Zwischen hochkarätiger Konferenz, Hausmesse und Festival
Es ging gut los: Sonne satt statt Hamburger Wetter. Und ein euphorisierender Musikact: Die Berthollet-Schwestern, junge Klassik-Popstars, die gerade auf Social Media gefeiert werden, machten den Anfang. Doch die Besucherreihen blieben den Tag über luftig besetzt. Parallel hatte die New Work SE rund um ihren Unternehmenssitz, zehn Minuten fußläufig von der Elphi entfernt, den Boden für Talente bereitet – mit einer "Jobmesse" und weiteren Vorträgen für Unternehmen und Bewerbungswillige. So verteilten sich die rund 2.500 Besucherinnen und Besucher, die offiziell an dem Event teilnahmen, hier und da.
New Jobs, New Perceptions und New Solutions
Das Event stand unter dem Motto "Work Forward". "Die Arbeitswelt steht vor großen Umwälzungen: Sei es der Fachkräftemangel, der sich weiter dramatisieren wird, sei es KI, die unsere Arbeitsweisen revolutioniert, sei es die junge Generation, mit der wir viele Diskussionen führen – so viel ist in Bewegung", sagte die CEO der New Work SE Petra von Strombeck. Damit hatte sie die Themenschwerpunkte umrissen, die im Programm auftauchten. New Order, New Jobs, New Perception, New Understanding, New Talent, New Hiring – die Titel der Talks und Sessions ließen keinen Zweifel daran, dass kein Stein auf dem anderen bleiben soll.
Neu streiten lernen
Die Speaker und ihre Inhalte waren hochkarätig. Als Star des Tages räumte vor allem der Auftaktredner John Bercow ab: Der ehemalige Sprecher des House of Common - bekannt für seinen durchdringenden Ruf "Ordeeerrr!!!" (Ordnung) - gewann das Publikum mit britischem Humor für sein Plädoyer, Gegensätze zu akzeptieren und sich einvernehmlich zu widersprechen. Der leidenschaftliche Krawattenträger hatte die Abschaffung des Krawattenzwangs im Britischen Parlament durchgesetzt – alte Regeln solle man über Bord werfen, wenn sie keinen Sinn ergeben. In seiner Funktion als Parlamentssprecher verstand Bercow sich als neutrale Instanz, die alle zu Wort kommen ließ, sei ihr Beitrag noch so "stupid" – eine Funktion, die vielen Unternehmen heute fehlt. Seine Schimpftirade auf Boris Johnson, der nicht in der Lage gewesen sei, den Konflikt um den Brexit zu managen und nur Gestammel von sich gebe, kommentierte er abschließend mit den Worten: "Eines Tages erzähle ich Ihnen, was ich wirklich denke".
Generationen-, Geschlechts- und Mensch-KI-Konflikte
Die vermeintlichen und echten Konflikte am Arbeitsplatz sind zahlreich und die NWX bespielte sie in allen Facetten. Über altersübergreifende Zusammenarbeit sprach die britische Generationenforscherin Dr. Eliza Filby. Prof. Dr. Heike Bruch von der Universität St. Gallen lieferte Evidenz dazu, wie sich verschiedene Generationen in Bezug auf Stressoren und Treiber der Erschöpfung unterscheiden und wie Arbeitgebende damit umgehen können. Zeit als wichtige Währung neben Geld besser zwischen den Geschlechtern zu verteilen, war das Anliegen eines Panels mit der Autorin Teresa Bücker, der Familiensoziologin Dr. Karin Jurzczyk und dem Rechts- und Politikwissenschaftler Prof. Ulrich Mückenberger.
Christian Piechnick, Gründer und CEO von Wandelbots, stellte durch Publikumsfragen fest, dass wenig Schweißer im Saal waren. Niemand wolle mehr Handwerksjobs ausführen – das Potenzial von Robotik sei riesig. Markus Gabriel, jüngster Philosophieprofessor Deutschlands, forderte wirtschaftliche Modelle, die Moral integrieren: The business of business ist, Social Wellbeing zu schaffen, meinte er. Der Autor Sascha Lobo betonte, dass KI die Effektivität von Wissensarbeitenden erhöht und Neulinge im Job mit Beschäftigten, die über eine große Berufserfahrung verfügen, gleichstellen werde. Der Neurobiologe und CEO der Benefit GmbH, Dr. Bernd Hufnagl, gemahnte das Publikum, sich an ihre Fähigkeit des Zuhörens zu erinnern und suchend zu bleiben. So funktioniere Wissenschaft und entstehe Erkenntnis, die Menschen künftig als hinterfragende Entität der künstlichen Intelligenz bräuchten.
Recruiting-Fokus weiter ausgebaut
Mehr als die Hälfte der Panels drehte sich um Fragen rund um Recruiting und Fachkräftemangel. Damit baute die New Work SE ihr im vergangenen Jahr lanciertes Narrativ "New Hiring" weiter aus. Ob ein Panel mit Cawa Younosi, Personalchef und Mitglied der Geschäftsführung von SAP Deutschland, Kerstin Wagner, Leiterin Personalgewinnung bei der Deutschen Bahn, Katharina Herrmann, Vorstand Personal und Compliance bei Hubert Burda Media, und Katrin Schwerdtner, Head of People & Culture bei Tomorrow, oder die Präsentation von Gazelle Vollhase, zuständig für Recruiting, Diversity und Inclusion bei Idealo: Der Hauptfokus der Konferenz lag darauf, wie man Menschen für Unternehmen gewinnt und sie binden kann. Viele der Recruiting-Vorträge waren zudem für Studierende sowie Bewerbungsinteressierte konzipiert und boten Tipps und Tricks für die Bewerbung oder Gehaltsverhandlung.
New Work Award als Klammer für New Work?
"Die Vokabeln von New Work können inzwischen alle", sagte Trendexpertin Birgit Gebhard als Jurymitglied des New Work Awards bei der Preisverleihung am Abend. Jeder interpretiere New Work für sich. Es brauche den Award, um das Gemeinsame herauszustellen. Auf die vordersten Plätze schafften es im Publikumsvoting die Kommunikationsagentur Serviceplan mit der Einrichtung eines Erlebnisoffice mit Activity-Based-Working-Konzept, der Verein Vereinbar 3.0, der Gründungswillige berät, eigene Coworking Spaces mit integrierter (flexibler) Kinderbetreuung zu eröffnen, sowie Smart De eG, eine Genossenschaft für Solo-Selbstständige. Die Initiatoren und Initiatorinnen des Preises dürfen sich fragen lassen, ob sie damit ihrem Anspruch gerecht werden, den Rahmen von New Work zu umreißen.
Verfranst im Allerlei
Während New-Work-Vordenkende über Fehlentwicklungen von New Work reflektieren, war hier wenig davon zu hören. Letztlich blieben viele gelungene Inspirationen auf der Metaebene, ohne konkreten Praxisbezug in Unternehmen. Wer sich erhoffte, auf der NWX herauszufinden, wo die New-Work-Szene im Moment steht oder Co-Creation-Formate vorzufinden, wurde enttäuscht. Ein neues Townhall-Event am Nachmittag in der Elbphilharmonie, das eine Debatte zu Arbeit, Wirtschaft und Gesellschaft anregte, war nur auf Einladung zugänglich und nicht Teil des offiziellen Programms. Highlights waren zweifellos die vielen guten Vorträge zur Zukunft der Arbeit und auch die hohe Dichte an prominenten Speakern. Aber ein paar Foodtrucks und eine kleine Jobmesse mit 20 vertretenen Unternehmen machen noch kein Festival. Die New Work SE wird sich künftig entscheiden müssen, was sie sein möchte: Hausmesse, (Recruiting-)Festival oder die wichtigste Konferenz für New Work.
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