Eltern haften als Anschlussinhaber nicht für erwachsene Kinder
Der abgemahnte Beklagte lebte mit seiner Ehefrau und seinem volljährigen Stiefsohn in einem gemeinsamen Haushalt. Er war Inhaber eines Internetzugangs, den er auch seinem damals zwanzigjährigen Stiefsohn zur Verfügung stellte.
In einer späteren Beschuldigtenvernehmung bei der Polizei gestand der Stiefsohn ein, den Internetanschluss dazu benutzt zu haben, über das Tauschbörsenprogramm „BearShare“ Musik auf den Computer herunterzuladen. Eine gewisse Brisanz erhielt der Fall dadurch, dass der Beklagte selbst Polizist ist, der auch für die Verfolgung illegaler Netzkopieen zuständig ist.
Erwachsene Stiefsohn tummelt sich auf Tauschbörsen, Stiefvater abgemahnt
Vier Tonträgerhersteller, die sich in ihren Urheberrechten verletzt fühlten, mahnten den Beklagten ab und machten geltend, dass im Juni 2006 über seinen Internetanschluss 3.749 Musiktitel heruntergeladen worden und im Tauschbörsenprogramm anderen Usern zur Verfügung gestellt worden seien. Die Kläger seien dadurch in ihren Urheberrechten verletzt worden. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gab der so Abgemahnte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Er verweigerte jedoch die Zahlung der geltend gemachten Abmahnkosten in Höhe von 3.454,60 EUR.
Verurteilung des Users durch LG und OLG wegen kausaler Mitverursachung
LG und OLG gaben der Klage im Wesentlichen statt. Nach Auffassung der Berufungsinstanz war der Beklagte dafür verantwortlich, dass sein zwanzigjähriger Stiefsohn an Urheberrechtsverletzungen über Tauschbörsenbörsen teilgenommen hatte.
- Indem er seinem (Stief-)sohn den Internetanschluss zur Verfügung gestellt habe, habe er die Gefahr für Urheberrechtsverletzungen geschaffen.
- Auch ohne konkrete Anhaltspunkte für mögliche Urheberrechtsverletzungen hätte er nach Auffassung des OLG seinen Sohn über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme ein Tauschbörsen aufklären und ihm die Nutzung rechtsverletzenden Programme untersagen müssen.
- Durch Verletzung dieser Aufklärungspflicht habe der Beklagte die Urheberrechtsverletzung kausal mitverursacht.
OLG wollte keine Revision zulassen, da zog der Stiefpapa zum BVerfG
Das OLG hatte die Revision gegen sein Urteil ohne nähere Begründung nicht zugelassen. Die hiergegen vorgebrachte Anhörungsrüge führte nicht zur Revisionszulassung. Darauf suchte der Beschwerdeführer Hilfe beim höchsten deutschen Gericht und bekam sie. Für die Verfassungsrichter war nicht nachvollziehbar, dass der OLG-Senat ohne nähere Begründung keine Revision gegen sein Urteil zugelassen hatte.Die Verfassungsrichter wiesen das OLG darauf hin, dass es die Nichtzulassung der Revision hätte begründen müssen. Eine Begründungsobliegenheit bestehe insoweit, als das BVerfG in die Lage versetzt werden müsse, zu prüfen, ob das Gericht ein Rechtsmittel ineffektiv gemacht habe. Dies gelte besonders dann, wenn die Zulassung des Rechtsmittels nach der konkreten Fallkonstellation nahe gelegen habe. Der Polizist / Stiefvater bekam sein Rechtsmittel und es hatte Erfolg.Viele Eltern werden es ihm gedanklich danken.
BGH bremst Abmahnanwälte aus
In einer wegweisenden Entscheidung hat der BGH den Abmahnern eine klare Grenze gesetzt. Die Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Familienangehörige sei üblich und beruhe auf familiärer Verbundenheit. Das familiäre Vertrauensverhältnis verpflichte einen Anschlussinhaber auch nicht, einem eigenverantwortlichen, volljährigen Familienmitglied Belehrungen zu erteilen oder dessen Tun zu überwachen.
Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Anschlussinhaber keinerlei Anlass habe, ein rechtswidriges Handeln des Familienmitglieds zu befürchten. Ein solcher Anlass sei für den Beklagten nicht ersichtlich gewesen, da keinerlei anderweitige Abmahnungen vorangegangen waren. In einem solchen Fall bestehe keine Störerhaftung des Anschlussinhabers für ein volljähriges Familienmitglied.
Begrenzungseffekt für Massenabmahnungen
Durch seine Entscheidung hat der BGH das ausufernde Treiben der Abmahnanwälte insoweit eingeschränkt, als diese bisher bei Downloads im Filesharingverfahren den Störer ohne weiteres in Anspruch nehmen konnten. Eine Ausnahme ließ der BGH im sog. Morpheusfall lediglich bei minderjährigen Familienangehörigen zu, wenn diese ausführlich über die Rechtswidrigkeit eines Filesharing -Downloads belehrt wurden und keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der Minderjährige den Anschluss für rechtswidrige Downloads missbrauchen würde (BGH, Urteil v. 15.11.2012, I ZR 74/12). Mit der aktuellen Entscheidung hat der BGH die scheinbar unausweichliche Störerhaftung deutlich eingeschränkt und der „Abmahnindustrie“ einen Dämpfer verpasst.
(BGH, Urteil v. 08.01.2014, I ZR 169/12).
Fazit: Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass nach derzeitiger Rechtsprechung ein Anschlussinhaber für illegale Downloads
- eines erwachsenen Familienmitglieds nicht haftet und grundsätzlich auch keine Belehrungspflicht besteht
- eines minderjährigen Familienmitglieds nicht haftet unter der Voraussetzung, dass er dieses über die Rechtslage belehrt hat.
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