Widerruf einer gemischten Schenkung wegen groben Undanks

Der BGH hat an einem nicht untypischen Fall die Voraussetzung eines Schenkungswiderrufs konkretisiert.
Eltern beschenkten ihren Sohn mit Immobilien
In dem entschiedenen Fall hatten die Eltern an ihren Sohn im Jahre 1994 mehrere Grundstücke, u.a. einen Miteigentumsanteil an einem Hofgrundstück, übertragen. An diesem Hofgrundstück behielten sie sich ein lebenslanges Wohnrecht an der Wohnung im zweiten Obergeschoss vor. Im notariellen Übertragungsvertrag hatte sich der Sohn verpflichtet, an seine Geschwister Ausgleichszahlungen in Höhe von insgesamt 400.000 DM zu erbringen. Die Zahlung sollte zwei bzw. drei Jahre nach dem Tod des Längstlebenden der Eltern fällig sein.
Streitigkeiten gipfelten in einer körperlichen Auseinandersetzung
Später kam es zu Streitigkeiten zwischen den Parteien, die im November 2006 in einer verbalen und sogar körperlichen Auseinandersetzung gipfelten. Einige Tage später erklärten die Eltern gegenüber ihrem Sohn wegen dieses und weiterer Ereignisse den Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks. Sie begehrten die Rückübertragung der überlassenen Grundstücke.
Widerruf auch bei gemischter Schenkung möglich
Der BGH stellte zunächst klar, dass die Übertragungsverträge als gemischte Schenkung zu qualifizieren sind. Die geschuldete Gegenleistung in Form der Ausgleichszahlung an die Geschwister, die erst nach dem Tode des Letztversterbenden zu erfüllen ist, erreicht bei weitem nicht den Wert der übertragenen Grundstücke von 1,5 Millionen Euro.
Bei einer solchen erheblichen Diskrepanz ist davon auszugehen, dass die Wertdifferenz unentgeltlich zugewendet werden sollte.
Wert der Gegenleistung weniger als die Hälfte Geschenkwertes
Bei dem Widerruf einer gemischten Schenkung kann die Rückübertragung der überlassenen Grundstücke gemäß § 531 Abs. 2 BGB dann verlangt werden, wenn der Wert der Gegenleistung weniger als die Hälfte des effektiven Wertes des Geschenkes betrug. Diese Voraussetzung hat der BGH im vorliegenden Fall vor allem deshalb bejaht, weil die Gegenleistung noch nicht fällig war, sondern erst nach dem Tode der Eltern erbracht werden sollte.
Anforderungen an den Inhalt der Widerrufserklärung sind gering
Des weiteren setzt der BGH sich mit der Frage auseinander, welchen Inhalt die Widerrufserklärung haben muss. Die Eltern hatten in ihrem Widerrufsschreiben nicht im Detail rechtlich begründet, warum die Voraussetzungen für einen Schenkungswiderruf ihrer Auffassung nach gegeben sind.
Der BGH stellte klar, dass § 531 Abs. 1 BGB keine umfassende rechtliche Begründung des Widerrufs verlangt. Vielmehr muss die Erklärung nur den zugrunde liegenden Sachverhalt enthalten, damit der Beschenkte ihn von anderen Geschehnissen unterscheiden und erkennen kann, welche Vorfälle gegebenenfalls nicht Anlass für den Widerruf waren.
Frage der Wirksamkeit hängt von allen Umständen des Einzelfalls ab
Ob der dargestellte Sachverhalt dann tatsächlich ausreicht, um wirksam den Widerruf zu erklären, bleibt einer rechtlichen Prüfung vorbehalten.
- Objektiv ist hierfür eine Verfehlung des Beschenkten von gewisser Schwere erforderlich.
- In subjektiver Hinsicht muss die Verfehlung Ausdruck einer Gesinnung des Beschenkten sein, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt, die der Schenker erwarten kann.
Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist eine Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Insbesondere sind auch die näheren Umstände zu untersuchen, die zu der Schenkung geführt und deren Durchführung bestimmt haben. Ferner kann der persönlichen Beziehung zwischen Schenker und Beschenktem Bedeutung zukommen, insbesondere wenn diese von einer besonderen Verantwortlichkeit des Beschenkten gegenüber dem Schenker geprägt ist.
Wie ist das Undank-Verhalten einzuordnen?
Auf der subjektiven Seite hat eine Auseinandersetzung mit den emotionalen Aspekten zu erfolgen, die dem Geschehen zugrunde liegen, das Anlass für den Widerruf der Schenkung war. In dem Zusammenhang kommt es auch darauf an, ob der Beschenkte im Affekt gehandelt hat oder ob sich sein Verhalten als geplantes, wiederholt auftretendes, von einer grundlegenden Antipathie geprägtes Vorgehen darstellt. Für ein affektbedingtes Handeln kann von Bedeutung sein, wie sich der Schenker unmittelbar zuvor verhalten hat.
Schenker hatte provoziert
Im entschiedenen Fall hatte der Vater seinen Sohn zuvor durch sein Verhalten provoziert und damit zur Eskalation beigetragen. Da die Eltern sich auf dem übertragenen Hofgrundstück selbst ein Wohnungsrecht vorbehalten hatten, das ein Näheverhältnis begründete, hielt der BGH es für ein gedeihliches Zusammenleben für erforderlich, dass beide Parteien Rücksicht aufeinander nehmen. Lässt das Verhalten des Vaters aber ebenfalls die gebotene Rücksichtnahme vermissen, dann bedarf es näherer Untersuchung, ob die Reaktion des Sohnes - selbst wenn sie objektiv unangemessen ist – in subjektiver Hinsicht als undankbare Haltung angesehen werden kann. Dies könnte im Einzelfall zu verneinen sein, wenn es eine spontane, affektgesteuerte Reaktion in einer eskalierenden Auseinandersetzung war, bei der der Schenker in vergleichbarer Weise zur Eskalation beigetragen hat.
Der BGH hielt hierzu weitere Feststellungen für erforderlich und hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
(BGH, Urteil vom 22.10.2019, X ZR 48/17).
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Hintergrund: Grober Undank
Die Annahme einer schweren Verfehlung im Sinne des § 530 Abs. 1 BGB unterliegt strengen Anforderungen. Sie setzt objektiv ein gewisses Maß an Schwere und subjektiv eine tadelnswerte Gesinnung, die einen Mangel an Dankbarkeit erkennen lässt, voraus.
Dabei kann die einem Verhalten des Beschenkten zugrundeliegende Gesinnung nur einzelfallbezogen beurteilt werden; es kommt insbesondere auf die Begleitumstände und die Beweggründe an, die den Beschenkten im konkreten Fall zu dem zum Anlass des Widerrufs gemachten Verhalten geführt haben. Eine umfassende Würdigung aller Tatumstände ist deshalb geboten (BGH, Urteil v. 11.07.2000, X ZR 89/98). Beispielsweise kann ein Fehlverhalten des Schenkers die Verfehlungen des Beschenkten zwar grundsätzlich nicht rechtfertigen, aber in einem milderen Licht erscheinen lassen und gegebenenfalls einen Widerruf der Schenkung ausschließen (BGH, Urteil v. 24.03.1983, IX ZR 62/82).
Liegen die Voraussetzungen eines groben Undanks vor, erfolgt der Widerruf gem. § 531 Abs. 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem Beschenkten. Ist diese erfolgt, kann die Herausgabe des Geschenks gem. § 531 Abs. 2 BGB nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung gefordert werden.
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