In einem vom OLG Saarbrücken entschiedenen Fall hatte der Kläger bei einem Verkehrsunfall eine Oberschenkelfraktur, ein Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades, Schnittverletzungen im Gesicht sowie eine Versteifung des rechten Zeigefingers erlitten. Als Folge trat eine dauerhafte Beinverkürzung ein, eine mäßig konzentrische Einschränkung der rechten Hüfte und eine geringgradige Beugebehinderung des rechten Kniegelenks.
Depressive Verstimmungen, Angst- und Panikstörungen
Als weitere Folge traten beim Kläger erhebliche depressive Verstimmungen, Angst- und Panikstörungen auf. Seine vorher vorhandene Lebensfreude schwand. Das alleinige Verschulden des Unfallgegners an dem Verkehrsunfall war unstreitig. Mit Blick auf die geschilderten psychischen Leiden erhöhte das OLG das zuvor vom LG zuerkannte Schmerzensgeld von ca. 15.000 EUR um weitere 10.000 EUR auf insgesamt 25.000 EUR. Der Kläger hatte allerdings wegen der durch die psychischen Beeinträchtigungen nach seiner Darstellung erfolgte komplette Zerstörung seiner bisherigen Lebensführung ein Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 300.000 EUR gefordert.
Seelische Folgeschäden sind maßgebliche Bemessungsfaktoren
Das OLG legte Wert auf die Feststellung, dass einer starken Beeinträchtigung der Lebensfreude durch seelische Folgeschäden maßgeblicher Einfluss auf die Höhe des Schmerzensgeldes beizumessen sei, insbesondere wenn die seelischen Leiden die Lebenssituation des Betroffenen nachhaltig prägen.
Panikattacken und die von dem im konkreten Fall hinzugezogenen Sachverständigen bestätigte mittelschwere Depression beeinflussen nach Auffassung der Richter die Lebensführung nachhaltig negativ.
Schmerzensgeldforderung lebensfremd überzogen
Das OLG ließ sich jedoch nicht davon überzeugen, dass das Leben des Betroffenen - wie er schilderte - vollständig zerstört sei. Dieses vorgetragene subjektive Empfinden wurde nach Auffassung des OLG-Senats der Lebenswirklichkeit des Unfallopfers nicht annähernd gerecht. Das „zur Herleitung exorbitanter Schmerzensgelder bemühte Bild vom zerstörten Leben“ müsse im Verkehrsunfallprozess solchen Fallgestaltungen vorbehalten bleiben, in denen gravierende körperliche oder seelische Dauerfolgen eine Teilnahme des Geschädigten am gesellschaftlichen und sozialen Leben nahezu unmöglich machten.
Eine solche Situation sei vorliegend nicht annähernd gegeben. Das von dem Beschuldigten insoweit geforderte Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 300.000 EUR sei daher abwegig übersetzt.
Statt geforderter 300.000 EUR nur 25.000 EUR
Das Gericht sah sich außer Stande, in der Situation zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung den noch zu erwartenden künftigen Lebensweg des Klägers zu beurteilen. Es sah daher unter Beurteilung der aktuellen Situation ein Gesamtschmerzensgeld von und 25.000 EUR als angemessen an.
Andere „Psychofälle“
Das OLG Hamm hat bei einem chronischen psychophysischen Erschöpfungszustand ein Schmerzensgeld von 5.000 EUR zuerkannt (OLG Hamm, Urteil v. 02.04.2001, 6 U 231/99), das OLG Frankfurt für eine massive psychische Beeinträchtigung 7.225 EUR (OLG Frankfurt, Urteil v. 01.10.2004, 4 U 26/95). Das OLG Brandenburg hält für ein mehrere Jahre dauerndes Leiden unter somatoformen Beschwerden ein Schmerzensgeld von 7.500 EUR für angemessen (OLG Brandenburg Urteil v. 08.04.2004, 12 U 3/03).
Bei einer schweren Traumatisierung mit einzelnen Panikattacken sprach das LG Bonn ein Schmerzensgeld von 8.000 EUR zu (LG Bonn, Urteil v. 04.03. 2008, 3 O 334/06). Für eine jahrelange somatoforme Schmerzstörung sah das OLG Schleswig ein Schmerzensgeld von 10.000 EUR vor (OLG Schleswig, Urteil v. 19.12.2002, 7 U 163/01), ein jahrelang dauerndes chronisches Schmerzsyndrom einhergehend mit einer Berufsunfähigkeit führte beim OLG Brandenburg zu einem Schmerzensgeld von 12.000 EUR (OLG Brandenburg Urteil v. 05.05. 2009, 5 U 177/08).
Bemessungspraxis bei psychischen Leiden sehr zurückhaltend
Vor diesem Hintergrund ordnet sich die Entscheidung des OLG Saarbrücken hinsichtlich der Schmerzensgeldhöhe für die psychischen Leiden im mittleren bis oberen Bereich ein. Stellt man in Rechnung, in welch hohem Maße beispielsweise eine schwere Depression die Lebensqualität eines Menschen beeinträchtigen kann, so erscheinen die ausgeurteilten Schmerzensgeldbeträge als eher gering. Die Vorsicht der Gerichte dürfte letztlich auch darauf zurückzuführen sein, dass psychische Leiden häufig schwer zu verifizieren und auch zu quantifizieren sind.
(OLG Saarbrücken, Urteil v. 31.01.2013, 4 U 349/11).
Bemessung: Bei der Höhe des Schmerzensgeldes orientiert sich die Rechtsprechung i. d. R. an Schmerzensgeldtabellen, z.B. an der von Hacks begründeten Schmerzensgeldtabelle.