BGH: Untergemeinschaft kann keine Mängelrechte an sich ziehen

Auch wenn nur im Gebäude einer Untergemeinschaft Mängel am Gemeinschaftseigentum auftreten, kann allein die Gesamtgemeinschaft diesbezügliche Ansprüche der Eigentümer zur Durchsetzung an sich ziehen. Die Untergemeinschaft hat hierüber keine Beschlusskompetenz.

Hintergrund: Mängel an Gebäude der Untergemeinschaft

Eine Wohnungseigentumsanlage bestand aus zwei Häusern mit fünf beziehungsweise acht Wohneinheiten. Für jedes Gebäude bestand laut Gemeinschaftsordnung eine Untergemeinschaft, die für die Belange, die das jeweilige Gebäude betreffen, eigene Eigentümerversammlungen abhalten sollte. Beide Gebäude sollten so weit wie möglich getrennt und unabhängig voneinander behandelt werden. Die Bauträgerin, die die Anlage errichtet hatte, war selbst Mitglied der Eigentümergemeinschaft.

In einem der beiden Gebäude traten Mängel am Gemeinschaftseigentum zutage. Daraufhin fasste die Gesamtgemeinschaft in einer Eigentümerversammlung den Beschluss, die Ausübung der auf die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche sowie die sonstigen primären Mängelrechte, die den Erwerbern gegen die Bauträgerin zustehen, an sich zu ziehen. Auf Basis dieses Beschlusses klagte die Gemeinschaft gegen die Bauträgerin auf Zahlung eines Vorschusses zur Mängelbeseitigung. In diesem Verfahren holte das Gericht ein Sachverständigengutachten über die vermeintlichen Mängel ein.

In einer weiteren Eigentümerversammlung beschloss die Gesamtgemeinschaft, den Prozess fortzusetzen und nach Vorlage des Gutachtens einen Vergleich mit der Bauträgerin anzustreben. Die Bauträgerin hat gegen diesen Beschluss Anfechtungsklage erhoben. Sie meint, der Gesamtgemeinschaft fehle die Beschlusskompetenz, da der Rechtsstreit allein eine Untergemeinschaft betreffe.

Entscheidung: Gesamtgemeinschaft hat Beschlusskompetenz

Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg. Insbesondere war der Beschluss nicht mangels Beschlusskompetenz der Gesamtgemeinschaft nichtig.

Die Gesamtgemeinschaft hat die auf Beseitigung von Baumängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten Rechte der Wohnungseigentümer durch Beschluss wirksam an sich gezogen und war infolgedessen auch befugt, über die mit der Prozessführung im Zusammenhang stehenden Folgeangelegenheiten zu entscheiden.

Den Beschluss über die Vergemeinschaftung der Mängelrechte konnte nur die Gesamtgemeinschaft fassen, nicht aber die Untergemeinschaft, deren Gebäude von den Mängeln betroffen war.

Zwar können in Mehrhausanlagen weitgehend selbstständige Untergemeinschaften gebildet werden, die über "ihre" Angelegenheiten eigenständig entscheiden können. So kann ihnen die Kompetenz eingeräumt werden, über Instandhaltungs-, Instandsetzungs- und Sanierungsmaßnahmen in ihrem Gebäude zu beschließen. Andererseits muss der Beschluss über die Jahresabrechnung zwingend von der Gesamtgemeinschaft gefasst werden.

Dasselbe gilt für einen Beschluss, mit dem die Gemeinschaft die auf Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten Rechte der Erwerber zur alleinigen Durchsetzung an sich zieht. Die Möglichkeit, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft mehrheitlich beschließen kann, wegen eines Mangels des Gemeinschaftseigentums Vorschuss zu fordern oder einen auf die Beseitigung von Mängeln des Gemeinschaftseigentums gerichteten Erfüllungs- oder Nacherfüllungsanspruch durchzusetzen, ist vom BGH schon seit längerem anerkannt, auch nach der WEG-Reform. Solange ein solcher Beschluss nicht gefasst ist, kann jeder Erwerber die auf ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Mängelansprüche selbstständig verfolgen.

Nur Gesamtgemeinschaft ist rechtsfähig

Für eine alleinige Beschlusskompetenz der Gesamtgemeinschaft spricht bereits, dass nur diese im Außenverhältnis rechts- und parteifähig ist, anders als die rechtlich unselbstständige Untergemeinschaft.

Auch erfordert es die ordnungsgemäße Verwaltung, einen einheitlichen Willen darüber zu bilden, wie die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums zu bewirken ist. Nur eine solche gemeinschaftliche, allein verbindliche und koordinierte Willensbildung verhindert zudem, dass der Veräußerer verschiedenartigen Ansprüchen ausgesetzt wird, die letztlich nicht durchsetzbar wären. Schließlich ist es auch im Interesse des Veräußerers, dass sich nicht unterschiedliche Untergemeinschaften wegen des gleichen Sachmangels an verschiedenen Gebäuden einer Mehrhausgemeinschaft für die Geltendmachung unterschiedlicher Sachmängelansprüche entscheiden. 

Die Beschlusskompetenz für die Vergemeinschaftung von Mängelrechten steht auch dann allein der Gesamtgemeinschaft und nicht der Untergemeinschaft zu, wenn die Mängel nur das einer Untergemeinschaft zugeordnete Gebäude betreffen. Bei Beschlussfassung wird häufig noch nicht klar sein, ob wirklich nur ein Gebäude betroffen ist oder ob auch andere Gebäude mangelhaft sind, ohne dass sich die Mängel dort bereits gezeigt haben. Die hiermit verbundenen Unsicherheiten lassen sich nur vermeiden, wenn von vornherein feststeht, wem die Beschlusskompetenz zusteht. Dieses Ergebnis lässt sich nur erzielen, wenn die Beschlusskompetenz allein der Gesamtgemeinschaft zugeordnet wird.

(BGH, Urteil v. 23.2.2024, V ZR 132/23)

Hinweis: In demselben Urteil hat der BGH klargestellt, dass die Anteile der einzelnen Eigentümer an einer Sonderumlage zumindest eindeutig bestimmbar sein müssen.


Das könnte Sie auch interessieren:

BGH-Rechtsprechungsübersicht zum Wohnungseigentumsrecht

Schlagworte zum Thema:  Wohnungseigentumsrecht