Vor Schönheits-OP Indizien für Selbstwahrnehmungsstörungen abklären
Die 37-jährige Klägerin leidet unter einer körperdysmorphoben Symptomatik mit Hang zur Autoaggression, weshalb sie sich seit 2007 in psychotherapeutischer Behandlung befindet. In ihrer Jugend fügte sie sich mehrere Ritznarben, Schnittverletzungen und Verätzungen zu, was teilweise eine Vielzahl von teilweise entstellender Narben zur Folge hatte.
Neigung zu überschießender Narbenbildung
Im Jahr 2008 entschied sie sich, bei dem beklagten Arzt für plastische und ästhetische Chirurgie eine Augenlid- bzw. eine Stirnstraffung durchzuführen. Im Rahmen des Aufklärungsgesprächs bejahte sie die Frage zur Neigung einer überschießenden Narbenbildung. Die Schönheitsoperation hinterließ eine sichtbare Narbe am Haaransatz, weshalb sich die Klägerin zu einer anschließenden Narbenkorrektur entschied. Sie verklagte den Arzt, in den Vorinstanzen jedoch erfolglos, auf Zahlung der Kosten für die Operationen und ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 20.000 EUR.
BGH: Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt
Die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BGH hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht. Es wurde zu Recht beanstandet, dass das Berufungsgericht das von der Klägerin vorgelegte Gutachten der Schlichtungsstelle zu Arzthaftpflichtfragen der Norddeutschen Ärztekammer aus Dezember 2011 unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG übergangen hatte. In diesem Gutachten wird ausgeführt, dass die Operation in der vorgegeben Situation nicht hätte durchgeführt werden dürfen.
Widersprüchliches Gutachten – Aufklärung von Amts wegen
Aufgrund der Angaben in dem Aufklärungsgespräch hätte eine Kontrolle der Angaben durch den Arzt durchgeführt werden müssen, denn Zeichen einer Autoaggressionserkrankungen stellen ohne vorherige Abklärung eine Kontraindikation für ein Brauen-Lift dar.
- Diese Aussage des Gutachtens stand in klarem Widerspruch zum gerichtlichen Sachverständigen.
- Das Berufungsgericht hätte diesen Widerspruch von Amts wegen aufklären müssen.
Auch der Privatsachverständige führte aus, dass bei einem nicht abgeklärten Verdacht von Dysmorphophobie zunächst eine kognitive Verhaltenstherapie in Betracht gezogen werden sollte und bis dahin von ästhetisch-chirurgischen Eingriffen abzusehen sei.
(BGH, Beschluss v. 15.12.2015, VI ZR 557/15).
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