellen oder, noch besser, sich darauf einzulassen. Denn darauf werden wir in Zukunft angewiesen sein, ob als Unternehmen oder einfach nur als Mensch.

Dieses Neue können dann ja auch öffentliche digitale Lernplattformen sein, wie sie gerade etabliert werden sollen. Ein Beispiel dafür ist "MILLA" (Modulares Interaktives Lebensbegleitendes Lernen für Alle), deren technisches Gerüst von  einem jungen E-Learning-Start-up aus Bochum (Masterplan.com) kommt und bei der Videolearning á la Netflix im Mittelpunkt steht. Ein weiteres ist der KI-Campus, eine Lernplattform für künstliche Intelligenz (KI), die für drei Jahre BMBF-gefördert den mündigen und kompetenten Umgang mit KI stärken und Menschen für das Thema begeistern soll. 


Über die Kolumnistin: Gudrun Porath ist freie Journalistin. Sie beobachtet unter anderem für das Haufe Personal-Portal und die Haufe-Zeitschrift "wirtschaft + weiterbildung" die Trends auf dem E-Learning-Markt.