Ex-Wetterfrosch beschäftigt weiterhin die deutsche Justiz
Zur Erinnerung: Im Mai 2011 war der (ehemalige) Wettermoderator Jörg Kachelmann nach 43 Verhandlungstagen vom Vorwurf der der Vergewaltigung gegenüber seiner Ex-Freundin freigesprochen worden. Zuvor hatte die Bild-Zeitung die schlüpfrigen Details der Aussage Kachelmanns vor dem Haftrichter genüsslich wiedergegeben, und zwar allein zu dem Zweck, „den Voyeurismus der Leser zu befriedigen“. So sah es jedenfalls Kachelmanns Anwalt Matthias Siegmann und verklagte „Bild“ auf Unterlassung.
BGH sieht nur in Veröffentlichung vor Verfahrenseröffnung Verletzung des Persönlichkeitsrechts
Der BGH gab den Kachelmann-Anwälten in einem Punkt Recht. In einer vor Eröffnung der Hauptverhandlung vor dem Haftrichter gemachten Aussage hatte Kachelmann detailliert den Ablauf des Tatabends aus seiner Sicht geschildert und hierbei auch die körperlichen Kontakte zwischen seiner Ex-Freundin und ihm ausführlich dargelegt. Einige dieser Einzelheiten hatte „Bild“ bereits vor Eröffnung des Hauptverfahrens veröffentlicht. Hierin sah der BGH eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts Kachelmanns.
Eine Verdachtsberichterstattung ist an strenge Voraussetzungen geknüpft
Der BGH-Senat betrachtete den Bericht von „Bild“ als reine Verdachtsberichterstattung. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sei das Hauptverfahren gegen den damaligen Angeklagten noch nicht eröffnet gewesen. Insoweit habe bei Veröffentlichung die Unschuldsvermutung zu Gunsten von Kachelmann gegolten.
Zu diesem Zeitpunkt sei eine Veröffentlichung der intern vor dem Haftrichter abgegebenen Aussage Kachelmanns, die dieser im berechtigten Interesse, sich zu entlasten, getätigt habe, unzulässig gewesen.
Aussagen auch eines Prominenten, die dieser im vorgerichtlichen Verfahren mache, seien im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht geschützt. Diese Aussagen seien nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen.
Sie hätten in der Presse nur unter ganz engen Voraussetzungen, nämlich bei einem erheblichen, den Schutz des Rechtes der Persönlichkeit überwiegenden allgemeinen Informationsinteresse verwertet werden dürfen.
Der Bericht in „Bild“ habe die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen aber in keiner Weise gewahrt.
Neue Situation nach Eröffnung der Hauptverhandlung
Nach Auffassung der BGH Richter hatte sich die Situation jedoch grundsätzlich geändert, nachdem in der späteren öffentlichen Hauptverhandlung das Aussageprotokoll mit Zustimmung Kachelmanns komplett verlesen worden war. Damit sei die gesamte Aussage dem Publikum zugänglich geworden.
Da der Prozess auf erhebliches öffentliches Interesse gestoßen sei, habe das Publikum ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der Hintergründe gehabt. Wenn die Öffentlichkeit im Gerichtssaal an der Verlesung der Aussage teilhaben konnte, so gab es nach Auffassung der Richter keinen Grund, der Öffentlichkeit außerhalb des Gerichtssaals die Kenntnis der Einzelheiten vorzuenthalten. Die Öffentlichkeit habe ein berechtigtes Informationsinteresse an der Kenntnis des Verfahrensgangs und der Rechtsfindung durch das Gericht gehabt. Daher sei zu diesem Zeitpunkt die Veröffentlichung rechtmäßig gewesen. Der zuvor bestehende Anspruch auf Unterlassung sei ab diesem Zeitpunkt entfallen.
Erneute Änderung der Situation nach Freispruch
Die BGH-Richter wiesen darauf hin, dass sich nach dem rechtskräftigen Freispruch Kachelmanns die Situation wieder geändert haben könne. Möglicherweise sei heute eine Berichterstattung in gleicher Form durch das öffentliche Interesse nicht mehr gerechtfertigt. Insoweit bestünde allerdings auch keine Gefahr, dass die Berichterstattung sich in gleicher Form wiederholen könne. Hieraus folge, dass ein Anspruch auf Unterlassung mangels Wiederholungsgefahr nicht mehr gegeben sei. Das Gericht wies daher die Klage ab. Die Anwälte Kachelmanns schlossen dennoch nachfolgende Schmerzensgeldforderungen Kachelmanns wegen der ursprünglichen Rechtswidrigkeit der Berichterstattung nicht aus.
(BGH, Urteil v. 19.03.2013, VI ZR 93/12).
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