Es gibt keinen Mindestlohn für angestellte Anwälte
Ist keine bestimmte Vergütung vereinbart, muss der Arbeitgeber gemäß § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung zahlen. Nach unten hin bietet § 138 BGB eine sichere Grenze, die dort verläuft, wo die anwaltliche Leistung und die pekuniäre Gegenleistung in einem groben Missverhältnis zueinander stehen.
Mindestlohn, nicht nur im Koalitionsvertrag ein Thema?
Das Thema Lohndumping betrifft leider nicht mehr nur Schlachthöfe und Malerbetriebe, die unter Verweis auf osteuropäische Konkurrenten Billiglöhne rechtfertigen. Auch im akademischen Bereich wird an allen Ecken und Enden gespart. Entweder werden junge Mitarbeiter nur befristet eingestellt oder deren Arbeitsleistung wird als Traineetätigkeit umetikettiert mit dem Ziel, auf diese Weise ein juristisch nicht angreifbares niedrigeres Gehalt zahlen zu können. Dass diese Rechnung im Anwaltsbereich nicht aufgeht, hat der Bundesgerichtshof schon vor einigen Jahren klargestellt (Beschluss v. 30.11.2009, AnwZ (B) 11/08).
Stellenanzeige geschaltet „Traineestelle für junge Anwältinnen/Anwälte"
Ein Anwalt hatte auf der Homepage der Bundesagentur für Arbeit eine Stellenanzeige geschaltet, mit der eine „Traineestelle für junge Anwältinnen/Anwälte" angeboten wurde. Die Anzeige enthielt im Anschluss an eine Darstellung des Trainee-Programms folgenden Text: „Der Trainee wird in ein auf zwei Jahre befristetes Angestelltenverhältnis inklusive sämtlicher Sozialversicherungen übernommen. Wir übernehmen zusätzlich die Kosten für die Berufshaftpflicht und die Anwaltskammer. Daneben übernehmen wir noch anfallende Fahrtkosten, die aus dienstlichem Anlass erfolgen. Wir unterstützen den jungen Anwalt auch bei Fortbildungsveranstaltungen durch Übernahme der Seminargebühren. Wir zahlen als Grundvergütung ein Gehalt, welches ein wenig über dem Referendargehalt liegt. Zusätzlich wird eine Umsatzbeteiligung an denjenigen Mandaten gewährt, die der Trainee selbst akquiriert."
2.300 Euro brutto sind angemessen
Sowohl die zuständige Rechtsanwaltskammer wie auch am Ende der Bundesgerichtshof hielten schon diese Ankündigung für rechtswidrig. Das öffentliche Anbieten solcher Beschäftigungsverhältnisse gefährde das Ansehen der Rechtsanwaltschaft und sei dazu geeignet, andere Berufsträger zu einem vergleichbaren Verhalten zu ermutigen, mahnen die Bundesrichter. § 26 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b BORA schreibe zwar keinen bestimmten „Mindestlohn" für angestellte Rechtsanwälte vor - die Vergütung müsse aber der Qualifikation, den Leistungen und dem Umfang der Tätigkeit des Beschäftigten und den Vorteilen des beschäftigenden Rechtsanwalts aus dieser Tätigkeit entsprechen.
Die vom Antragsteller in Aussicht gestellte Grundvergütung sollte nach dem Inhalt der Stellenanzeige „ein wenig über dem Referendargehalt" liegen. Nach Lesart des Bundesgerichtshofs ist darunter ein Betrag zu verstehen, der allenfalls unwesentlich über 1.000 EUR liegt. Gestützt auf eine Dokumentation der Bundesrechtsanwaltskammer, ein Gutachten des Instituts für Freie Berufe Nürnberg, einer Studie des Soldan-Instituts für Anwaltsmanagement und aufgrund weiteren Datenmaterials stellten die BGH-Richter fest, dass das durchschnittliche Einstiegsgehalt eines angestellten Rechtsanwalts ohne besondere Spezialisierung, ohne besondere Zusatzqualifikation und ohne Prädikatsexamen im Jahr 2006 rund 2.300 EUR brutto für eine Vollzeitstelle betragen hat.
Lohn muss mindestes 2/3 des Branchenschnitts erreichen
Damit stand der Gesamtwert der in der Stellenanzeige in Aussicht gestellten Leistungen zu dem branchenüblichen Einstiegsgehalt in einem auffälligen Missverhältnis i.S. von § 138 BGB. „Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil v. 22.4.2009, 5 AZR 436/08, DB 2009, 1599) ist ein auffälliges Missverhältnis zwischen der erbrachten Arbeitsleistung und der hierfür vereinbarten Vergütung schon dann anzunehmen, wenn diese nicht einmal zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns oder - wenn ein Tariflohn nicht existiert oder nicht der verkehrsüblichen Vergütung entspricht - des allgemeinen Lohnniveaus in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet erreicht“, betonte das Gericht, das es im Übrigen ablehnte, wegen des „Trainee-Programmes“ einen Vergütungsabschlag vorzunehmen.
Der Grund: Das Programm war auf zwei Jahre befristet und eine Übernahme des Trainees wurde ausdrücklich ausgeschlossen. Das Programm habe eben nicht darauf aufgezielt, den angestellten Rechtsanwalt langfristig zu einem vollwertigen Mitarbeiter aufzubauen, der die erworbenen Fähigkeiten möglichst lange zum Nutzen der Kanzlei einsetzt, so der Bundesgerichtshof.
Dunkelziffer dürfte hoch sein
In Sachen angemessener Vergütung tut sich die Anwaltsbranche jenseits der Großkanzleien und gut laufender Boutiquen schon lange schwer. Junge Anwälte beißen da lieber in den sauren Apfel als vermeintliche Berufschancen zu verpassen. Doch diejenigen Kanzleien, die ihren Nachwuchs oder ihre angestellten Anwälte schlecht bezahlen, müssen sich schon die Frage gefallen lassen, ob ihr Geschäftsmodell mehr auf Ausbeutung geistiger Zuarbeiter basiert oder wirklich (trauriges) Ergebnis eines professionell erstellten, aber an der Realität gescheiterten Businessplans ist.
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