Mit Optimismus durch die Krise
Über ein Jahrzehnt lang ging es mit der deutschen Wirtschaft nur bergauf. Wachsende Budgets erlaubten es den HR-Verantwortlichen, in Recruiting und Talentmanagement zu investieren und zahlreiche New-Work-Initiativen zu starten. Folglich beschäftigten sich auch die meisten HR-Veranstaltungen damit. Ariane Reinhart, die Vorstandsvorsitzende der DGFP, und ihre neue Geschäftsführerin Norma Schöwe setzten nun erstmals die aufziehende Wirtschaftskrise auf die Agenda – ohne diese zum Monothema zu machen. Damit bewiesen sie ein feines Gespür für Timing und Gewichtung.
#1: Vorbereitung auf die Krise
Während sich in der Öffentlichkeit derzeit noch viele Manager sich vor dem Begriff „Krise“ drücken, sprach es Reinhart gleich auf dem ersten Podium des Kongresses an: „Die Automobilbranche befindet sich mitten in der Krise.“ In der Schlüsselbranche der deutschen Wirtschaft geht das Auftragsvolumen seit Monaten zurück, vielfach laufen bereits Kostenprogramme, zu denen Arbeitszeitreduzierungen und Kurzarbeit gehören. „Wir brauchen die Instrumente aus dem Krisenkoffer“, erinnerte Norma Schöwe an Maßnahmen, die während der letzten Wirtschaftskrise entwickelt wurden. Doch viele HR-Manager, die heute an Deck stehen, sind nicht krisenerprobt. Das zeigte eine spontane Umfrage im Saal: Weniger als die Hälfte der Anwesenden gab an, über entsprechende Erfahrungen zu verfügen.
Die wirtschaftlichen Probleme der Auto- oder Maschinenbaubranchen werden überlagert von der Strukturkrise, die von der Digitalisierung getrieben wird. Reinhart plädierte deshalb dafür, den begonnenen Umbau fortzusetzen und die Krise dafür zu nutzen, die Qualifizierung der Mitarbeiter in Richtung zukunftsorientierter Geschäftsfelder voranzutreiben. Basis für die Qualifizierungsmaßnahmen sei die strategische Personalplanung des Unternehmens, aus der die Qualifikationen abgeleitet werden, die das Unternehmen künftig brauche. „Ein großer Fehler von Unternehmen sei es, Schulungen für Kompetenzen zu finanzieren, die nicht gebraucht werden. Das sei Geldverschwendung, so Reinhart.
#2: Mit neuem Leadership durch die Krise
Unter den versammelten HR-Managern ist Führung nach wie vor eines der drei Top-Themen. Die Gefahr sei derzeit groß, dass angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage wieder auf autoritäre Führungskonzepte zurückgegriffen werde, warnte Reinhart. Gleichzeitig warb sie dafür, auch Kostenprogramme und unangenehme Maßnahmen mit den Instrumenten partizipativer Führung zu entwickeln und durchzusetzen.
Heike Bruch, DGFP-Vorstandsmitglied und Professorin an der Universität Sankt Gallen, warnte in ihrer Rede vor dem „Darwinismus der Eliten“ und plädierte für eine „Werte- und Zielgemeinschaft von Unternehmen und Mitarbeitern“. Bei den Forschungen für ihre neue Studie „People Management 2025“ beobachtete sie, dass an die Führungskräfte derzeit paradoxe Anforderungen gerichtet würden. So sollen sie unter bürokratischen Bedingungen agil führen. Das Bashing gegen Führungskräfte führe derzeit dazu, dass es eine breite Versicherung in der Führung gebe.
#3: Dialog mit dem Bundesarbeitsminister
Mit Spannung wurde der Auftritt von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil am zweiten Kongresstag erwartet. Bereits in der Eröffnungsrede hatte sich Reinhart lobend zum Qualifizierungschancengesetz und dem „Gute Arbeit von Morgen-Gesetz“ geäußert. Gut gelaunt präsentierte Hubertus Heil seine Sicht auf die bevorstehenden Umwälzungen. Laut Fachkräftemonitoring des BMAS werden bis zum Jahr 2025 rund 1,3 Millionen bestehende Arbeitsplätze wegfallen, gleichzeitig aber 2,1 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen. So sieht er Deutschland für künftige Transformationen am Arbeitsmarkt gut gerüstet. Die gute wirtschaftliche Entwicklung und die gute Lage am Arbeitsmarkt habe dazu beigetragen, dass die Bundesagentur für Arbeit ausreichende Rücklagen bilden konnte. In Krisenzeiten könne man bei Bedarf darauf zurückgreifen, ohne den Haushalt zu belasten.
„Die Schicksalsfrage für den Arbeitsmarkt ist das Thema Qualifizierung“, sagte Heil und wies in diesem Zusammenhang auf das neue „Qualifizierungschancengesetz“ hin, das Unternehmen Anreize liefern soll, Mitarbeiter zu qualifizieren. So ist es seit Anfang dieses Jahres möglich, Unternehmen, die sich im Strukturwandel befinden oder bei denen es einen Fachkräfteengpass gibt, mit Mitteln der Bundesagentur für Arbeit finanziell zu unterstützen – sowohl bei den Kosten einer Qualifizierung als auch für den Arbeitsausfall in dieser Zeit. Das Gesetz erfreue sich großer Nachfrage, es habe schon viele Nutzer, sagte Heil, der auf die Forderungen von DGFP und Wirtschaft einging, das Gesetz praxisnäher auszugestalten und den bürokratischen Aufwand für Anträge zu erleichtern. Heil sieht das Gesetz als einen ersten Baustein der nationalen Weiterbildungsstrategie der Bundesregierung.
#4: "Diversität ist für mich eine Selbstverständlichkeit" sagt Janina Kugel
Ein weiteres Highlight auf der Kongressbühne war die Präsentation der Siemens-Personalvorständin Janina Kugel. „Für mich ist Diversität eine Selbstverständlichkeit. Wie sollte es denn anders funktionieren?“, so ihr klares und mit viel Beifall bedachtes Statement. Es sei erstrebenswert, eine Umgebung zu schaffen, in der jeder so sein kann, wie er ist. Und in die jeder seine ganz eigenen Erfahrungswerte einbringen kann. Diversität sei daher nicht immer lustig und mache jeden Tag Spaß. „Wir reiben uns, wir streiten, wir diskutieren – in der Sache“, berichtete Kugel. Aber damit erhalte man am Ende andere, bessere Ergebnisse. Gleichzeitig forderte sie dazu auf, selbst Entwicklungen anzustoßen. „Veränderungen können nur stattfinden, wenn wir etwas dafür tun“, appellierte Kugel an das Plenum und riet dazu, auch einmal innezuhalten und zu hinterfragen, wie man sich selbst weiterentwickeln könne.
#5: Zur Lage der DGFP
Der DGFP-Kongress erlaubt immer auch einen Einblick in den Zustand der DGFP. Inhaltlich ist die Organisation am Puls der Zeit, wie die Themen zeigten. Neben den Innovationstouren und den „Masterclasses“, die sehr gut ankamen, etablierte die DGFP mit Vorstandstalks ein neues Format, bei dem vier Dax-Vorstände (Ariane Reinhart, Bettina Volkens, Janina Kugel, Norbert Janzen) in ungezwungener Atmosphäre (und ohne Presse) befragt werden konnten. Der Zulauf war entsprechend groß.
Inhaltlich ist die DGFP wieder auf Augenhöhe mit dem Bundesverband der Personalmanager (BPM), das von Reinhart auf dem Kongress forcierte Verständnis von HR ist sogar unternehmerischer und moderner. Die DGFP ist besser in den Konzernen verankert und verfügt über das größere Netzwerk in den Unternehmen, was am Kongress nicht deutlich wird. Während der BPM 1.500 Teilnehmer zum „Personal Management Kongress“ mobilisieren konnte, waren es beim DGFP-Kongress 350. Die eigentliche Stärke der DGFP wird damit nicht sichtbar. Das hat verschiedene Ursachen, die eher mittelfristig zu beheben sind. Während der BPM seinen Kongress zu einem Jahrestreffen mit festem Termin gemacht hat, zu dem auch eine grandiose Party gehört, hat der DGFP-Kongress weder einen festen Termin im Kalenderjahr noch den Charakter eines Jahrestreffens. Auch die wechselnden Locations zeigen, dass es keine langfristig geplante und fest verankerte Veranstaltung ist, sondern eben ein Kongress wie viele andere.
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