Der BGH stellte klar, wann einem Verfahrensbeteiligten wegen einer überlangen Dauer eines Zivilprozesses ein Amtshaftungsanspruch gegenüber dem Staat zusteht. Es sei dabei der Zeitfaktor aber nicht der allein entscheidende Maßstab.

Manches Jahr hab ich geklagt: Zivilprozess dauerte 18 Jahren

In dem zugrunde liegenden Fall betrieb der Kläger eine Transportfirma, welche 1981/82 für  eine Baufirma als Subunternehmer tätig war. Der Kläger erhob gegen diese im Jahre 1984 Klage auf Zahlung des restlichen Werklohns. Der Rechtsstreit zog sich über mehrere Jahre hin.

Ursache dafür war, dass das zunächst vom Landgericht erlassene Grundurteil mit Berufung und Revision von der Beklagten angegriffen wurde. Des Weiteren musste das Landgericht nach Rechtskraft des Urteils in dem anschließenden Betragsverfahren umfänglich Beweis zur Höhe des Vergütungsanspruchs erheben. Der Klage wurde danach teilweise stattgegeben, gegen das Urteil legten beide Parteien Berufung ein.

 

Beklagte fiel während des Vorprozesses in Insolvenz

Während des Berufungsverfahrens geriet das beklagte Bauunternehmen in Insolvenz. Wegen Masseunzulänglichkeiten hatte der Kläger keine Chance auf Durchsetzung seiner restlichen Vergütungsansprüche. Der Kläger war der Ansicht, dass die Gerichte im Vorprozess das Verfahren nicht ausreichend gefördert hätten.

 

Richterspruchprivileg umfasst alle prozessleitenden Maßnahmen

Nach der Auffassung des BGH ist ein Amtshaftungsanspruch nur dann gegeben, wenn dem Richter eine Rechtsbeugung vorzuwerfen sei. Für Fehlurteile scheide daher eine Inanspruchnahme des Staates praktisch aus. Dabei umfasse das Richterspruchprivileg alle Maßnahmen, die objektiv darauf gerichtet sind, die Rechtssache durch Urteil zu entscheiden. Ein Beweisbeschluss oder ein richterlicher Hinweis stehe mit dem Urteil in einem so engen Zusammenhang, dass diese haftungsmäßig nicht getrennt werden könnten.

 

Richterliches Verhalten ist nur auf seine Vertretbarkeit hin zu überprüfen

Bei der Würdigung, ob dem Richter eine pflichtwidrige Verzögerung vorwerfbar sei, sei zu berücksichtigen, dass sich bei zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts, sich um eine nachhaltige Prozessbeschleunigung und -förderung zu bemühen, verdichtet.

(BGH, Urteil v. 4.11.2010, II ZR 32/10)

 

Praxishinweis: Die Bundesregierung plant ein Gesetz für einen verbesserten Rechtsschutz bei überlanger Verfahrensdauer bei Gerichts- und Ermittlungsverfahren (BT-Drucks. 1738/02). Dieses sieht eine Entschädigungspflicht für die Verfahrensbeteiligten vor, die infolge einer unangemessen Prozessdauer einen Nachteil erleiden. Dadurch werde sich die Frage der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung des Urteils völlig neu stellen, so der BGH.