Hybride Normalität – und weiter?
Am 30. August eröffnete Inga Dransfeld-Haase, Head of People & Culture bei BP Europa und Präsidentin des Bundesverbands der Personalmanager (BPM), den Personalmanagementkongress (PMK) 2021. Unter dem Motto "Wir. Gemeinsam. Jetzt." bot das Branchenforum an zwei Tagen rund 80 Speakerinnen und Speaker auf, die in Keynotes, Diskussionen und Impulsvorträgen eine Standortbestimmung der HR-Debatte boten. Im Zentrum der Veranstaltung stand die Frage nach der Gestaltung der sogenannten "neuen Normalität" in Unternehmen und Organisationen. Bereits zum zweiten Mal fand der Kongress als Hybridveranstaltung im Berlin Congress Center sowie als Livestream in Netz statt.
PMK 2021: Pandemie bringt eine Machtverschiebung
"Hybrid fühlt sich normal an", sagte Dransfeld-Haase in ihrer Eröffnungsrede. Sie freue sich über die Gelegenheit, aus ihrer "Videokonferenz-Höhle" rauszukommen. Anschließend ging sie auf die Veränderungen ein, die die Pandemie in Unternehmen ausgelöst hat. Hybride Arbeit, so Dransfeld-Haase, sei inzwischen Realität. Eigenständiges und selbstverantwortliches Arbeiten hätten dadurch einen Schub bekommen – und eine Machtverschiebung ausgelöst. Autoritäre Führungskräfte hätten vielerorts Macht eingebüßt, während sich zunehmend die Erkenntnis durchsetze, dass Teams die eigentliche Wertschöpfung generierten. In flexiblen Arbeitsmodellen entwickle sich das Büro zum Ort der Begegnung.
Employee Experience als Schlüssel zur Kundenzufriedenheit
Aus den Veränderungen leitete Dransfeld-Haase vier Handlungsfelder für HR ab: Zunächst müsse New Work als Kulturwandel verstanden werden, der ein neues Mindset und eine neue Haltung in Unternehmen voraussetze. Einzelmaßnahmen wie Homeoffice seien für einen grundlegenden Wandel unzureichend. Die Kultur, so Dransfeld-Haase, sei der Kern der Transformationsfähigkeit eines Unternehmens. Einfluss darauf hätten die Führungskräfte, denen sich HR verstärkt widmen müsse. Hybride Führung sei vielschichtiger als Videokonferenzen zu nutzen. Dazu gehöre auch, die Gesundheit der Mitarbeitenden stärker in den Fokus zu nehmen. Arbeitsverdichtung durch New Work sei ein ernstzunehmendes Risiko. Zuletzt nannte die BPM-Präsidentin noch das Trendthema "Employee Experience" als Handlungsfeld. Zufriedene Mitarbeitende seien der Schlüssel für zufriedenen Kunden.
Dransfeld-Haase: "Wir brauchen ein neues Arbeitszeitgesetz"
Dransfeld-Haase lobte außerdem die Personal- und Betriebsräte, die sich in vielen Unternehmen in der Krise bewährt hätten. "Den Schulterschluss aus der Pandemie sollten wir in Zukunft beibehalten", sagte sie. Dieser sei wichtig, um neue Betriebsvereinbarungen zu schließen, die den Arbeitsweisen der Zukunft gerecht würden. Dabei holte sie zum Seitenhieb auf die Politik aus. "Wir brauchen ein modernes Arbeitszeitgesetz, das den heutigen Lebensmodellen gerecht wird". Die Politik täte gut daran, stärker in die Mündigkeit ihrer Bürgerinnen und Bürger zu vertrauen. Konkret forderte Dransfeld-Haase eine maximale Wochenarbeitszeit anstelle einer maximalen täglichen Arbeitszeit – und leistet somit indirekt der FDP Wahlkampfhilfe, die genau diese Forderung in ihrem Wahlprogramm hat.
Workforce Transformation als Thema des Jahrzehnts
Nachdem im Vorjahr die akute Krisenbewältigung im Zentrum der HR-Arbeit stand, beschäftigen sich die Personalbereiche nun vornehmlich damit, die – teils unfreiwillig hervorgerufenen Fortschritte – zu institutionalisieren. Doch reicht das schon, um einen Gestaltungsanspruch in Unternehmen zu formulieren? Dessen Berechtigung dürfte stehen und fallen mit einer Mammutaufgabe, vor der viele Unternehmen stehen und die Dransfeld-Haase als "Thema für das Jahrzehnt" lediglich kurz anriss: die Workforce Transformation. An ihrem Gelingen wird sich der Erfolg der Unternehmen bemessen und der Wertbeitrag, den HR daran leistet.
Bundesagentur für Arbeit als heimlicher Star
Als unerwartetes Highlight entpuppte sich die Keynote von Daniel Terzenbach, Vorstand der Regionen bei der Bundesagentur für Arbeit, der über die Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt sprach. "Der Arbeitsmarkt befindet sich auf einem Erholungskurs", so Terzenbach. Gleichzeitig würde die transformationale Wirkung der Pandemie nun spürbar. Ein Verlierer der Krise sei der Ausbildungsmarkt. Dieser brauche andere Unterstützungselemente. Berufsberater konnten pandemiebedingt nicht in die Schulen, Unternehmen boten weniger Praktikumsplätze an. Das Ergebnis: 194.000 Ausbildungsstellen sind noch immer unbesetzt, obwohl die Gesamtzahlt betrieblicher Ausbildungsplätze um 14.500 Stellen auf 480.500 im Jahr 2021 gesunken sei.
Fachkräftemangel ist ein europaweites Problem
Doch nicht nur Ausbildungsstellen bleiben unbesetzt, auch der Fachkräftemangel könnte sich in den kommenden Jahren noch verstärken. Dieser sei kein deutschlandweites, sondern ein europaweites Problem. Deutlich machte Terzenbach dies am Beispiel Polens, das inzwischen an einer Kampagne arbeitet, ausgewanderte polnische Fachkräfte aus dem europäischen Ausland wieder zurückzuholen. Zeitgleich schließe Portugal eine Kooperation mit Nepal für die Einwanderung von Fachkräften. "Und wenn Deutschland ankündigt, Pflegekräfte mit Bachelorabschluss aus den Philippinen ins Land holen zu wollen, diskutieren wir als erstes darüber, wie viele Menschen wir integrieren können, bevor nur eine einzige Pflegekraft eingetroffen ist". Deutschland brauche die Einwanderungen von Fachkräften, so Terzenbach. Das sei alternativlos. "Der Arbeitsmarkt wird künftig vielfältiger und diverser werden." Dafür gab es Szenenapplaus.
Post-Pandemie: Was kommt, wenn der Druck nachlässt
Zu den weiteren Höhepunkten des Programms zählte die Diskussionsrunde "Demokratie, Gesellschaft, Post-Pandemie – wie wollen wir in Zukunft gemeinsam leben?" mit Blogger und Autor Sascha Lobo, dem FDP-Bundestagsabgeordneten Thomas Sattelberger, Social Intrapreneurin Saskia Bruysten, Nicole Gerhardt von Telefónica Deutschland und Moderator Hajo Schumacher. Hier stand unter anderem die Frage im Raum, wie Unternehmen es schaffen, nicht in den alten Trott von Präsenzkultur und Kontrolle zurückzufallen, wenn der Druck durch die akute Krise wegfällt. Gerhardt: "Wir müssen Fakten schaffen und Erfolge absichern. Aber ja - auch wir werden an manchen Stellen zurückfallen."
Personalmanagementkongress 2021: Hygienekonzept hat sich bewährt
Insgesamt hatten sich 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer für den PMK im Berlin Congress Center am 30. und 31. August 2021 angemeldet – und ebenso viele für den Digital-Pass zur Veranstaltung. Aufgrund der Abstandsregeln und angesichts der weitläufigen Räumlichkeiten des Kongresszentrums, wirkte die Zahl der Besuchenden mitunter etwas geringer. Dennoch wirkte die Veranstaltung belebter als noch im Vorjahr – möglichweise auch, weil sich Hygienekonzepte bei Veranstaltungen inzwischen bewährt haben und viele Menschen bereits geimpft sind. So schien auch das Netzwerken wieder etwas einfacher zu gelingen. Und mit steigenden Impfzahlen wächst auch die Hoffnung auf eine "Nacht der Personaler" beim PMK 2022. Denn trotz allem nimmt das Virus der persönlichen Begegnung ein Stück ihrer Leichtigkeit und Lebendigkeit.
Im Rahmen des PMK wurde auch 2021 der HR-Start-up-Award sowie der Personalmanagement Award verliehen. Hier stellen wir Ihnen eines der Gewinnerprojekte vor, die Initiative "Speckweg" von Netcologne.
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