Der Fall betraf einen Mieter, der über seinen Rechtsanwalt eine Klage auf Rückabwicklung eines Mietvertrages nebst Rückzahlung von 7.000 Euro verlangte. Weil der Anwalt am Verhandlungstag nicht erschien, erging ein erstes Versäumnisurteil. Gegen das Versäumnisurteil hat der Mandant über seinen Anwalt Einspruch eingelegt. In dem Termin zur Verhandlung über den Einspruch und über die Hauptsache ist der Anwalt abermals nicht erschienen. Daraufhin hat das AG Hamburg den Einspruch durch zweites Versäumnis-Teilurteil verworfen und durch Teilversäumnisurteil über die von der Beklagten inzwischen erhobene Widerklage entschieden.
Auszubildende trägt Frist nicht in den Kalender ein
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung hat der Kläger vorgetragen: Der Verhandlungstermin sei unverschuldet versäumt worden. Die Umladung zum Termin sei bei seinem Prozessbevollmächtigten eingegangen. Entsprechend der von diesem durchgängig praktizierten und stichprobenartig kontrollierten Übung hätte der Termin im Terminkalender notiert und dies auf der Ladung mit dem Namen der notierenden Person vermerkt werden müssen. Danach wäre die Akte dem Prozessbevollmächtigten vorzulegen gewesen. Im vorliegenden Fall sei die Notierung auf der Ladung durch die Auszubildende K erfolgt. Der Prozessbevollmächtigte habe das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und anhand des Vermerks auf der Ladung kontrolliert, dass der Termin eingetragen sei. Dies sei aber tatsächlich nicht erfolgt. Die Auszubildende sei zwar in ihren allgemeinen Leistungen nicht gut gewesen. Hinsichtlich der Notierung von Terminen und anderen einfachen Formalitäten habe sie aber seit zwei Jahren durchgängig fehlerlos gearbeitet. Deshalb habe der Prozessbevollmächtigte sicher davon ausgehen können, dass die Notierung auch erfolgt sei. Eine Kontrolle anhand des Terminkalenders sei aus diesem Grund nicht erfolgt. Mangels Eintragung im Kalender sei die Akte nicht zum Termin vorgelegt worden.
Strenge und wirksame Kontrolle ist jedenfalls erforderlich
Das Landgericht Hamburg hat die Berufung verworfen. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht habe die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen, meinte der Bundesgerichtshof. Nach dessen ständiger Rechtsprechung darf ein Rechtsanwalt regelmäßig sein voll ausgebildetes, als zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal mit der Notierung und Überwachung von Fristen betrauen. Er hat jedoch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Unverzichtbar seien insoweit eindeutige Anweisungen an das Büropersonal, die Festlegung klarer Zuständigkeiten und die mindestens stichprobenartige Kontrolle des Personals.
BGH schließt Fristnotierungen durch Auszubildende bei Personalmangel nicht völlig aus
Die Fristeintragung und -überwachung dürfe allerdings grundsätzlich nicht auf noch auszubildende Kräfte übertragen werden, denen die notwendige Erfahrung fehlt, betonte der BGH. „Ob im Einzelfall bei Personalmangel eine Ausnahme von diesem Grundsatz zugelassen werden kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. In einem solchen Fall muss jedenfalls eine umso wirksamere Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst oder durch ausgebildete und erfahrene Angestellte gewährleistet sein, durch die sichergestellt wird, dass alle von dem Auszubildenden eingetragenen Fristen anhand der Akten auf ihre Richtigkeit überprüft werden“, meinten die Karlsruher Richter. Sowohl Stichproben als auch bloße Kontrolleinsichtnahmen in den Fristenkalender reichen danach nicht aus, um die notwendige Überprüfung der von einem Auszubildenden vorgenommenen Eintragungen zu gewährleisten. Vielmehr ist ein Vergleich der Eintragungen im Fristenkalender mit der jeweiligen Akte erforderlich.
Auszubildender darf nur bei triftigem Grund Fristen eintragen
Ein Auszubildender darf auch nicht damit betraut werden, bereits vom Rechtsanwalt vorgegebene Fristen in den Kalender einzutragen, ohne dass die ordnungsgemäße Erledigung jeweils anhand der Akten überprüft wird, so der BGH weiter. Zwischen der kalendermäßigen Eintragung von konkret vorgegebenen Fristen einerseits und Terminen andererseits bestehe hinsichtlich der hieran zu stellenden Anforderungen kein Unterschied, der es rechtfertigen würde, bezüglich des Umfangs der erforderlichen Erledigungskontrolle zu differenzieren. In dem einen wie dem anderen Fall gelte vielmehr, dass in jedem Einzelfall eine wirksame Kontrolle der Tätigkeit eines Auszubildenden gewährleistet sein müsse, sei es durch den Anwalt selbst oder durch hierzu geeignete Angestellte.
Diesem Erfordernis genügte der vom Kläger dargelegte Organisationsablauf in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten nach den Feststellungen der Karlsruher Richter nicht. Es sei bereits nichts dafür ersichtlich, dass der Auszubildenden K die Eintragung des Termins wegen Personalmangels oder aus einem vergleichbar triftigen Grund übertragen wurde.
(BGH, Beschluss vom 11.11.2015, XII ZB 407/12)
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