Auf dem deutschen E-Learning-Markt ist es ruhig. Man kennt sich, arbeitet solide und freut sich über ein bisschen Wachstum. Das ist gut. Aber ist es, auf lange Sicht, auch gut genug? International lassen Übernahmen aufhorchen, die das Geschäft verändern könnten.
In der letzten Zeit sind zwei meiner Ansicht nach wichtige Entwicklungen im internationalen E-Learning-Markt zu sehen. Erstens wachsen E-Learning und Talentmanagement mehr und mehr zusammen, zweitens manifestiert sich dieser Trend durch die Konzentration im Markt. Wohlgemerkt, fast ausschließlich im internationalen Markt.
Zahlreiche Übernahmen auf dem internationalen Markt
Ende vergangenen Jahres ging es los mit Successfactors. Deren Spezialität: Human-Capital-Management-Software in der Cloud. Das, oder besser die Cloud-Technologie, wollte SAP schon immer haben und war sich deswegen nicht zu schade, sagenhafte 3,4 Milliarden Dollar für den doch eher kleinen Spezialisten aus Silicon Valley zu bezahlen. SAP-Konkurrent Oracle ließ das nicht lange ruhen. Man zog nach und kaufte Taleo, ebenfalls ein Cloud-Spezialist im Bereich Talentmanagement.
In kleineren Dimensionen lief da schon die Übernahme des auch hierzulande gut bekannten E-Learning-Anbieters Outstart durch Kenexa.
Jetzt ist auch Kenexa Geschichte, geschluckt von der mächtigen IBM. Die Analysten Brandon Hall und Bersin & Associates, reagierten von verhalten bis schlicht begeistert und durchweg positiv. Abseits aller technischen Einzelheiten, Kundenängsten und "Wie geht es weiter?"-Prognosen war es eine kleine Anmerkung von Brian Sommer, CEO der technologischen Strategieberatung Tech-Ventive, die mir besonders aufgefallen ist. Auf dem Online-Portal zdnet.com schrieb Sommer ganz am Ende seiner Analyse des Deals den kleinen Satz: "It’s a deal that redefines how HR technology will be sold." Sommer ist überzeugt: Erst wenn HR-Software als relevant fürs Business erkannt wird, sind Unternehmen bereit, dafür wirklich viel Geld auszugeben.
Und wer kommt ran an die CEOs, um ihnen das klarzumachen? Die IBM-Berater. Wer ist der Ansprechpartner der herkömmlichen HR- beziehungsweise E-Learning-Software-Verkäufer? Die Abteilung Human Resources oder Personalentwicklung mit ihrem klassisch eher mickrigen Budget. Setzt diese Tatsache E-Learning- und Talentmanagement-Anbieter weiter unter Druck? Ja.
Die zweite aktuelle Übernahme ist in weniger großen Dimensionen zu sehen, aber dennoch interessant. Spätestens seit Skillsoft im Jahr 2010 für rund 1,1 Milliarden Dollar von einem Private Equity-Unternehmen gekauft wurde, wächst das Unternehmen kontinuierlich, unter anderem durch Übernahmen. Das bekam in dieser Woche auch Konkurrent Mindleaders (Thirdforce Group plc) zu spüren. Den hat Skillsoft mal eben gekapert und sich damit zusätzlichen Umsatz insbesondere im Bereich der Compliance-Trainings erobert. Alles nach dem Motto: Groß, größer, Skillsoft.
Was fehlt den deutschen Angeboten?
Meine Frage lautet: Warum interessieren sich Finanzinvestoren oder ein großes Unternehmen wie SAP nicht für die Technologie aus dem eigenen Land oder werden dort zumindest nicht fündig? Ist hier die Technik nicht gut genug? Sind die Konzepte und Inhalte zu langweilig, nicht zukunftsfest? Oder liegt es daran, dass die deutschsprachigen Anbieter vor allem auf den deutschsprachigen und eben nicht auf den internationalen Markt ausgerichtet sind?
Aber bitte – wo wollen unsere heimischen Anbieter denn wachsen??? Mit dem nächsten Microsoft-Rollout eines Office-Programms, für das jede Menge Standardtrainings über den Tisch geschoben werden können? Mit Trendthemen wie "Mobile Learning" und "Onboarding" oder "Coaching per App"? Einen kleinen Schimmer gibt es vielleicht beim Trend des "Game Based Learning", das Bildungskonzerne wie Cornelsen oder Klett für sich entdeckt haben. Reicht das? Für große Wachstumsphantasien wohl kaum.