Kein Fachanwalt, aber „Spezialist für Familienrecht“?

Unwissend oder dreist? Ein Anwalt, der keinen Fachanwaltstitel für Familienrecht besaß, beförderte sich auf dem Briefkopf kurzerhand zum „Spezialist für Familienrecht“. Kammer und OLG Karlsruhe verboten ihm das und verwiesen dazu auch auf den Duden.

Der beklagte Anwalt hatte sich bis zuletzt mit Händen und Füßen gegen ein Werbeverbot gewehrt. Es liege keine irreführende Werbung vor, da seine Qualifikation der Verkehrserwartung an einen „Spezialisten" genüge. Entscheidende Kriterien seien weit den Durchschnitt der Rechtsanwälte übersteigende Erfahrung und Kenntnisse. In dem fraglichen Fall würden die Voraussetzungen für den Erwerb des Fachanwalts bei Weitem übertroffen.

Toller "Familienrechts"-Hecht

Der Beklagte verfüge bei einer 30-jährigen Berufstätigkeit mit ca. 130 Fällen im Jahr aus dem familienrechtlichen Bereich über große praktische Erfahrung. Daneben könne der Nachweis theoretischer Kenntnisse nicht zusätzlich verlangt werden. Bei der Bezeichnung als „Spezialist" handele es sich aus Sicht der betroffenen Verkehrskreise ganz offensichtlich um eine bloße Selbsteinschätzung. Die Anforderungen an einen Fachanwalt könnten jedenfalls nicht als Maßstab für die Qualifikation eines „Spezialisten" herangezogen werden. Das rechtssuchende Publikum kenne im Regelfall die Anforderungen an den Erwerb einer Fachanwaltschaft nicht.

Gericht sieht Verwechselungsgefahr: Unterlassungsanspruch der Kammer besteht

Das alles hielten die Karlsruher Richter für nicht stichhaltig.  Die Bezeichnung „Spezialist für Familienrecht" sei wettbewerbswidrig, weil damit die Gefahr einer Verwechslung mit der Fachanwaltsbezeichnung "Fachanwalt für Familienrecht" begründet werde.

  • Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch stehe der klagenden Anwaltskammer wegen der Verwechslungsgefahr nach § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. den §§ 3, 4 Nr. 11, 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG i.V.m. § 43 b BRAO und § 7 Abs. 2 BORA zu.
  • Nach § 7 Abs. 2 BORA sind Benennungen nach § 7 Abs. 1 BORA unzulässig, soweit sie die Gefahr einer Verwechslung mit Fachanwaltschaften begründen.

Die vom Beklagten gewählte Bezeichnung „Spezialist für Familienrecht" ist nach Ansicht des Gerichts verwechslungsfähig mit der Bezeichnung „Fachanwalt für Familienrecht". Der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, welcher der Situation die angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt, sei nicht in der Lage, hinreichend zwischen einem Fachanwalt und einem Spezialisten zu unterscheiden. Der angesprochene Verkehr kenne die Voraussetzungen, an die das Führen einer Fachanwaltsbezeichnung geknüpft ist, im Regelfall nicht und könne deshalb auch nicht zwischen den genannten Bezeichnungen unterscheiden.

Gericht zitiert aus Duden: Fachmann = Fachanwalt = Spezialist

Zwischen beiden Bezeichnungen bestehe zudem eine große sprachliche Nähe. „In Duden online werden als Synonyme für den Begriff "Spezialist" u.a. auch „Fachmann" oder „Mann vom Fach" genannt. Die Bedeutung des Wortes Fachanwalt wird in Duden online wie folgt definiert: „Rechtsanwalt, der auf ein bestimmtes Fachgebiet spezialisiert ist", zitierten die Karlsruher Oberlandesrichter.

Im Hinblick auf den Zweck von § 7 Abs. 2 BORA, dass der Verbraucher verlässlich zwischen den auf eigener Entscheidung des Anwalts beruhenden Angaben und der Fachanwaltsbezeichnung unterscheiden können muss, sei auf Fachgebieten, für welche die Möglichkeit einer Fachanwaltschaft besteht, für eine Bezeichnung als „Spezialist für ..." kein Raum. Da dem Beklagten andere Möglichkeiten zur Verfügung stünden, seine Spezialisierung unter Wahrung eines hinreichend sprachlichen Abstands zum Fachanwalt zum Ausdruck zu bringen, habe sein Interesse, gerade mit dem irreführenden Begriff  „Spezialist für Familienrecht" zu werben, zurückzustehen. 

(OLG Karlsruhe, Urteil vom 1. 3. 2013, 4 U 120/12).

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