Im Rechtsstreit zwischen Wohnungseigentümern muss ein Anwalt pro Seite reichen
In einer WEG alle unter einen Hut zu kriegen ist nicht einfach. Letztlich verfolgt jeder seine eigenen Interessen, Gemeinschaft hin oder her. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Auseinandersetzungen vor Gericht landen.
Brunnenbau scheitert an einem Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit
In diesem Fall wollten fast alle Wohnungseigentümer auf ihrer Sondernutzungsfläche im Garten einen Brunnen anlegen – bis auf einen. Der allerdings vereinte so viele Stimmrechte auf sich, dass er einen Pro-Brunnen-Beschluss mit seiner Mehrheit verhindern konnte.
Im Prozess Brunnenbefürworter sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite
Ein Teil der Wohnungseigentümer verfolgte ihr Brunnenbau-Ziel im Rahmen einer Anfechtungsklage i.V.m. einem Antrag auf Beschlussersetzung weiter. Auf der Gegenseite fanden sich neben dem Brunnengegner drei weitere Wohnungseigentümer wieder. Für diese bestellte die Verwalterin einen Rechtsanwalt.
Zweiter Anwalt auf Beklagtenseite von Mehrheitsinhaber beauftragt
Wenn der Beschluss-Boykottierer nicht selbst noch einen eigenen Rechtsanwalt beauftragt hätte, wäre alles optimal für ihn gelaufen, denn das zuständige Amtsgericht wies die Klage ab und legte den Klägern die Kosten des Rechtsstreits auf.
Kostenfestsetzungsantrag für zweiten Anwalt wurde zurückgewiesen
Es folgten die Kostenfestsetzungsanträge der Beklagten in dem für sie gewonnenen Rechtsstreit und damit die böse Überraschung für den Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit, denn auf seinen Anwaltskosten sollte er sitzen bleiben. Dagegen legte er alle möglichen Rechtsmittel ein bis er zuletzt beim BGH scheiterte.
Aus Rechtsschutzgründen müssen Anwaltskosten – bis auf wenige Ausnahmen - geringgehalten werden
Begründet wurde die Kostenentscheidung damit, dass ein Anwalt für alle Beklagten ausreichend ist. So bestimmte es § 50 WEG in der bis zum 1.12.2020 geltenden Fassung. Hintergrund ist, dass kein Wohnungseigentümer aus Angst vor überbordenden Rechtsanwaltskosten von einer Klage abgehalten werden soll. Nur ausnahmsweise ist eine Vertretung durch mehrere Rechtsanwälte möglich, nämlich dann, wenn dies mit Blick auf den Streitgegenstand geboten ist. Ein solcher Ausnahmefall wurde hier auch vom BGH, der zudem eine Quotelung ablehnt, verneint.
Unterschiedliches Abstimmungsverhalten irrelevant
Weder die Tatsache, dass die anderen beklagten Wohnungseigentümer für den Brunnen und damit gegenläufig gestimmt hatten noch die Argumentation mit dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43 Abs. 4 BRAO) halfen; die Kosten des eigens beauftragten Rechtsanwalts blieben am Beklagten hängen.
Beklagte verfolgen einheitlich die Abwehr der Klage
In dem Anfechtungsprozess ist – trotz unterschiedlichen Abstimmungsverhaltens – das Ziel aller Beklagen dasselbe, nämlich die Abwehr der erhobenen Einwände gegen die Wirksamkeit eines Beschlusses. Dafür muss der eine beauftragte Anwalt sorgen.
Erhöhungsgebühr für mehrere Vertretene muss berücksichtigt werden
Bei der Berechnung müssen die Kosten ermittelt werden, die für einen Anwalt entstanden wären, der alle Beklagten vertreten hätte. Das sind die tatsächlich auf Beklagtenseite für einen Anwalt entstandenen Kosten plus Erhöhungsgebühr für drei weitere Beklagte. Nur die kleine Differenz der Erhöhungsgebühr bekam der Mehrheitseigentümer vom BGH zugesprochen und angerechnet.
(BGH, Beschluss v. 1.7.2021, V ZB 55/20).
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Hintergrund: Kostenerstattungsbegrenzung gemäß § 50 WEG
Ließe sich jeder Wohnungseigentümer bei einem gegen ihn geführten Verfahren von einem eigenen Rechtsanwalt vertreten, führte dies zu einer enormen Kostenbelastung des Klägers, wenn er mit seinen Anträgen nicht durchdringen kann. Die neue Regelung des § 50 WEG will diesem Risiko entgegenwirken. Sie legt fest, dass den Wohnungseigentümern zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nur die Kosten eines Rechtsanwalts zu erstatten sind.
Ausnahme: Eine Kostenerstattung für mehrere Rechtsanwälte kann in Betracht kommen, wenn aus Gründen, die mit dem Gegenstand des Rechtsstreits zusammenhängen, eine Vertretung durch mehrere Bevollmächtigte geboten war. Der Gesetzgeber will damit verhindern, dass Wohnungseigentümer im Hinblick auf eine Kostenerstattung auch dann nur einen Rechtsanwalt beauftragen müssen, wenn widerstreitende Interessen vorliegen. Die Vertretung durch unterschiedliche Verfahrensbevollmächtigte muss geboten sein, weil sich dies aus dem Gegenstand des Verfahrens ergibt.
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