Haftung bei Hörschäden nach Rockkonzert
Lange Jahre war die Rechtsprechung mit der Zuerkennung von Schmerzensgeld wegen Hörschäden nach Rockkonzerten zurückhaltend. So hatte das OLG Zweibrücken den Schmerzensgeldanspruch einer Fünfzehnjährigen abgelehnt, die durch überlaute Lärmspitzen bei einem Rockkonzert einen Innenohrschaden mit Tinnitus erlitten hatte.
Vor Konzertlärm sollte man sich bisher selbst schützen
Die Richter waren der Auffassung, eine Fünfzehnjährige müsse selbst erkennen, welcher Beschallung sie sich aussetzen wolle und ob die Lautstärke der Bestallung schädlich sei. Die Einsichtsfähigkeit einer Fünfzehnjährigen reiche aus, um beurteilen zu können, dass bei einem Rockkonzert mit erheblichen Lärmpegeln zu rechnen sei, die auf das Hören einen schädlichen Einfluss haben könnten.
Hiervon werde in den öffentlichen Medien hinreichend gewarnt. Wem es zu laut sei, der könne ein Rockkonzert auch mit Ohrstöpseln besuchen. (OLG Zweibrücken, Urteil v. 29.08.1999, 6 U 40/98).
Untergerichte bei Schmerzensgeldklagen wegen Rocklärm abweisend
In ähnlicher Weise hatte das OLG Karlsruhe den Schmerzensgeldanspruch einer Besucherin eines Rockkonzert wegen eines dort erlittenen Hörsturzes abgelehnt.
BGH sieht auch Konzertveranstalter
Der BGH belehrte die Richter jedoch eines Besseren und stellte klar: Der Besucher einer öffentlichen Veranstaltung – auch eines Rockkonzert – dürfe grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Veranstalter ausreichende Sicherungsmaßnahmen ergreift, um die Besucher vor gesundheitsschädlichen Einwirkungen zu schützen.
Dies gelte auch für die Lautstärke eines Konzerts. Den Veranstalter treffe gegenüber den Besuchern eine Fürsorgepflicht. Hiernach habe der Veranstalter eines Rockkonzerts darauf zu achten, dass die als gesundheitsschädlich eingestuften Lärmpegel nicht überschritten würden. Sowohl nach den DIN Normen (DIN 15905) als auch nach europäischen Standards würden bestimmte Lärmpegel als gesundheitsschädlich qualifiziert.
Veranstalter habe ständige Lärmmessungen durchzuführen
Der Veranstalter eines Rockkonzert habe daher durch ständige Lärmmessungen zu überwachen, ob diese Lärmpegel überschritten werden. Für diesen Fall habe er Vorsorge zu treffen, zu hohe Lärmpegel herunterregulieren zu können. Nur wenn diese Vorsichtsmaßnahmen eingehalten würden, sei er bei einem gleichwohl erlittenen Schaden eines Besuchers nicht schadenersatzpflichtig (BGH, Urteil v. 13.03.2001, VI ZR 142/00).
„Bon Jovi“ war zu laut
In Fortführung dieser Rechtsprechung hat das LG Nürnberg den Veranstalter eines „Bon Jovi“ - Konzerts wegen Verletzung der Fürsorgepflicht zu Schadenersatz und Schmerzensgeld verurteilt. Eine Besucherin hatte während des Konzerts einen schweren Innenohrschaden erlitten, der nicht mehr vollständig behoben werden konnte.
Dies war dem OLG Beleg genug, um von einer Überschreitung der zulässigen Lärmpegel auszugehen. Der Veranstalter war demgegenüber nicht in der Lage, darzulegen, dass er ausreichende Sicherungsmaßnahmen getroffen hätte. Deshalb verurteilte das LG den Veranstalter zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 4.000 € sowie zum Ersatz der Kosten der erforderlichen Heilbehandlungen (LG Nürnberg, Urteil vom 1. Dezember 2004, 6 O 4537/04).
„NSync“ – schlecht und laut!
Dies jedenfalls war die Meinung der Presse nach dem Konzert der Rockgruppe „NSync“ in Trier. Eine Besucherin hatte nach Feststellung ihres HNO-Arztes hierdurch eine „hochgradige, lärmtraumatische Innenohrschädigung mit Tinnitus“ erlitten. Obwohl die Geschädigte während des Konzerts unmittelbar vor der Bühne in der Nähe der Lautsprecherboxen stand, sprach das OLG Koblenz ihr ein Schmerzensgeld in Höhe von 9.000 EUR zu.
Nach Auffassung des OLG darf der Gast einer solchen Konzerts sich im gesamten, für die Zuschauer vorgesehenen Bereich darauf verlassen, dass zulässige Lärmpegel nicht überschritten und Gesundheitsschäden ausgeschlossen werden. Deshalb sah der Senat in dem Aufenthalt in unmittelbarer Nähe der Bühne auch kein Mitverschulden. Der Veranstalter musste zahlen.
(OLG Koblenz, Urteil v.13. 09.2001, 5 U 1324/00).
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