MBA mit Zertifikatsprogrammen

Die Konkurrenz der Wirt­schafts­hoch­schulen wächst – unter­einander und durch nicht-­akademische Weiter­­bildungs­­­anbieter. Zudem steigen An­sprüche der Teil­nehmen­den. Deshalb diversi­fizie­ren viele Business Schools ihr Portfolio mit Zertifikats­programmen, die Ein­blick in die umfassenderen Hoch­schul­­programme geben.

Der Fulltime-MBA schwächelt. Weltweit sind die MBA-Einschreibungen laut der Non-Profit-Organisation GMAC zuletzt um fünf Prozent zurückgegangen – also bei den Wirtschaftshochschulen, die den weitverbreiteten Eignungstest GMAT verlangen. Selbst bei US-Top-Schulen steigen laut dem Portal Poets & Quants die Zulassungsquoten. Sie können es sich also nicht mehr so einfach wie früher leisten, Bewerberinnen und Bewerber abzulehnen.

In Deutschland zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. "Hierzulande wird der Teilzeit-MBA bevorzugt, noch stärker als bisher schon", meint Kai Stenzel, Chief Market Officer der Mannheim Business School. In den USA ist es noch üblicher, für ein Vollzeitstudium den Job zu unterbrechen. Doch die hohen Kosten schlagen zurück: Diese sind derart gestiegen, dass sich die Investition ins Studium oft nicht mehr rechnet. Wer zwei Jahre Vollzeit an einer führenden Business School studiert, muss mehr als 150.000 Dollar Gebühren plus Lebenshaltungskosten aufbringen – Einkommensverluste noch nicht eingerechnet. Politische Unsicherheiten tragen dazu bei, dass Studierende – vor allem in Asien – lieber in ihrem lokalen Arbeitsmarkt bleiben und eher einen Online-MBA in Betracht ziehen.

Die Platzhirsche unter den Zertifikatsanbietern

In Mannheim begann man erst vor sechs Jahren mit offenen Zertifikatskursen – seit eineinhalb Jahren wächst das Portfolio. "Das brauchen wir, um bei Unternehmen für ihre Weiterbildungsplanung gelistet zu sein", erklärt Kai Stenzel. "Die Unternehmen fragen gezielt Zertifikate für Mitarbeitende an. Den MBA hingegen belegen eher Personen, die uns direkt ansprechen." Derzeit hat die Mannheim Business School schwerpunktmäßig Zertifikate zu Leadership, Datenanalyse und künstlicher Intelligenz im Programm. In kurzen Kursen erhalten Führungskräfte Impulse zu Themen wie Selbstführung, Teamführung und Delegation. In einem berufsbegleitenden MBA mit 80 bis 90 Präsenztagen ist der Umfang ein anderer. Teamarbeit ist zudem essenziell – und zwar neben dem Job.

Für Firmenprogramme sind mindestens zehn Teilnehmende aus einem Unternehmen nötig. Bei kleineren Gruppen schlägt die Mannheim Business School oft eine Kombination aus offenen Kursen und firmeninternen Schulungen vor. Wie die offenen Programme, die nur bei "Management Analytics" Onlineelemente enthalten, finden auch die Inhouse-Kurse in den Räumlichkeiten der Business School statt. Der Hauptgrund: So können sich die Teilnehmenden besser auf die Lerninhalte konzentrieren.

In der Beratung der Studierenden klärt die Mannheim Business School stets ab, welches Vorwissen vorhanden ist und welche Programmtiefe passt. Im MBA lerne man zu entscheiden – laut Stenzel die Kompetenz Nummer 1, die durch KI nicht ersetzt werden kann. Doch manchmal ist es wichtiger, sich schnell in einem bestimmten Themengebiet fit zu machen. Ob ein MBA oder ein Zertifikatskurs die bessere Wahl ist, hängt häufig von der verfügbaren Zeit ab. Ein MBA oder EMBA in Teilzeit dauert 18 bis 24 Monate und erfordert ein Lernpensum von mindestens zehn Stunden pro Woche. Ein Zertifikat bekommt man in Mannheim hingegen in der Regel nach drei bis fünf Tagen.

Andere Business Schools bieten längere Kurse an, die zwischen drei Tagen und einem ganzen Studium liegen. So zum Beispiel die EBS, die einen Campus in Wiesbaden hat – dort ist die EBS Law School ansässig – und einen im Rheingau in Oestrich-Winkel, wo neben der EBS Business School auch die EBS Executive School beheimatet ist. Letztere ist eine Art Profit Center der EBS University. "Zu 90 Prozent fokussieren wir wirtschaftliche Themen, ähnlich wie die der Business School", berichtet Professor Kai Förstl, Leiter der EBS Executive School. Aktuell dominieren neben Kursen mit Fokus auf die Immobilienbranche auch offene Kurse für Führung, Coaching, Finanzen, Nachhaltigkeit und digitale Transformation. Die meisten Kurse dauern zwischen sechs und zwölf Tagen. "Den Trend zu Kurzkursen von zwei bis drei Tagen sind wir bisher nicht mitgegangen, aber wir starten nun den ersten Testballon", so Förstl. Die Preise der EBS-Zertifikate bewegen sich zwischen 1.800 Euro für zwei Tage Kompaktformat und 14.350 Euro für das Zertifikat als Financial Consultant mit 42 Tagen. Um Exklusivität zu wahren, sind die Leadership-Programme auf maximal 18 Teilnehmende beschränkt. "Unsere Standorte im Rheingau haben Retreat-Charakter", betont Förstl. Selbst Firmen, die sonst ihre eigenen Räumlichkeiten oder Tagungshotels bevorzugen, entscheiden sich oft für den EBS-Campus, der optimal auf die Lernbedürfnisse abgestimmt ist. Onlinekurse ergänzen das Präsenzangebot zwischen den Lernblöcken. 

Zertifikationsangebot greifen Trends auf

Auch weniger bekannte Business Schools bieten ein breites Zertifikatsprogramm und setzen verstärkt auf Flexibilität, Onlinekurse und modulare Formate. So etwa die Technische Hochschule Deggendorf (THD). Neben berufsbegleitenden Bachelor-, MBA- und Masterabschlüssen in Wirtschaft, Technik, Informatik, Gesundheit und Pädagogik hat die THD derzeit 17 Hochschulzertifikate zur Wahl – zum Beispiel zu den Schwerpunkten Data Science, Programmieren, Produktoptimierung sowie Prozess- und Projektmanagement. Zielgruppe: Berufstätige.

"In engem Austausch mit Unternehmen identifizieren wir Trends und integrieren diese in unsere Zertifikatsangebote", erklärt Corina Welsch, Operative Leiterin des Zentrums für Akademische Weiterbildung der Hochschule. Alle Kurse finden online statt – meist in Webkonferenzen mit virtuellen Austauschmöglichkeit und über Online-Selbstlernanteile mit Fragemöglichkeit per Chat. Firmenprogramme können in den Räumlichkeiten der Unternehmen durchgeführt werden. Die festgelegten Termine liegen meist am Abend – ein Plus für Berufstätige, die sich tagsüber schwerer ausklinken können. Die Dauer variiert von zwei Abenden plus Onlineprüfung bis zu mehreren Wochen mit zehn Tagen Selbstlernanteil. Preislich liegen die Zertifikate zwischen 500 und 1.000 Euro. 

Zertifikate aufs Studium anrechnen lassen

"Zertifikatskurse sind ideal für alle, die gezielt Kompetenzen erwerben möchten", erklärt Welsch. Ob sich ein Zertifikatskurs auf ein späteres Master – oder MBA-Studium anrechnen lässt, macht die THD von der Vergleichbarkeit der Inhalte und des Umfangs abhängig. Grundsätzlich ist die Möglichkeit zur Anerkennung nach den Angaben von Corina Welsch gegeben – eine bestimmte Zahl an ECTS-Punkten weist die Hochschule jedoch nicht aus. 

Rechtlich betrachtet lassen sich in Deutschland durch einschlägige Berufserfahrung 30 der 300 nötigen ECTS-Credits für ein Master- oder MBA-Studium anrechnen. In den USA sieht die Lage anders aus. Dort gibt es sogenannte "Stackable Degrees": Studienabschlüsse, die komplett aus Micro-Credentials bestehen können. Doch unabhängig von der rechtlichen Lage stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, auf Teile eines Master- oder MBA-Programms zu verzichten. "Wer sich für einen MBA entscheidet, tut das ja gerade wegen der besonderen persönlichen Erfahrung", meint Kai Stenzel von der Mannheim Business School. Fast ein Viertel der Studierenden an der Business School habe die Grundlagen zwar schon einmal gelernt, wolle sie aber in der MBA-typischen Tiefe wiederholen. Ein preislicher Rabatt von bis zu 1.200 Euro ist möglich, wenn sie ein hauseigenes Zertifikat vorweisen. Zur Einordnung dieser Preise: Die offenen Kurse kosten zwischen 3.000 und 10.000 Euro.

Die EBS verfolgt eine etwas andere Strategie. Sie nutzt seit 2017 gezielt Zertifikatskurse, um Studierende für ihre Masterprogramme zu gewinnen. Je nach Intensität des Programms bekommt man pro Kurs sechs bis 24 ECTS. Bei einem späteren Parttime-MBA mit 60 ECTS sind etwa bis zu 24 ECTS anrechenbar. Wer mit ein oder zwei Zertifikaten startet, kann Gebühren sparen, die Studienzeit verkürzen und erst einmal testen, ob die Lernumgebung gefällt. 

Auch in Zertifikatskursen – zumindest bei den längeren ab sechs Tagen – setzt die EBS auf das Kohortenprinzip und Team-Learning. Da die meisten Kurse auf Deutsch stattfinden, gilt die Anrechenbarkeit nur für die Masterprogramme. "Beim MBA hätten wir uns zu stark verbiegen müssen – auch inhaltlich", erklärt Kai Förstl. Im Vorjahr begannen rund 20 Prozent der Studierenden mit Zertifikaten und sattelten dann die Masterstufe noch oben drauf. 

Zertifikatskurs versus Studium: neue Konkurrenz oder eine Symbiose?

So entsteht eine Symbiose zwischen der Business School als Abschlussinstitution und der Executive School als Zubringer von Studierenden. Gleichzeitig bleibt die Exklusivität des MBA gewahrt. Die Zielgruppen sind klar definiert: Zertifikate eigenen sich für Weiterbildungswillige, die sich konkrete Skills aneignen wollen und noch unentschlossen sind, ob ein Master der richtige Weg ist. Die Masterprogramme bespielen betriebswirtschaftliche Schwerpunkte, während der MBA meist für Spezialistinnen und Spezialisten gedacht ist, die ein breites Managementwissen erlangen möchten. Zertifikatskurse konkurrieren nicht mit einem Studium, glaubt daher auch Corina Welsch von der THD. "Bei uns gibt es hier keinen Konflikt." Das Angebot sei strategisch abgestimmt – Zertifikate und Studiengänge ergänzten sich ideal. "Dadurch schaffen wir ein Lernumfeld, das die unterschiedlichen Bildungsbedürfnisse unserer Zielgruppen optimal abdeckt."

Auch die Mannheim Business School verzahnt ihre Programme. Besonders in den KI-Zertifikatskursen haben viele Teilnehmende schon einen MBA in Mannheim absolviert und wollen sich in dem Spezialbereich noch weiter "aufschlauen". "Sie bekommen die gewohnte Qualität des Studiums", so Kai Stenzel. Viele Teilnehmende haben Führungserfahrung, auch bei den Zertifikatskursen. Und über diese Kurse, vor allem in maßgeschneiderten Firmenprogrammen, erfährt die Business School inhaltlich, wo Unternehmen der Schuh drückt. Die heißesten Themen fließen dann in neue Kurse ein. 

Zertifikate und Online-Badges: "Was zum Vorzeigen"

"Man braucht Zertifikatsprogramme, um für die Unternehmen sichtbar zu sein", betont Professor Kai Förstl von der EBS. Er hat beobachtet, dass die Rechnung oft an die Firmenadresse geht – Unternehmen also die Kosten übernehmen, insbesondere für ihre Führungskräfte und High Potentials. Ein Masterprogramm liegt meist im Budget und Interesse der Unternehmen, da die Master-Thesis in der Regel ein unternehmensinternes Problem behandelt. "Das ist kein Elfenbeinturm-Programm, sondern praxisnah." Auch maßgeschneiderte Firmenprogramme können ein Einstieg zur Business School sein. Diese gibt es bei der EBS oft dann, wenn Unternehmen für eine bestimmte Gruppengröße themenspezifische Wünsche haben. So habe man kürzlich einen firmeninternen Kurs zu Managementgrundlagen durchgeführt, der sich ganz auf Objectives and Key Results (OKRs) konzentrierte – das Unternehmen hatte die Zielsetzungsmethode gerade eingeführt. 

Für viele Teilnehmende sind Zertifikate und Online-Badges ein Attraktionsfaktor. "In Verbindung mit Linkedin gewinnen diese digitalen Auszeichnungen an Bedeutung", sagt Förstl. Viele Wirtschaftshochschulen bieten diese an. Die EBS etwa hat neben den Print-Zertifikaten auch "Virtual Badges" kreiert und gibt einen Link dazu aus. Wer diese auf Linkedin teilt, bei dem erscheint in einem Posting oder im Bereich "Featured" automatisch das Abzeichen. Ein Klick führt zur Webseite des eigenen Badges. Ob es sich um ein gültiges Zertifikat handelt, kann man zum Beispiel mit dem "Open Badges 2.0 Validator" prüfen, der bei EBS-Badges direkt verlinkt ist. Die Teilnehmenden der Zertifikatskurse seit 2021/2022 erhalten diese Virtual Badges automatisch. Förstl fügt stolz hinzu: "Das ist so attraktiv, dass sogar vorherige Jahrgänge danach fragen."


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