Interprofessionelle Zusammenarbeit - für Anwälten ein Tabu oder eher eine Chance?


Ist interprofessionelle Zusammenarbeit für Anwälten ein Tabu?

Auch wenn das BVerfG kürzlich den § 59a der BRAO für teilweise verfassungswidrig erklärt hat, dürfte das anwaltliche Gesellschaftsrecht ein Closed Shop bleiben. Die Zusammenarbeit mit nicht verkammerten Berufen bleibt ein Tabu. Auch bei Anwälten ist die Angst vor aufmüpfigen Heuschrecken und branchenfremden Quertreibern längst nicht überwunden. Doch jüngere Anwälte sind offener für zukunftsweisende Zusammenarbeitsmodelle.

§ 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO ist nach Ansicht der Verfassungsrichter insoweit verfassungswidrig und nichtig, als er Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten verbietet, sich mit Ärztinnen und Ärzten sowie mit Apothekerinnen und Apothekern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung in einer Partnerschaftsgesellschaft zu verbinden.

Sozietätsverbot darf nicht unverhältnismäßig in Berufsfreiheit eingreifen

Nachdem der Gesetzgeber den Zusammenschluss von Rechtsanwälten mit anderen Berufsgruppen - insbesondere mit Patentanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern - in einer Partnerschaftsgesellschaft zugelassen habe, berge eine interprofessionelle Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern keine so wesentlichen zusätzlichen Risiken für die Einhaltung der anwaltlichen Berufspflichten, dass dies eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigte (1 BvL 6/13). Doch wie relevant ist diese Möglichkeit für die anwaltliche Praxisß

Keine wirkliche Verbesserung beim anwaltlichen Gesellschaftsrecht

Das anwaltliche Gesellschaftsrecht erlaubt damit nach wie vor nur verkammerten Berufen die enge gesellschaftsrechtliche Verbindung. Und das auch nur dann, wenn die Gesellschafter aktiv in der Sozietät mitarbeiten. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Closed Shop zwar insoweit gesprengt, als auch Ärzte und Apotheker mit Anwälten eine Gesellschaft gründen können.

  • Doch mit nicht verkammerten Berufen  können Anwälte allenfalls eine Kooperation oder ein Netzwerk bilden. 
  • Eine langfristige betriebswirtschaftliche Planung neuer Dienstleistungen aus einer Hand wird damit wesentlich erschwert.
  • Das Bundesverfassungsgericht hätte sich in einem Obiter Dictum weiter aus dem Fenster lehnen können – diese Chance hat das Gericht leider verpasst. 

Wenig Aufbruchinteresse innerhalb der Anwaltschaft

Obwohl sie damit den Nachteil eingehen, im Krisenfall nicht auf externe Kapitalgeber jenseits restriktiver Bankdarlehen zurückgreifen zu können, erfährt die Zurückhaltung bei der interprofessionellen Zusammenarbeit erstaunlicherweise die Zustimmung der Mehrheit der Anwälte.

  • So haben sich bei einer Befragung des Soldan Instituts im Rahmen des Berufsrechtsbarometers von April bis Juli 2015 62 Prozent gewünscht, dass sich an dem derzeitigen Status Quo zur Sozietätsfähigkeit verschiedener Berufe nichts ändern würde.
  • Danach dürften lediglich 31 Prozent die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts begrüßen, nach der sich nun Anwälte auch mit Ärzten oder Apothekern zusammenschließen dürfen. Sie gaben bei der Befragung an, dass sie eine Lockerung in der Möglichkeit fachübergreifender Zusammenarbeit befürworten würden.
  • 7 Prozent hatten sich hingegen noch gar keine Meinung zu diesem Thema gebildet.

Bei der Befragung kam allerdings auch heraus, dass dieses Thema die Generationen spaltet: Je jünger die Anwälte sind, umso eher befürworten sie weitergehende Lockerungen im anwaltlichen Gesellschaftsrecht.


Fazit:  Kanzleimanager sollten sich nicht blenden lassen: Dem mit anderen auch nicht verkammerten Berufen vernetzte Anwalt gehört die Zukunft. Denn mit fortschreitender Digitalisierung verschwimmen traditionelle Grenzziehungen zusehends. Echter Nutzwert ist gefragt. Wenn die Anwälte das nicht selbst in die Hand nehmen, werden sie am Ende von branchenfremden Dienstleistern überrollt.