Können unterhaltspflichtige Eltern den Unterhalt kürzen, weil der Sohn neben dem Studium jobbt?
Über diese Fragen hatte das OLG Hamm zu befinden und diese in fast salomonischer Weise beantwortet.
Sich regen bringt Segen: Kein Bettelstudent
Ein 21 Jahre alter Student, 3. Semester, lebte im Haushalt seiner Mutter. Den von seiner Mutter geschiedenen Vater nahm er auf Unterhalt in Anspruch. In einer notariellen Urkunde war der Kindesunterhalt bereits aus Anlass der Scheidung festgelegt worden.
Der Student begehrte eine angemessene Erhöhung aufgrund seines gestiegenen Lebensbedarfs. Der Vater wandte insbesondere ein, der Student müsse sich seinen Eigenverdienst von ca. 300 EUR monatlich aus einer Aushilfstätigkeit in einem Supermarkt anrechnen lassen.
Keine Arbeitsverpflichtung neben dem Studium
Nach Auffassung des OLG-Senats war der Unterhalt gemäß § 239 FamFG infolge geänderter Lebensumstände zu Gunsten des Antragstellers abzuändern. Fraglich war, in welcher Höhe.
Ausgangspunkt für die Beurteilung war § 1601 BGB. Danach konnte der Antragsteller nach Auffassung der Richter von seinen Eltern, die beide über unterhaltspflichtiges Einkommen verfügten, grundsätzlich Unterhalt für seinen gesamten Lebensbedarf verlangen.
Studium ist ein „Fulltime-Job“
Es könne von einem Studenten eine neben dem Studium auszuübende Arbeitstätigkeit nicht gefordert werden. Das Studium sei grundsätzlich ein „Fulltime-Job“, und verlange den gebündelten Einsatz aller dem Studenten zur Verfügung stehenden Kräfte, um das Studium zügig zum Ziel führen zu können.
Anrechnung nach Billigkeitsgesichtspunkten
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kann Einkommen aus einer überobligatorischen Aushilfstätigkeit im Einzelfall aus Gründen der Billigkeit entsprechend § 1577 Abs. 2 S. 2 BGB dennoch anrechenbar sein (BGH, Urteil v. 25.01.1995, XII ZR 240/93). Hierbei ist stets eine umfassende Abwägung aller für und gegen eine Anrechnung sprechenden Umstände vorzunehmen.
Gegen eine Anrechnung sprechende Gründe
Gegen die Berücksichtigung des Eigenverdienstes des Studenten können nach Auffassung des OLG-Senats folgende Gründe sprechen:
Wenn der Student vor allem deshalb eine Arbeit aufgenommen hat, weil der Unterhaltsverpflichtete nicht oder nicht regelmäßig oder ausreichend Unterhalt geleistet und damit den Unterhaltsberechtigten zur Aufnahme der überobligatorischen Tätigkeit gedrängt hat. Dies war im anhängigen Verfahren nicht der Fall.
Wenn der Unterhaltsverpflichtete – wie hier - ohne eine Beeinträchtigung seines eigenen, angemessenen Selbstbehalts ohne weiteres zur Leistung des vollen Unterhalts in der Lage ist.
- Wenn der Unterhaltsberechtigte zu Gunsten des Unterhaltsverpflichteten großzügig die Berücksichtigung von monatlichen finanziellen Belastungen des Unterhaltsverpflichteten (hier: Darlehensraten für ein Eigenheim, großzügige Altersvorsorge) zugelassen hat.
Für eine Anrechnung sprechende Gründe
Hauptgrund für eine Anrechnung ist nach Auffassung der Richter eine durch die überobligatorischen Arbeitsleistungen und die damit einhergehende zeitliche Beanspruchung verursachte Verlängerung der Studienzeit. Diese Gefahr bestand wegen der nur geringfügigen zeitlichen Beanspruchung des Studenten durch die Aushilfstätigkeit nicht.
Zweiter wesentlicher Grund kann ein reduzierter Unterhaltsbedarf infolge besonderer Verhältnisse des Studenten sein. Eine solche Besonderheit sahen die Richter vorliegend in dem Umstand, dass der Student im Haushalt seiner Mutter lebte und hierdurch in seiner Lebensführung nicht unerhebliche Einspareffekte zu erwarten waren.
Gesamtabwägung
Unter Berücksichtigung des weiteren Umstandes dass die Eltern des Studenten in hohe Einkommensgruppen (10 bzw. 9) einzustufen waren und der Unterhalt über dem Regelsatz für im eigenen Haushalt lebende Studenten in Höhe von 670 EUR lag, war nach Auffassung der Richter eine maßvolle Anrechnung des Zusatzverdienstes angemessen.
Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass mit fortschreitender Semesterzahl die Anforderungen des Studiums sich erhöhen und der Student den Umfang seiner Aushilfstätigkeit voraussichtlich sukzessive würde reduzieren müssen. Der Senat hielt unter Abwägung sämtlicher Umstände eine Anrechnung von einem Drittel (ca. 100 EUR) des Eigeneinkommens für angemessen. Im Ergebnis wurde der notariell vereinbarte Unterhalt des Studenten deutlich erhöht.
(OLG Hamm, Beschluss v. 10.09.2012, II – 14 UF 165/12).
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