Radler aufgepasst! Fußgänger gehen auf dem gemeinsamen Rad- und Gehweg vor
Die frühlingshaften Temperaturen locken nicht nur die Blumen aus der Erde; auch die Fahrradfahrer zieht es wieder nach draußen. Rechtzeitig zur diesjährigen Eröffnung der Fahrradsaison ist jetzt ein Urteil veröffentlicht worden, dass sich mit einem beliebten Streitpunkt zwischen Fußgängern und Radlern befasst: Dem gemeinsamen Rad- und Fußweg.
Wenn die Gefahr um die Ecke kommt
Auf gemeinsamen Rad- + Fußgängerwegen (Zeichen 240 zu § 41 StVO) kommt es oft zu – gerne lautstarken – Auseinandersetzungen, wer mehr aufpassen muss bzw. mehr darf. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat diese Frage nun eindeutig zugunsten der Fußgänger entschieden. Ein Radler war auf einem solchen Weg schwer gestürzt. Der Grund für den Sturz, der ihm starke Kopfverletzungen bescherte: Er war mit voller Fahrt in der Handtasche einer Frau hängengeblieben. Diese war überraschend aus ihrem Grundstück auf den Rad- und Gehweg getreten. Der Radler klagte auf Schadensersatz und Schmerzensgeld – und unterlag in zwei Instanzen.
Der Stärkere gibt nach und passt am Besten auch besser auf
Die Richter waren sich einig: Der gefallene Radfahrer ist für den Unfall allein verantwortlich. Die Frau traf an dem Sturz dagegen keine Schuld. Es erscheine als lebensfremde Überspannung allgemeiner Sorgfaltspflichten, einem Fußgänger aufzuerlegen, vor Verlassen eines Grundstücks und Betreten des öffentlichen Gehwegs zunächst gleichsam um die Ecke zu „lugen“, ob sich auf dem Gehweg etwas bewege.
Auf einem gemeinsamen Rad- und Gehweg haben Radfahrer nicht Vorrang vor Fußgängern
Auf einem gemeinsamen Rad- und Gehweg haben Radfahrer keinerlei Vorrang vor Fußgängern, sondern hätten umgekehrt auf diese Rücksicht zu nehmen und ihre Fahrweise so einzurichten, dass jede Gefährdung vermieden werde. Der Kläger habe sich grob fahrlässig verkehrswidrig verhalten, als er keinen ausreichenden Abstand zum Grundstückseingang eingehalten habe.
Auf solch kombinierten Strecken gilt: Fahrradfahrer haben viel mehr Sorgfaltspflichten als Fußgänger. Sie müssen jederzeit anhalten können – auch wenn Fußgänger überraschend ihren Weg kreuzen. Wer per Pedes unterwegs ist, darf dagegen so gut wie alles: Er muss weder nach hinten noch um die Ecke herum nach Drahteseln Ausschau halten. Er darf plötzlich stehenbleiben oder den Weg über die gesamte Breite nutzen. Dem Fahrradfahrer bleibt hier nur: Aufmerksam sein, Tempo drosseln und das Beste hoffen.
Was darf der Fußgänger?
Fußgänger dürfen den gemeinsamen Fuß- und Radweg auf der ganzen Breite benutzen und dort auch stehenbleiben. Sie brauchen, da dort Radfahrer keinen Vorrang haben, nicht fortwährend nach Radfahrern, die etwa von hinten herankommen könnten, Umschau zu halten. Sie dürfen darauf vertrauen, dass Radfahrer rechtzeitig durch Glockenzeichen auf sich aufmerksam machen, um dann aber ein Passage freizugeben.
Was muss der Fahrradfahrer leisten?
Bei einem gemeinsamen Fuß- und Radweg treffen den Radfahrer höhere Sorgfaltspflichten als den Fußgänger. Diese Pflichten können ihn zur Herstellung von Blickkontakt, Verständigung und notfalls Schrittgeschwindigkeit zwingen:
- Radfahrer habe auf kombinierten Geh- und Radwegen keinen Vorrang, Fußgänger müssen sie aber vorbeifahren lassen.
- Dabei müssen die Radfahrer jede Gefährdung vermeiden.
- Radfahrer haben demnach die Belange der Fußgänger auf solchen Wegen besonders zu berücksichtigen und insbesondere bei unklaren Verkehrslagen gegebenenfalls Schrittgeschwindigkeit zu fahren, um ein sofortiges Anhalten zu ermöglichen.
- Auf betagte oder unachtsame Fußgänger muss der Radfahrer besondere Rücksicht nehmen; mit Unaufmerksamkeiten oder Schreckreaktionen muss er rechnen.
- Für die Geschwindigkeit von Radfahrern gilt zusätzlich § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO: Ein Radfahrer muss innerhalb der übersehbaren Strecke halten können.
- Dazu gehört auch, dass er damit rechnet, dass aus Eingängen oder Ausfahrten Personen oder Fahrzeuge auf den Gehweg gelangen können.
(OLG Frankfurt am Main, Urteil v. 09. Oktober 2012, 22 U 10/11).
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