Keine verfassungsrechtliche Überprüfung der Rundfunkbeiträge

Der seit dem 1.1.2013 gültige 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag knüpft die Pflicht zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen für Privatpersonen allein an die Inhaberschaft einer Wohnung. Eingeschworenen Rundfunkverweigerern ist dies ein Dorn im Auge.

Die Beschwerdeführerin nimmt nachweislich seit Jahrzehnten grundsätzlich nur das Hörfunkprogramm des öffentlichen Rundfunks in Anspruch und meidet jedes Fernsehangebot. Dennoch wird sie seit dem 1.1.2013 auf der Grundlage des Rundfunkänderungsstaatsvertrages zum einheitlichen Rundfunkbeitrag von 17,98 EUR pro Monat herangezogen. Da sie weiterhin jeglichen Fernsehkonsum ablehnt, sieht sie hierin eine Zwangsabgabe, der aus ihrer Sicht keine für sie verwertbare Gegenleistung gegenübersteht. Daher fühlte sie sich in ihren Grundrechten verletzt und hat gegen die Heranziehung Verfassungsbeschwerde beim Staatsgerichtshof (StGH) in Baden-Württemberg eingelegt.

Verfassungsbeschwerden sind subsidiär

Der StGH wies darauf hin, dass vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer den Rechtsweg über die Fachgerichte beschreiten muss. Dieses Prinzip diene der Entlastung des Staatsgerichtshofs. Ausnahmsweise könne der Staatsgerichtshof von diesem Prinzip abweichen, wenn die Verfassungsbeschwerde von allgemeiner Bedeutung sei oder wenn dem Beschwerdeführer sonst ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde. Dies sei hier aber nicht der Fall, so dass die Verfassungsbeschwerde schon wegen Verstoßes gegen das Subsidiaritätsprinzip unzulässig sei.

Härteregelung könnte einschlägig sein

Nach Auffassung des StGH sei es auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführerin mit einem Härtefallantrag bei der zuständigen Rundfunkanstalt Erfolg hätte. Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 des Rundfunkbeitragstaatsvertrages könnten die Landesrundfunkanstalten nämlich in besonderen Härtefällen einen Antragsteller von der Beitragspflicht befreien. Dies gelte auch insoweit, als die Gebührenpflicht an die Inhaberschaft an einer Wohnung an knüpfe. Die Landesrundfunkanstalten dürften durchaus in den Fällen, in denen der Wohnungsinhaber nachweislich keinerlei Fernsehsendungen abrufe, die Beitragspflicht erlassen oder ermäßigen. Ob die Anknüpfung der Beitragspflicht an die Inhaberschaft einer Wohnung grundsätzlich mit der Verfassung zu vereinbaren sei, sei vom StGH erst dann zu prüfen, nachdem der Betroffene die primären rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft habe.

Der Rundfunkbeitrag ist eine „Vorzugslast“

Der StGH wies weiter darauf hin, dass es sich bei dem Rundfunkbeitrag nicht um eine Steuer sondern um eine so genannte Vorzugslast handle. Diese knüpfe an eine konkrete Gegenleistung an, die in der Möglichkeit der Nutzung von Rundfunk und Fernsehen liege. Die Vermutung, dass bei Bestehen dieser Möglichkeit der Wohnungsinhaber diese  tatsächlich nutze, beruhe auf einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab und könne möglicherweise im Einzelfall widerlegt werden. Die Voraussetzungen müssten allerdings zunächst die Behörde bzw. die ordentlichen Gerichte prüfen.

Pauschalierungen ohne Ausnahmebestimmungen sind nur begrenzt möglich

Der StGH machte allerdings deutlich, dass eine Typisierung und Pauschalierung zur Verwaltungsvereinfachung grundsätzlich Ungleichbehandlungen mit sich brächten. Nehme eine Person aus grundsätzlichen Erwägungen am Rundfunk nicht teil und müsse dennoch den Beitrag zahlen, so sei diese Rechtsfolge am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen. Nur wenn die hierdurch hervorgerufene Härte nur unter großen Schwierigkeiten und unter Verletzung des Ziels der Verwaltungsvereinfachung zu vermeiden wäre, sei eine solche Pauschalierung gerechtfertigt. Auch dies habe der StGH allerdings erst dann zu prüfen, wenn die zuständigen Behörden bzw. Gerichte dem „Rundfunkverweigerer“ die Zuerkennung eines Härtefalls endgültig verweigern würden.

Ratschlag für die Gesetzesauslegung

Die Beschwerdeführerin wurde also im Ergebnis auf ihre primären rechtlichen Möglichkeiten gegenüber Behörden und Fachgerichten verwiesen. Aus der Entscheidung lässt sich allerdings auch der Rat des StGH an die Behörden (und Gerichte) herauslesen, mit der Anwendung der Härtefallregelung nicht zu restriktiv zu verfahren.

(StGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 22.8.2013, 1 VB 65/13)


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