In Deutschland fragt in jedem Herbst das MMB-Institut in Essen Experten danach, welche Trends in den kommenden drei Jahren das digitale Lernen bestimmen werden. Auf den ersten Plätzen erscheinen demnach Blended Learning, Videos und Erklärfilme sowie Micro Learning, knapp vor mobilen Anwendungen und virtuellen Klassenräumen. Ein datenbasiertes Format wie adaptives Lernen folgt relativ abgeschlagen auf Platz sieben. Ganz neu - knapp dahinter - folgen digitale Lernassistenten, die Lernende in Dialogform durch den Lernprozess begleiten, indem sie mündlich oder schriftlich Fragen beantworten oder an Termine erinnern.
Die Bezeichnungen „Chatbots“ und „Künstliche Intelligenz“ tauchen an dieser Stelle nicht auf, obwohl man durchaus darauf kommen könnte. Allerdings konstatieren die Autoren auch, dass es in diesem Bereich nur wenige Lernangebote ohne große Marktreichweite gebe.
Das nächste große Ding in Sachen L&D
Genau wie das MMB-Institut bereits seit Jahren deutsche Experten befragt, macht es der Brite Donald H. Taylor, Chairman des Learning and Performance Institute, mit Experten in Nordamerika, Großbritannien, Europa, Indien sowie Australien und Neuseeland. "Global Sentiment Survey" heißt die Umfrage, die 2015 zum ersten Mal publiziert wurde und in der Taylor eine einzige Frage stellt, auf die aus 15 vorgegebenen Antwortmöglichkeiten drei ausgewählt werden können: "What do you think will be hot in workplace L&D next year?" Dieses sparsame Design ist beabsichtigt, Taylor wünscht sich spontane Antworten, ohne langes Überlegen.
Tatsächlich gelingt es ihm so, von rund 2.000 Personen, die sich mit dem Thema beschäftigen und die über soziale Netzwerke oder per E-Mail dazu eingeladen wurden, ein Feedback zu bekommen. Das Gesamtergebnis der Abstimmung sieht auf den ersten drei Plätzen stark datengetriebene Lerntechnologien: Personalization/adaptive delivery, Artificial Intelligence und Learning Analytics. Gefolgt von Formaten wie Collaborative/social learning (2018 noch auf Platz 2), Micro Learning und - neu auf der Liste - Learning Experience Platforms.
L&D ist kein Vorreiter in Sachen Technik, muss sich aber damit beschäftigen
Wo im MMB-Trend also noch sehr vertraute Lernformate Spitzenplätze belegen und man sich künstlicher Intelligenz erst langsam annähert, deutet das globale Empfinden laut Taylors Auswertung möglicherweise darauf hin, was jetzt schon vermehrt in die Planung einfließen sollte, weil es auch hierzulande demnächst „hot“ ist.
Nun überstrapaziert Taylor die Bedeutung seiner Umfrage ebensowenig wie das MMB-Institut. Beide wissen wohl einzuschätzen, dass für die einen Trend ist, was bereits zum alltäglichen Geschäft gehört, während andere immer das Neue suchen. Als Vorreiter in Sachen Technik ist L&D zudem nicht bekannt. Es ist noch nicht ganz so lange her, da war genau das das Problem der Learntec und der Zukunft Personal, um nur zwei Weiterbildungsmessen zu nennen. Auf der Learntec fühlten sich die Personalentwickler nicht wohl, auf der Zukunft Personal haderten die Aussteller mit dem Publikum, weil sie sich genau die E-Learning begeisterten Personaler wünschten.
Mittlerweile wandelt sich das Bild, und das ist wichtig für alle Beteiligten. Denn auch, wenn noch nicht jeder, der sich mit der Qualifizierung von Personal befasst, ein Fan und Förderer von personalisiertem Lernen, künstlicher Intelligenz und adaptiven Lernformaten ist - es ist Zeit, sich damit zu beschäftigen. Und das ist keine Frage von Trendumfragen. Sondern eine Notwendigkeit, um den zunehmenden und immer individuelleren Weiterbildungsbedarf der Unternehmen und die Weiterbildungswünsche der Mitarbeiter in den Griff zu bekommen und zu befriedigen.
Über die Kolumnistin: Gudrun Porath ist freie Journalistin. Sie beobachtet unter anderem für das Haufe Personal-Portal und die Haufe-Zeitschrift "wirtschaft + weiterbildung" die Trends auf dem E-Learning-Markt.