Welches Gericht ist für Klagen gegen Handelsvertreter zuständig?

Für eine Klage auf Rückzahlung zu viel gezahlter Provisionsvorschüsse gegen einen Versicherungsvertreter sind die Arbeitsgerichte nur zuständig, wenn der Versicherungsvertreter als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist. Ist er selbständiger Handelsvertreter, sind die ordentlichen Gerichte zuständig. Entscheidend für die Abgrenzung ist das Gesamtbild unter Berücksichtigung der vertraglichen Gestaltung und der tatsächlichen Verhältnisse.

Hintergrund

Der Beklagte war als Versicherungsvertreter im Außendienst für die klagende Versicherungsgesellschaft tätig. Die Versicherungsgesellschaft erhob vor den ordentlichen Gerichten Klage auf Rückzahlung zu viel gezahlter Provision. Der Beklagte erklärte, er sei Arbeitnehmer. Daraufhin erklärte sich das Landgericht für unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht, ohne Beweis über die Frage der Arbeitnehmereigenschaft zu erheben. Die Klägerin legte gegen den Beschluss des Landgerichts sofortige Beschwerde zum OLG ein.

Der Beschluss des OLG München vom 09.12.2019 (Az. 7 W 1470/19)

Auf die Beschwerde hob das OLG München den Beschluss auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurück. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Beklagte tatsächlich selbständiger Handelsvertreter (und nicht wie vom Landgericht angenommen unselbständiger Arbeitnehmer) gewesen sei, hätte das Landgericht vor einer Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Beweis über die Frage der Arbeitnehmereigenschaft erheben müssen. Das Gericht dürfe sich nicht lediglich auf den Vortrag einer der Parteien stützen.

Anmerkung

Die Entscheidung ist ein weiteres Beispiel für die Bedeutung der Unterscheidung von unselbständigem Arbeitnehmer und selbständigem Handelsvertreter. Nur Arbeitnehmer unterstehen dem Schutz des Arbeitsrechts:  Der Handelsvertreter kann sich hingegen grundsätzlich nicht auf die gesetzlichen Regelungen des Sozialversicherungs- und Arbeitsrechts berufen. Streitigkeiten werden nicht vor den Arbeitsgerichten, sondern vor den ordentlichen Gerichten geführt.

Ein weiterer wichtiger Unterschied ist der Ausgleichsanspruch gem. § 89b HGB nach Beendigung des Vertragsverhältnisses. Nur der Handelsvertreter (und nicht der Arbeitnehmer) kann eine Ausgleichszahlung vom Unternehmer verlangen.

Die Abgrenzung zwischen einem selbständigen Handelsvertreter und einem unselbständigen Angestellten im Außendienst ist in der Praxis oftmals problematisch, da das Bundesarbeitsgericht für die notwendige „Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls“ lediglich grobe Anhaltspunkte bietet. Klar ist jedoch, dass formale Aspekte – wie z.B. die Bezeichnung des Vertrages als Arbeitsverhältnis, die Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Provision oder der Verweis auf Grundsätze des Arbeitsrechts bzw. des Handels- oder Gewerberechts – für die Abgrenzung kaum von Bedeutung sind.

Maßgebend ist vielmehr, wie die Parteien den Vertrag praktisch umsetzen und inwieweit eine Weisungsgebundenheit zwischen den Parteien besteht. Erstrecken sich Weisungen insbesondere auch auf Lage und Dauer der Arbeitszeiten, liegt der Status als abhängiger Arbeitnehmer nahe – umgekehrt schließt die freie Arbeitszeitgestaltung die Arbeitnehmereigenschaft aber nicht aus. Auf der anderen Seite sind das unternehmerische Risiko, eigene Arbeitsmittel sowie die Beschäftigung eigener Arbeitnehmer gewichtige Indizien für eine Selbständigkeit.

Angesichts der weitreichenden Folgen der Einordnung als Arbeitnehmer oder Selbständiger und der tlw. vagen Abgrenzungskriterien sollten Unternehmer bei der Beschäftigung von Handelsvertretern (und auch von Beratern) sowohl bei der Formulierung der vertraglichen Pflichten als auch deren Umsetzung darauf achten, dass eine Scheinselbständigkeit vermieden wird.

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Schlagworte zum Thema:  Arbeitnehmer, Handelsvertreter, Gerichtsstand