Planlos im Weiterbildungsdschungel


Kolumne E-Learning: Planlos im Weiterbildungsdschungel

Am Ball bleiben, sich weiterbilden: Die Digitalisierung fordert und fördert das. Die Menschen in Deutschland schätzen Weiterbildung, stehen aber in Interesse und Initiative hinter den international Befragten, so das Ergebnis einer aktuellen Studie zum Thema Upskilling. Dabei ist lebenslanges Lernen unbedingt notwendig und wichtig, findet unsere Kolumnistin Gudrun Porath.

Da haben wir alle Möglichkeiten und wissen nicht wohin. "Menschen in Deutschland wollen sich weiterbilden, wissen aber nicht, wozu" lautete die Überschrift, mit der jüngst eine Studie zu Weiterbildung in Deutschland überschrieben wurde. Lebenslanges Lernen sei bisher nur als theoretisches Konzept bekannt. Das sind keine guten Aussichten.

Lebenslanges Lernen wegen Digitalisierung noch wichtiger

Ich gebe zu, die Überschrift hat mich erschreckt. Schließlich reden und schreiben wir seit Jahren über lebenslanges Lernen. Politiker, Wissenschaftler, Funk und Fernsehen haben sich der Sache angenommen. Von DGFP-Veranstaltungen bis zur Zukunft Personal ist das lebenslange Lernen ein beliebtes Vortragsthema prominenter Persönlichkeiten, seit Jahren. Die digitale Transformation habe, so heißt es immer wieder, die Lage verschärft. Ohne ständig weiter zu lernen, kommen wir nicht mehr voran – und die Unternehmen auch nicht. Die ja ebenfalls viel unternehmen, um ihre Mitarbeitenden auf dem neuesten Stand zu halten. Auf der jüngsten L&D Pro in München berichtete mir ein E-Learning-Anbieter, man könne gar nicht alle Aufträge für neue E-Learning-Programme annehmen, weil E-Learning-Autoren fehlten. Was also ist da los und wie kommt die Studie zu diesem Ergebnis?

Weiterbildung: wichtig für Deutsche, wichtiger für international Befragte

"The Future of Upskilling. Erwachsenenbildung im Zeitalter der Digitalisierung", haben die Autoren der IU Internationale Hochschule ihre Studie überschrieben. An der repräsentativen Befragung haben demnach Menschen aus Deutschland, Südamerika, Europa, Indien und Südafrika im Alter zwischen 26 bis 55 Jahren teilgenommen. Auf den ersten Blick sieht das Ergebnis für Deutschland auch gar nicht so schlecht aus. Immerhin, 65 Prozent der deutschen Befragten sehen die eigene Weiterbildung als wichtig bis sehr wichtig an, international sind es demnach mehr als 85 Prozent. Kein Punkt für Deutschland. Wer sich in Deutschland für Weiterbildung interessiert, möchte dies in erster Linie im persönlichen Kontext tun (73 Prozent). 

Initiative der Deutschen hinkt im internationalen Vergleich hinterher

Offenbar haben sich allerdings die wenigsten genaue Gedanken gemacht, denn 29 Prozent, so heißt es, sei unsicher, fast 27 Prozent wissen überhaupt nicht, welche Qualifikationen und Kenntnisse es sein sollen. Im internationalen Vergleich bedeutet das: 41 Prozent der international Befragten haben sich über konkrete Weiterbildungsangebote informiert, die Deutschen kommen gerade mal auf 23 Prozent. Wieder kein Punkt für Deutschland. Während international das Interesse an Data Science und Künstlicher Intelligenz besonders hoch ist, landet dieses Thema in Deutschland gerade einmal vor Architektur und Tourismus auf dem drittletzten Platz. Kein Punkt für Deutschland. Immerhin haben laut Studie 53 Prozent der an Weiterbildung Interessierten erkannt, dass diese ihnen helfen kann, ihre Ziele zu erreichen. Das bedeutet im internationalen Vergleich fast Gleichstand. Yeah! 

Und weil es in dieser Kolumne ja auch um digitales Lernen geht: Insgesamt wünscht sich eine knappe Mehrheit Online-Unterricht, was - Sie ahnen es - im internationalen Vergleich leider ebenfalls kein Hit ist. 

Interesse und Investition für Weiterbildung lohnt sich

Man kann es drehen und wenden wie man will und natürlich auch Kritik an der Studie üben. Zum Beispiel, dass der Vergleich zwischen weiterbildungsinteressierten Menschen aus Indien und Südafrika mit Menschen aus Deutschland in der gleichen Altersgruppe hinkt. Weil es uns hier allgemein besser geht, das Ausbildungssystem nicht vergleichbar ist oder schon die Arbeitgeber dafür sorgen, dass die Sache mit der Weiterbildung vorangeht. Man kann auch sagen, dass die Bundesregierung das ja bereits erkannt hat und darauf mit verschiedenen Initiativen reagiert, siehe "Nationale Bildungsplattform". Aber man kann ebenso sagen: Wir sind einfach viel zu satt und zufrieden und sozial abgesichert und machen lieber den zehnten Yoga-Kurs als endlich mal tiefer in das Thema KI einzutauchen. 

Genau das aber könnte uns zum Verhängnis werden. Denn die Globalisierung und die digitale Transformation gehen weiter, ob wir das nun wollen oder nicht. Der Konkurrenzdruck steigt, Pandemie hin oder her. Planlos und desorientiert ist noch niemand ans Ziel gekommen. Sich mit der eigenen beruflichen Weiterentwicklung beschäftigen zu müssen, mag anstrengend sein und manchmal auch frustrierend. Sich dabei nur auf andere wie beispielsweise den Arbeitgeber zu verlassen - bequemer Trugschluss. An Weiterbildungsangeboten jedenfalls mangelt es nicht, ob online oder offline, gut und günstig oder teuer, lang oder kurz. Fangen wir endlich an mit dem lebenslangen Lernen, entscheiden wir uns, wo wir hinwollen oder, wenn das zu schwierig ist, was wir auf keinen Fall wollen.  

In diesem Sinne verabschiede ich mich – jetzt schon – für dieses Jahr bei Ihnen, wünsche einen gesunden Jahresausklang und freue mich, wenn wir uns 2022 an dieser Stelle wiedertreffen.


Über die Kolumnistin: Gudrun Porath ist freie Journalistin. Sie beobachtet unter anderem für das Haufe Personal-Portal und die Haufe-Zeitschrift "wirtschaft + weiterbildung" die Trends auf dem E-Learning-Markt.